Название: Nach Hause kommen zu sich selbst
Автор: Tara Brach
Издательство: Bookwire
Жанр: Сделай Сам
isbn: 9783867287340
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Pam nickte. Jerry und sie seien Katholiken, erklärte sie mir, und die Achtsamkeitsübungen aus meinen wöchentlichen Kursen hätten ihnen zu einer tieferen Erfahrung ihres Glaubens verholfen. Doch die dramatische Verschlechterung von Jerrys Zustand überwältigte Pam. »Ich weiß, dass die Hospiz- und Pflegekräfte alles tun, um zu helfen, aber ich finde einfach, all dies sollte nicht so sein – so viel Erschöpfung, so viel Schmerz. Niemand sollte so etwas durchmachen müssen. Es ist einfach verkehrt.« Wie so viele Menschen empfand auch Pam Krankheit als ungerecht, als einen Feind, dem es zu widerstehen gilt. Sie war mit Dukkha konfrontiert, dem Leiden, das mit dem Leben einhergeht.
»In diesen besonders schwierigen Momenten könntest du innehalten und dir bewusst machen, was du fühlst – die Angst, den Ärger oder den Kummer«, schlug ich ihr vor. »Und dann könntest du dir innerlich zuflüstern: ›Ich stimme zu.‹« Ich hatte diesen Satz kürzlich von Pater Thomas Keating gehört und dachte, als Katholikin könnte Pam damit vielleicht etwas anfangen. Wenn wir »Ich stimme zu« sagen – oder einfach »Ja«, wie ich meistens lehre –, entspannt sich unser Widerstand gegen den gegenwärtigen Augenblick, und wir können den Herausforderungen des Lebens mit einem offeneren Herzen begegnen.
Pam nickte, aber sie wirkte immer noch besorgt. »Ich möchte das gerne tun, Tara, aber wenn ich aufgeregt bin, wird mein Denken immer schneller. Ich fange an, mit mir selbst zu reden, mit ihm zu reden – wie kann ich mich daran erinnern, innezuhalten?«
Das ist eine gute Frage, und ich höre sie oft. »Du wirst es höchstwahrscheinlich immer mal wieder vergessen«, antwortete ich, »das ist ganz normal. Alles, was du tun kannst, ist, getreulich an der Absicht festzuhalten, innezuhalten, zu spüren, was gerade vor sich geht, und es so sein zu lassen.«
Pams Gesicht wurde weicher, als sie verstand. »Das kann ich. Ich kann von ganzem Herzen beabsichtigen, für Jerry da zu sein.«
Unser Ruf um Hilfe
»Alle Religionen und spirituellen Traditionen beginnen mit einem Hilferuf«, schrieb der amerikanische Psychologe und Philosoph William James im 19. Jahrhundert. In meiner Beratungspraxis und in den Gesprächen mit Übenden höre ich viele verschiedene Arten von Hilferufen. Wie kann ich mit dieser lähmenden Angst fertig werden, mit diesem Gefühl, versagt zu haben, mit der Qual dieses Verlustes?
Wir merken, ähnlich wie Pam, dass wir gegen die grundlegenden Realitäten wie Veränderung, Verlust und Sterblichkeit nichts ausrichten können, sosehr wir uns auch um eine Kontrolle über unser Leben bemühen. Unsicherheit wohnt dieser vergänglichen Welt inne. Und so beten wir um Zuflucht: »Hilfe! Ich sehne mich danach, mich sicher und beschützt zu fühlen, geliebt und in Frieden. Ich möchte zu etwas gehören, was größer ist als ich. Ich möchte mich in meinem Leben zu Hause fühlen.«
Doch wenn wir uns unser Leben genauer anschauen, wird deutlich, dass wir oft nicht weise im Sinne unseres Gebetes handeln. Statt nach echter Zuflucht zu streben, wenden wir uns dem zu, was ich »falsche Zufluchten« nenne. Sie sind falsch, weil sie zwar vorübergehend Trost oder Sicherheit zu geben scheinen, aber langfristig das Leiden vermehren. Vielleicht fürchten wir uns wie Pam vor dem Versagen und flüchten uns daher in Geschäftigkeit, einen hohen Leistungsanspruch oder die Sorge um andere. Oder wir fühlen uns nicht liebenswert und flüchten uns in das Streben nach Erfolg oder Wohlstand. Vielleicht fürchten wir uns vor Kritik und suchen Zuflucht darin, dass wir Risiken vermeiden und anderen immer gefallen wollen. Oder wir fühlen uns bedrückt oder leer und flüchten uns in Alkohol, übermäßiges Essen oder stundenlanges Surfen im Internet. Statt es zuzulassen und uns dem zu öffnen, was wir gerade fühlen, flüchten wir uns in diese Dinge, um den emotionalen Schmerz zu vermeiden. Doch das entfernt uns nur noch weiter von zu Hause.
Solange wir diesen falschen Zufluchten nachgehen, wird uns das Leiden verfolgen. Wie viele von uns schlafen unruhig und erwachen mitten in der Nacht voller Angst und Sorgen? Oder schlagen sich mühsam durch den Tag und können vor Anspannung oder Getriebenheit nicht genießen, was gerade vor sich geht? Statt uns zufriedenzustellen oder unsere Ängste zu lindern, nähren die falschen Zufluchten unsere grundlegenden Selbstzweifel. Pam hatte sich ganz und gar der Fürsorge für Jerry gewidmet, doch alles, was sie tat, erschien ihr ungenügend. Ihr ängstliches Bemühen, es »richtig« zu machen, bestärkte sie in ihrem Eindruck, nicht zu genügen. Sie fühlte sich nicht im Einklang mit sich selbst und dem, was sie Jerry anbieten konnte.
Häufig erkennen wir erst, wenn uns eine Krise erschüttert – ein Herzenskummer, der Tod eines nahestehenden Menschen oder unser eigener bevorstehender Tod –, dass unsere falschen Zufluchten nicht funktionieren. Sie können uns nicht vor dem retten, was wir am meisten fürchten: dem Schmerz des Verlustes und der Trennung. Eine Krise hat die Macht, unsere Illusionen zu zerschmettern und zu offenbaren, dass es in dieser unbeständigen Welt keinen festen Boden gibt, auf dem wir stehen könnten, und nichts, woran wir uns festhalten könnten. In solchen Zeiten, wenn unser Leben in die Brüche zu gehen scheint, kann uns bewusst werden, wie sehr wir um Hilfe rufen. Dieser Hilferuf entspringt der Sehnsucht des Herzens nach einer Zuflucht, die so umfassend ist, dass auch unsere tiefsten Leidenserfahrungen darin aufgehoben sind.
Heimkehren zur liebevollen Gegenwärtigkeit
Einen Monat nach meinem Gespräch mit Pam rief sie mich an, um mir mitzuteilen, dass Jerry gestorben sei. Und sie erzählte mir, was nach unserem Gespräch geschehen war. Als sie an jenem Abend nach Hause kam, hatte sie Jerry eingeladen, still mit ihr zu beten. »Als wir fertig waren«, sprach sie weiter, »haben wir einander erzählt, worum wir gebetet hatten. Ich sagte ihm, wie sehr ich mir wünschte, dass er meine Liebe spürt.« Pam schwieg einen Moment, und als sie weitersprach, klang ihre Stimme rau. »Er hatte um genau dasselbe gebetet …, nur umgekehrt. Wir umarmten uns und weinten zusammen.«
Pam gab zu, wie sehr sie selbst in jenen letzten Wochen mit dem Impuls zu kämpfen hatte, sich nützlich zu machen, geschäftig zu sein. Eines Nachmittags fing Jerry an, darüber zu sprechen, dass ihm nur noch wenig Zeit bliebe und dass er sich nicht vor dem Tod fürchte. Sie hatte sich über ihn gebeugt, ihm einen Kuss gegeben und rasch erwidert: »Ach, mein Lieber, heute war ein guter Tag, heute scheinst du mehr Kraft gehabt zu haben. Ich mache dir einen Kräutertee.« Er verfiel in Schweigen, und die Stille erschütterte sie. »Mir wurde in diesem Moment so deutlich, wie sehr es einzig und allein darum ging, einander zuzuhören, ganz präsent zu sein, und wie sehr uns alles andere nur trennte. Ich wollte nicht laut zugeben, was vor sich ging; das machte es so real. Also wich ich aus, indem ich Tee machte. Doch indem ich der Wahrheit auswich, entfernte ich mich von ihm, und das war herzzerreißend.«
Während sie den Tee zubereitete, betete Pam und bat darum, mit ganzem Herzen für Jerry da zu sein. An diesem Gebet orientierte sie sich in den Tagen, die danach kamen. »Im Laufe der letzten paar Wochen musste ich all meine Vorstellungen davon loslassen, wie sein Sterben sein sollte und was ich noch tun sollte, und erinnerte mich immer wieder daran, zu sagen: ›Ich lasse es zu.‹ Zuerst wiederholte ich die Worte nur mechanisch, aber nach ein paar Tagen spürte ich, wie mein Herz tatsächlich anfing, zuzulassen.« Sie beschrieb, wie sie innehielt, wenn starke Gefühle aufwallten, um innerlich wahrzunehmen, was gerade vor sich ging. Wenn sich ihr Bauch vor Angst und Hilflosigkeit zusammenzog, verweilte sie bei diesen Gefühlen und ließ ihre tiefe Verletzlichkeit zu. Wenn der rastlose Drang, »etwas zu tun«, auftauchte, nahm sie ihn wahr, blieb ruhig und ließ ihn wieder verebben. Wenn die Wellen der Trauer sie überrollten, sagte sie sich: »Ich lasse es zu«, und öffnete sich der schmerzhaften Schwere des Verlustes.
Die präsente Nähe zu ihrem СКАЧАТЬ