Название: Nach Hause kommen zu sich selbst
Автор: Tara Brach
Издательство: Bookwire
Жанр: Сделай Сам
isbn: 9783867287340
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Einige Wochen nach dem Retreat unterhielten wir drei uns kurz nach dem Kurs. Arlene erzählte, dank ihrer Meditationspraxis seien sie dabei, zu lernen, sich für die Liebe zu entscheiden. »Wir müssen uns immer und immer wieder für die Präsenz entscheiden«, berichtete sie. »Wir müssen uns für Präsenz entscheiden, wenn wir wütend sind; Präsenz, wenn wir keine Lust haben, zuzuhören; Präsenz, wenn wir alleine sind und uns immer wieder dieselben alten Geschichten erzählen, wie verkehrt der andere sei. Diese Entscheidung für Präsenz ist unser Weg, unsere Herzen zu öffnen.« Jeff nickte zustimmend. »Ich habe erkannt, dass es nicht darum geht, von A nach B zu kommen«, fügte er lächelnd hinzu. »Es geht darum, ganz gegenwärtig bei Punkt A zu sein, bei dem Leben in diesem Moment, egal, was passiert. Der Rest ergibt sich dann.«
Die Zuflucht zur Präsenz – die Entscheidung für Präsenz – braucht Übung. Wenn sich »Punkt A« unangenehm anfühlt, ist Dableiben und Spüren das Letzte, wozu wir Lust haben. Statt uns »den Wellen anzuvertrauen«, wollen wir weg, zurückschlagen, uns betäuben, alles andere, nur nicht spüren, was wirklich ist. Doch wie Jeff und Arlene merkten, bleiben wir in falschen Zufluchten klein und abwehrbereit. Nur indem wir unsere Aufmerksamkeit vertiefen und das Leben einfach so sein lassen, wie es ist, können wir wahre Nähe zu uns selbst und anderen erfahren. In den über fünfunddreißig Jahren, die ich Meditation lehre, habe ich erlebt, wie sie unzähligen Menschen geholfen hat, zur Liebe zurückzufinden, emotionales Leiden loszulassen und sich aus Süchten zu befreien. In jedem einzelnen Fall bildete die innere Verpflichtung zur regelmäßigen Meditation die Grundlage zu einer tiefen, wundervollen Transformation von Herz und Geist.
Den Geist trainieren
Wenn wir uns mitten im Dickicht lebenslanger Muster der Unsicherheit oder Anschuldigung befinden, ist es schwer zu glauben, dass Änderung möglich ist. Bis vor Kurzem schien die Wissenschaft diese Skepsis zu bestätigen. Neurologen glaubten, dass unsere grundlegenden Verschaltungen im Gehirn mit dem Erreichen des Erwachsenenalters festgelegt seien und wir unseren zentralen emotionalen Prägungen dann nicht mehr entkommen könnten. Wenn wir die ersten zwei Jahrzehnte unseres Lebens passiv, ängstlich und verwirrt waren, sei es uns bestimmt, so den Rest unseres Lebens zu verbringen. Doch mit Hilfe von Gehirntomografie und anderen Techniken haben die Forscher die dem Gehirn innewohnende Neuroplastizität entdeckt: Während des ganzen Lebens kann sich das Gehirn weiterentwickeln und verändern, und es können neue neuronale Verbindungen entstehen und gestärkt werden. Das heißt, auch wenn wir uns emotional tief verstrickt haben, verfügen wir über die Kapazität, neue Wege zu entwickeln, auf das Leben zu reagieren.
Was immer Sie regelmäßig denken oder tun, wird zur Gewohnheit, zu einer stark konditionierten neuronalen Bahnung im Gehirn. Je mehr Sie darüber nachdenken, was schiefgehen kann, desto mehr ist Ihr Verstand darauf angelegt, Schwierigkeiten zu erwarten. Je öfter Sie verärgert ausfällig werden, desto mehr sind Ihr Körper und Ihr Verstand auf Aggression programmiert. Je mehr Sie darüber nachdenken, wie Sie anderen helfen können, desto mehr werden Ihr Verstand und Ihr Herz zur Großzügigkeit neigen. So wie Gewichtheben Muskeln aufbaut, kann die Ausrichtung Ihrer Aufmerksamkeit Ängste, Feindseligkeit und Abhängigkeit fördern oder Sie zu Heilung und Erwachen führen.
Sie können sich Präsenz wie einen von einer Quelle gespeisten Waldteich vorstellen – klar, still und rein. Weil wir so viel Zeit damit verbracht haben, uns in den Wäldern unserer Gedanken und Emotionen zu verirren, fällt es uns oft schwer, diesen Teich zu finden. Doch wenn wir uns immer und immer wieder hinsetzen und meditieren, wird uns der Weg durch den Wald allmählich vertrauter. Wir erkennen diese Lücke zwischen den Bäumen wieder, wir erinnern uns an diese Wurzel, über die wir schon so oft gestolpert sind, und selbst wenn wir uns im Dickicht verfangen haben, vertrauen wir darauf, dass wir unseren Weg finden werden.
Die regelmäßige Meditationspraxis erzeugt in unserem Geist neue Pfade, die uns heim zu der Klarheit, Offenheit und Leichtigkeit der Präsenz führen. Der Buddha hat viele Strategien gelehrt, diese Pfade zu kultivieren, unter denen die Praxis der Achtsamkeit jedoch eine zentrale Stellung einnimmt. Achtsamkeit ist der bewusste Prozess urteilsfreier Aufmerksamkeit für die sich von Augenblick zu Augenblick entfaltende Erfahrung. Wenn Sie sich in Sorgen um Ihren Kontostand verlieren, bemerkt die Achtsamkeit diese sorgenvollen Gedanken und das damit einhergehende Gefühl der Ängstlichkeit. Wenn Sie sich darin verlieren, auszuprobieren, was Sie einer anderen Person sagen könnten, bemerkt die Achtsamkeit diesen inneren Dialog und – je nachdem – Gefühle der Aufgeregtheit oder Angst. Ohne jeglichen Widerstand erkennt die Achtsamkeit das Kommen und Gehen aller Empfindungen und Gefühle und lässt sie zu. Die meisten tief eingeprägten Gedankenpfade unseres Geistes führen uns vom gegenwärtigen Moment weg. Indem wir unseren Geist bewusst auf das richten, was jetzt gerade passiert, löst die Achtsamkeit diese Konditionierungen auf und lässt uns zu einem frischen, unmittelbaren Empfinden von Lebendigkeit erwachen. So wie ein klarer See den Himmel spiegelt, lässt uns die Achtsamkeit die Wahrheit unserer Erfahrung erkennen.
Die von mir am meisten gelehrte buddhistische Art der Meditation heißt Vipassana, das bedeutet »klar erkennen«. Im Vipassana beginnt der Weg der Achtsamkeit mit Konzentration – einer einsgerichteten Fokussierung der Aufmerksamkeit. Es ist schwer, auf die gegenwärtige Erfahrung zu achten, wenn wir uns in einem ständigen Strom diskursiver Gedanken verlieren. Also sammeln und beruhigen wir den Geist zunächst, indem wir die Aufmerksamkeit auf einen sensorischen Anker richten. Das kann bedeuten, dem Atem zu folgen oder die Körperempfindungen zu scannen oder auf Geräusche zu achten oder immer wieder leise einen Satz zu wiederholen wie »Möge ich glücklich sein« oder »Möge ich friedvoll sein«. Dieser Anker kann dann mit etwas Übung zu einer zuverlässigen Heimat Ihrer Aufmerksamkeit werden. Wie ein guter Freund wird er Ihnen helfen, zu einem Gefühl innerer Ausgeglichenheit und allgemeinen Wohlbefindens zurückzukehren.
Der Psychiater und Autor Daniel Siegel hat eine nützliche Metapher dafür gefunden, wie wir während der Meditation ständig abschweifen. Stellen Sie sich Ihr Gewahrsein als ein großes Rad vor. An der Nabe des Rades ist die Präsenz, und von dieser Nabe erstrecken sich zahllose Speichen zum äußeren Reifen. Ihre Aufmerksamkeit ist darauf konditioniert, sich an den Speichen entlang von der Präsenz weg zum äußeren Reifen hin zu bewegen und sich ständig an neue Teile dieses Reifens anzuheften. Überlegungen zum Abendessen gehen in Erinnerungen an ein schwieriges Gespräch über, fließen weiter in Selbstbezichtigungen, ein Lied im Radio, die Rückenschmerzen, ein Gefühl der Angst. Oder Ihre Aufmerksamkeit verliert sich in zwanghaftem Denken, welches endlos um Geschichten und Gefühle darüber kreist, was alles verkehrt ist. Wenn Sie nicht mit der Nabe verbunden sind, wenn Ihre Aufmerksamkeit an den Reifen geheftet ist, sind Sie von Ihrer Ganzheit abgeschnitten und leben in Trance.
Eine vorgewählte Heimatstation, ein eingeübter Anker wie der Atem ermöglicht es Ihnen, zu bemerken, wenn Sie nicht präsent sind, und leichter den Weg zurück zur Nabe zu finden. Ich nenne diesen Teil der Praxis »Zurückkommen«. Wenn Sie wieder an der Nabe sind, hilft Ihnen der Anker, den Geist zu beruhigen. Unabhängig davon, wie oft Ihre Aufmerksamkeit zu irgendwelchen Fantasien oder Erinnerungen auf dem Reifen abschweift − Sie kehren immer wieder sanft zu der Nabe zurück und verwurzeln sich wieder in der Präsenz.
Je mehr Ihre Aufmerksamkeit zur Ruhe kommt, desto mehr werden Sie spüren, wie sich die Grenzen der Nabe aufweichen und öffnen. Diese Phase der Praxis nenne ich »Hier sein«. Sie sind weiterhin mit Ihrem Anker verbunden, können jedoch gleichzeitig die sich ständig verändernden Erfahrungen auf dem Reifen zulassen – das Geräusch des bellenden Hundes, den Schmerz in Ihrem Knie, den Gedanken darüber, wie lange Sie jetzt noch meditieren wollen. Statt sich an diese Erfahrungen anzuheften oder sie wegzudrängen, lassen Sie sie frei kommen СКАЧАТЬ