Название: Nach Hause kommen zu sich selbst
Автор: Tara Brach
Издательство: Bookwire
Жанр: Сделай Сам
isbn: 9783867287340
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In Nach Hause kommen zu sich selbst versuche ich, mit dem Begriff »Präsenz« die Unmittelbarkeit und Lebendigkeit dieses grundlegenden Gewahrseins zum Ausdruck zu bringen. Präsenz ist schwer zu beschreiben, weil sie eine unmittelbare Erfahrung ist und kein Konzept. Wenn ich diese stille innere Wachheit des Jetzt spüre, kehre ich zu einem Empfinden der Ganzheit, des Heilseins zurück. Ich bin zu Hause, in meinem Körper, in meinem Herzen, auf der Erde und in der Gemeinschaft mit allen Wesen. Präsenz erschafft ein grenzenloses Heiligtum, in dem alles Platz hat, was zu meinem Leben gehört – selbst die Krankheit, die mich daran hindert, die Wellen zu reiten.
In diesem Buch finden Sie viele Geschichten von Menschen, die inmitten von Krisen und Verwirrung Präsenz erlebten. Ich erzähle auch von einigen der großen Herausforderungen, mit denen ich selbst in den letzten Jahrzehnten konfrontiert wurde. Ich hoffe, manche dieser Geschichten stellen eine Verbindung zu Elementen Ihrer eigenen Situation her. Anhand dieser Erfahrungen werden wir die Kräfte erforschen, die uns davon abhalten, präsent zu sein, und uns so häufig dazu verleiten, falschen Zufluchten nachzugehen. Ich rege auch zu vielen verschiedenen Übungen an, die mir und anderen zuverlässig halfen, Präsenz zu erfahren. Manche davon sind alt, manche neu, und manche entsprechen direkt den Erkenntnissen der modernen Neurowissenschaften. Zu diesen Übungen gehört auch eine der praktikabelsten, alltagstauglichsten Achtsamkeits-Meditationen, die ich kenne. Das Akronym RAIN steht für die vier Schritte dieses Prozesses, mit dem wir uns vielen schwierigen Emotionen an Ort und Stelle zuwenden können und der sich an praktisch jede persönliche Situation anpassen lässt.
Die Struktur von Nach Hause kommen zu sich selbst orientiert sich an den drei grundlegenden Toren der Zuflucht, die sich in jeder buddhistischen Strömung und in vielen anderen Traditionen finden: Wahrheit (des gegenwärtigen Augenblicks), Liebe und Gewahrsein. Jedes dieser Tore öffnet uns unmittelbar für Heilung und spirituelle Freiheit. Diese Tore enthalten die Schlüssel zur Überwindung weit verbreiteter Schwierigkeiten wie zwanghaftes Denken, begrenzende Überzeugungen und traumatische Ängste. Mit ihrer Hilfe können wir uns tiefer mit Selbstmitgefühl verbinden und mehr Intimität in Beziehungen erleben. Sie sind auch der Schlüssel zu Frieden und Glück und dazu, uns in unserem Leben zu Hause zu fühlen.
An jenem Tag in Cape Cod wusste ich nicht, ob ich angesichts einer Zukunft voller Schmerzen und körperlicher Einschränkungen je wieder meines Lebens froh werden könnte. Während ich weinte, setzte sich Cheylah, einer unserer Pudel, neben mich und stupste mich besorgt an. Cheylahs Gegenwart tröstete mich und verband mich wieder mit dem Hier und Jetzt. Nachdem ich sie eine Weile gestreichelt hatte, erhob ich mich, um mit ihr ein Stück spazieren zu gehen. Ich überließ ihr die Führung, und wir schlenderten einen bequemen Fußweg entlang, von dem aus man die Bucht überschauen konnte. Das Weinen hatte mich ruhig und offen gemacht. Mein Herz umfasste alles – die Beschwerden in meinen Knien, die Weite des glitzernden Wassers, Cheylah, meine unbekannte Zukunft, das Schreien der Möwen. Nichts fehlte, nichts war falsch. In diesen Momenten wahrer Zuflucht erahnte ich eines der größten Geschenke des buddhistischen Wegs: die Fähigkeit, »grundlos glücklich« zu sein; das Leben zu lieben, wie es ist.
Wenn Sie sich zu diesem Buch hingezogen fühlen, haben Sie sich einem Weg wahrer Zuflucht bereits geöffnet. Vielleicht haben Sie gegen sich angekämpft und sehnen sich danach, freundlicher mit sich selbst umzugehen. Vielleicht ringen Sie mit einer Abhängigkeit und sehnen sich danach, ein Leben ohne Zwang und Scham zu führen. Vielleicht sind Sie mit einem Verlust konfrontiert worden – einer Arbeitsstelle, eines lieben Menschen, Ihrer Gesundheit – und fragen sich, ob sich Ihr Herz je wieder davon erholen wird. Vielleicht belastet Sie die ungeheure Menge an Leiden in unserer Welt, und Sie suchen nach einem Weg, zu dessen Heilung beizutragen. Wie schwierig die Situation auch immer ist – der Weg der Zuflucht in eine heilsame und befreiende Präsenz steht immer offen.
Das Verfassen dieses Buches war eine Entdeckungsreise. Jeden Tag lernte ich aus meinen eigenen Erfahrungen und aus den Erfahrungen der Menschen in meiner Umgebung. Mögen Ihnen diese Lehren und Übungen während unseres gemeinsamen spirituellen Weges als Gefährten dienen und Ihnen Zuversicht schenken.
Teil I
Unsere Suche nach Zuflucht
1
Winde der Heimkehr
Ach, nicht getrennt sein,
nicht durch so wenig Wandung
ausgeschlossen vom Sternen-Maß.
Innres, was ist’s?
Wenn nicht gesteigerter Himmel,
durchworfen mit Vögeln und tief
von Winden der Heimkehr.
Rainer Maria Rilke
Am Ende eines eintägigen Meditationsseminars nahm mich Pam, eine Frau Ende sechzig, beiseite. Pam und ihr Mann Jerry befanden sich am Ende eines schweren Weges, der drei Jahre zuvor begonnen hatte. Nun stand Jerry kurz davor, an seinem Lymphom zu sterben. Er hatte Pam gebeten, ihn durch diese letzte Phase seines Lebens zu begleiten.
»Tara«, flehte sie, »ich brauche dringend Hilfe.« Pam versuchte verzweifelt, alles Menschenmögliche für ihren Mann zu tun. »Ich möchte ihn so gerne retten«, erklärte sie mir. »Ich habe mich mit Ayurveda, chinesischer Medizin, Kräuterheilkunde und jeder alternativen Therapiemethode beschäftigt, die ich finden konnte. Ich habe alle Studien durchforstet …, ich war mir sicher, wir kriegen das hin.« Sie lehnte sich erschöpft zurück und ließ ihre Schultern hängen. »Und jetzt bleibt mir kaum mehr, als alle auf dem Laufenden zu halten und die Pflegekräfte zu koordinieren. Wenn er nicht schläft, versuche ich, es ihm angenehm zu machen, ihm vorzulesen …«
»Das klingt, als hättest du alles in deiner Kraft Stehende getan, um gut für Jerry zu sorgen«, antwortete ich mit mitfühlender Stimme. »Und warst damit sehr beschäftigt.«
Bei diesen Worten lächelte sie mir bestätigend zu. »Ja, sehr beschäftigt. Klingt verrückt, oder?« Sie hielt einen Moment inne. »So lange, wie ich mich erinnern kann, bin ich immer sehr beschäftigt gewesen, sogar jetzt, aber ich kann mich nicht einfach zurücklehnen und ihn kampflos gehen lassen.« Pam schwieg ein Weilchen, dann sah sie mich ängstlich an. »Er könnte jetzt jeden Tag sterben, Tara. Gibt es nicht irgendeine buddhistische Praxis, die ich lernen sollte? Oder etwas, was ich lesen sollte? Vielleicht das Tibetische Totenbuch? Wie kann ich ihm bei diesem … Sterben … helfen?«
Bevor ich versuchte, ihr zu antworten, bat ich sie, nach innen zu lauschen und mir zu sagen, was sie fühlt.
»Ich liebe ihn so sehr und habe solche Angst, ihn im Stich zu lassen.« Sie begann zu weinen. Nach einer Weile sprach sie weiter: »Mein ganzes Leben lang habe ich gefürchtet, nicht zu genügen. Ich glaube, ich habe immer so geschuftet, um es besser zu machen. Und jetzt fürchte ich, da zu versagen, wo es am meisten darauf ankommt. Er wird sterben, und ich werde mich total einsam fühlen, weil ich ihn im Stich gelassen habe.«
»Pam«, erwiderte ich sanft, »du hast schon so viel getan, doch die Zeit für all die Aktivität ist jetzt vorbei. Du brauchst zu diesem Zeitpunkt nichts mehr in Gang zu setzen, du brauchst jetzt gar nichts mehr zu tun.« Ich wartete einen Moment und СКАЧАТЬ