Название: Nach Hause kommen zu sich selbst
Автор: Tara Brach
Издательство: Bookwire
Жанр: Сделай Сам
isbn: 9783867287340
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Am Ende des Gesprächs erzählte mir Pam, was für sie das Geschenk jener letzten Tage mit Jerry war und wie ihre Gebete erhört worden waren: »In der Stille schaute ich jenseits von ›er‹ und ›ich‹. Ich erkannte, dass wir uns in einem Feld des Liebens befanden – totale Offenheit, Wärme und Licht. Er ist jetzt von uns gegangen, aber dieses Feld des Liebens ist immer bei mir. Mein Herz weiß, dass ich heimgekehrt bin …, wirklich heimgekehrt zur Liebe.«
Lernen, sich den Wellen anzuvertrauen
Pams Bereitschaft, sich ganz auf ihre innere Erfahrung einzulassen, wie schmerzhaft sie auch sei, ermöglichte es ihr, sich mit der endlosen Weite der Liebe zu verbinden. Ihre zunehmende Fähigkeit zur Präsenz, ihre Bereitschaft, sich der Wahrheit ihrer Erfahrung in jedem Augenblick zu stellen, ließ sie mitten in einem großen Verlust nach Hause finden. Gegenwärtigkeit ist die Essenz wahrer Zuflucht.
Eine andere Art von Verlust hatte mich zu meinem ersten buddhistischen Retreat getrieben. Mein Sohn Narayan war zu jener Zeit vier Jahre alt, und ich stand kurz vor der Scheidung. Ich hatte bereits erlebt, wie gut mir die buddhistische Meditation tat, und hoffte, eine Zeit intensiver Praxis würde mir helfen, mit meinen Ängsten und meinem Stress umzugehen. Ich hatte Narayan zu meinen Eltern in New Jersey gebracht und fuhr durch dichtes Schneegestöber zu dem Retreatzentrum in Massachusetts. Auf dieser langsamen Fahrt durch die Kälte hatte ich jede Menge Zeit, um darüber nachzudenken, was mir wirklich wichtig war. Ich wollte nicht, dass die Liebe, die ich immer noch für meinen Mann empfand, durch die Trennung verschüttet würde. Ich wollte nicht, dass wir füreinander zu rücksichtslosen, gar feindseligen Fremden würden. Und mir lag daran, dass sich Narayan trotz unserer Trennung sicher und geliebt fühlte. So betete ich aus tiefstem Herzen, in all dem, was vor sich ging, einen Weg zu finden, mit meinem Herzen verbunden zu bleiben.
Im Laufe der stundenlangen stillen Meditationen der folgenden fünf Tage kreiste ich viele Male durch klare, aufmerksame Geisteszustände und Phasen, in denen mich die Müdigkeit übermannte, mich körperliches Unwohlsein plagte oder ich in Gedanken abschweifte. An einem Abend verlor ich mich in Gedanken über die kommenden Monate: Sollten wir für den Scheidungsprozess Anwälte oder einen Mediator einschalten? Wann sollten wir auseinanderziehen? Und vor allem: Wie konnte ich in dieser schmerzhaften Übergangsphase für meinen Sohn da sein? Jeder sorgenvolle Gedanke, der auftauchte, lockte mich, alles durchdenken und innerlich klären zu wollen. Doch etwas in mir wusste, dass ich bei den unangenehmen Gefühlen in meinem Körper zu bleiben hatte. Ein Vers von Ryôkan, einem Zen-Dichter aus dem 18. Jahrhundert, kam mir in den Sinn: »Um das Buddha-Dharma zu finden, treibe nach Osten und Westen, komme und gehe, vertraue dich den Wellen an.«
Der »buddhistische Weg« bezieht sich auf die Wahrheit davon, wie die Dinge wirklich sind. Wir können die Natur der Wirklichkeit erst verstehen, wenn wir aufhören, unsere Erfahrung kontrollieren zu wollen. Es gibt keinen Weg, zu erkennen, was vor sich geht, solange wir auf einer gewissen Ebene versuchen, das Unwetter zu ignorieren oder ihm auszuweichen. Während der letzten paar Tage des Retreats versuchte ich wieder und wieder, loszulassen, doch meine lang erprobte Strategie, um mich besser zu fühlen − wiederholtes Darüber-Nachdenken −, hinderte mich immer wieder daran. Ryôkans Worte verwiesen auf neue Möglichkeiten: Vielleicht konnte ich mich tatsächlich den Wellen anvertrauen. Vielleicht bestand der einzige Weg zu echtem Frieden darin, mich dem Leben zu öffnen, wie es eben war. Sonst hatte ich hinter meinen Bemühungen, alles im Griff zu behalten, ständig das bedrohliche Gefühl, dass hinter der nächsten Ecke etwas Schreckliches lauern könnte.
Ich versuchte, mich den Gefühlswellen zu öffnen, aber meine alten Gewohnheiten ließen sich nicht so leicht abschütteln. Ich spürte die Anspannung in meiner Brust, und schon machte ich mir wieder Sorgen über die neue Vorschule meines Sohnes, über die Fahrgemeinschaft und wie ich einen flexibleren Babysitter finden könnte. Dann ärgerte ich mich über mich selbst und verurteilte mich dafür, meine Retreatzeit zu »vergeuden«. Ganz allmählich begriff ich, wie krampfhaft zusammengezogen mein Herz war, wie sehr ich mich davor fürchtete, die Intensität des Lebens durch mich hindurchströmen zu lassen. Ich brauchte Hilfe, um mich »anzuvertrauen«.
Jeden Nachmittag hatten die Lehrer die ganze Gruppe durch eine Herzensgüte-Meditation geführt. Ich beschloss, zu versuchen, diese Übung in meine persönliche Praxis einzubeziehen. In der klassischen Form besteht diese Meditation darin, liebevolle Gebete für uns selbst und in sich erweiternden Kreisen für andere Wesen auszusenden. Ich begann, mir selbst Gutes zu wünschen: »Möge ich glücklich und zufrieden sein. Möge ich glücklich und zufrieden sein.« Zuerst fühlte es sich wie eine oberflächliche mentale Übung an, aber schon bald änderte sich etwas. Mein Herz begann, es wirklich zu meinen, ich kümmerte mich um mein eigenes Leben, und das Bewusstsein dieser Fürsorge löste ein wenig von der Anspannung in meinem Herzen.
Jetzt konnte ich mich leichter den Wellen der Angst und des Kummers hingeben und die vorüberziehenden Gedanken und Körperempfindungen − Druck und Schmerz − einfach in ihrem Kommen und Gehen wahrnehmen. Wenn die Sorgen, die mich gequält hatten, auftauchten, spürte ich, dass auch sie Wellen waren, hartnäckige Wellen, die mir schmerzhaft gegen die Brust schlugen. Doch indem ich keinen Widerstand leistete und die Wellen durch mich hindurchströmen ließ, stellte sich Entspannung ein. Statt gegen die stürmischen Brecher zu kämpfen, ruhte ich in einem Meer des Gewahrseins, welches alle Wellenbewegungen einbezog. Ich war in einem Heiligtum angekommen, das groß genug schien, alles aufzunehmen, was in meinem Leben vor sich ging.
Natürliche Präsenz: Wach, offen und feinfühlend
Präsenz ist kein exotischer Zustand, nach dem wir suchen oder den wir irgendwie erzeugen müssten. Ganz einfach ausgedrückt ist Präsenz das Empfinden von Wachheit, Offenheit und Feinfühligkeit, welches entsteht, wenn wir ganz bei unserer Erfahrung im Hier und Jetzt sind. Sie haben sicherlich schon Präsenz erlebt, auch wenn Sie es vielleicht nicht so genannt haben. Vielleicht haben Sie Präsenz erfahren, als Sie in einer lauen Sommernacht wach im Bett lagen und den Grillen lauschten. Oder als Sie allein durch den Wald gingen. Auch bei einer Geburt oder einem Sterben anwesend zu sein, kann einen in einen Zustand vollkommener Präsenz versetzen.
Präsenz ist das Gewahrsein, welches uns von Natur aus innewohnt. Präsenz ist eine unmittelbare, körperliche Erfahrung, die durch die Sinne wahrgenommen wird. Die genauere Betrachtung einer Erfahrung von Präsenz offenbart die drei oben genannten Qualitäten:
Wachheit heißt, dass wir uns dessen, was gerade geschieht, bewusst sind. Mit dieser Intelligenz erkennen wir den sich von Augenblick zu Augenblick ständig verändernden Fluss der Erfahrung – die Geräusche, die uns gerade umgeben, unsere Körperempfindungen, unsere Gedanken. Wachheit bezeichnet die »wissende« Qualität des Gewahrseins.
Offenheit bezieht sich auf den Raum der Bewusstheit, in dem das Leben stattfindet. Diese Bewusstheit widerspricht unserer Erfahrung nicht und wertet sie auch nicht auf. Selbst wenn schmerzhafte Gefühle oder Gedanken ausgelöst wurden, erkennt sie einfach, was vor sich geht, und erlaubt unserem Gefühlsleben, so zu sein, wie es ist. Wie der Himmel, durch den das Wetter zieht, ist auch der offene Raum der Bewusstheit unabhängig von den wechselhaften Ausdrucksformen des durch uns hindurchziehenden Lebens. Doch dieses Gewahrsein verfügt über eine natürliche Sensibilität und einen Ausdruck von Wärme. Diese empfindsame Art der Zuwendung nenne ich Feinfühligkeit. Unsere warmherzige Feinfühligkeit ermöglicht es uns, auf all die Schönheit und all den Kummer, auf alles, was sich zeigt, mit Mitgefühl, Liebe und Staunen einzugehen.
Wir können also von drei Qualitäten der Präsenz sprechen, doch letztlich sind sie untrennbar. Denken Sie an einen sonnendurchfluteten Himmel. Es ist unmöglich, das Licht des Himmels von dem Raum zu trennen, den es durchleuchtet; es ist unmöglich, die Wärme, die wir spüren, von dem СКАЧАТЬ