Название: Sei dir selbst eine Insel
Автор: Ayya Khema
Издательство: Bookwire
Жанр: Сделай Сам
isbn: 9783931274597
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In einer Lehrrede spricht der Buddha von drei Mönchen, die wie Milch und Wasser zusammenlebten. Sie verschmolzen vollkommen miteinander. Es herrschte absolute Harmonie zwischen ihnen, weil keiner seinen eigenen Willen durchsetzen wollte. Nun, diese drei waren Arahats. Es wäre vielleicht zu viel von uns verlangt, wenn wir es ihnen sofort gleichtun wollten. Immerhin vermittelt uns diese Geschichte eine Vorstellung von dem Ziel, das wir anstreben. Und dies ist notwendig. Wir würden nämlich immer nur unserem eigenen Geist glauben, wenn wir keine Vorstellung von unserem Ziel hätten. Wir würden meinen, dass unsere negativen Einstellungen und Reaktionen vollkommen gerechtfertigt sind, weil irgendjemand irgendetwas getan hat, das schlecht für uns oder doch zumindest unangenehm war.
Harmonie wird an vielen Stellen erwähnt. Für ein glückliches Leben ist sie ein wesentlicher Faktor. Manchmal hängen die Menschen an ihrem Leiden, an ihrem Dukkha. Das ist eine weitverbreitete Krankheit. Wer begreift, wie dumm sie ist, wird die Finger davon lassen. Alle Lebewesen streben nach Glück. Man braucht nicht einmal ein Mensch zu sein, um glücklich und zufrieden leben zu wollen.
Wir versuchen es mit Meditation, damit wir uns glücklicher fühlen, als wir vorher waren. Aber wir können nicht den ganzen Tag sitzen und meditieren. Manchmal scheint die Meditation auch verschüttete Erinnerungen an den Tag zu bringen, die wir nicht einmal anschauen wollen. Und wir haben auch zuweilen das Gefühl, dass uns unsere Meditation mehr Dukkha einbringt, als wir ohnehin schon haben. Aber dies scheint nur so, weil wir uns endlich unser Leiden eingestehen. Gestehen wir uns ein, dass wir leiden, müssen wir automatisch Mitgefühl für das Leiden aller anderen Wesen empfinden. Es kann gar nicht anders sein. Mensch sein heißt leiden. Es mag zwar verschiedene Entwicklungsstufen geben, aber Kinder sind nun einmal Kinder, ganz gleich ob sie ins erste, zweite oder dritte Schuljahr gehen.
Da wir Dukkha an uns und in uns selbst finden, wären wir sehr dumm, wenn wir annehmen würden, dass andere Wesen keine solchen Leiden mit sich herumtragen. Jeder hat Dukkha, aber einige können besser damit umgehen als andere. Man kann mit Dukkha auf geschickte Weise fertig werden oder sich sehr ungeschickt anstellen. Weglaufen ist sicherlich sehr ungeschickt, denn Dukkha hat die fatale Angewohnheit, stets mitzukommen. Dukkha hält sich nicht an einem bestimmten Ort auf, steckt nicht in einer bestimmten Situation, sondern in unserem Herzen. Wir müssen das Leiden gezwungenermaßen immer mit uns tragen, wenn es in unserem Herzen sitzt. Es ist im selben Flugzeug, im selben Boot, im selben Auto, wohin wir auch flüchten. Wegrennen ist also ganz bestimmt die ungeeignetste Strategie, Dukkha zu bewältigen.
Aber wir kennen alle noch eine zweite Strategie, die nicht weniger ungeschickt ist: etwas oder jemand anderes für unsere Misere verantwortlich zu machen – einen Menschen, eine Situation, das Wetter oder was sich sonst noch anbietet. Anstatt selbstverantwortlich zu sein, stehlen wir uns aus der Verantwortung.
Die dritte ungeschickte Strategie der Leidensbewältigung läuft darauf hinaus, dass wir uns von Dukkha niederdrücken und deprimieren lassen. Wir werden ganz in Dukkha hineingezogen und infolgedessen schrecklich unglücklich. Sehr viele Menschen verfallen diesem Fehler. Wenn er auch durchaus verbreitet ist, ist er deswegen doch nicht weniger töricht. Wir sind deprimiert und lassen den Kopf hängen, bis irgendein äußerer Kitzel uns aus unserer Trübsal erlöst – eine Geburtstagstorte, ein Eisbecher. Dann hebt sich unsere Laune ein wenig.
So viel zum ungeschickten Umgang mit Dukkha. Wollen wir unser Leiden auf geschickte Weise bewältigen, müssen wir es als Lernerfahrung betrachten. Die einzig wirklich vernünftige Betrachtungsweise ist die, dass wir es sehen und uns dann sagen: »So ist das also. Dies hat der Buddha mit der ersten der Vier Edlen Wahrheiten gemeint. Offensichtlich wusste er, wovon er sprach.«
Die erste Edle Wahrheit ist die Wahrheit vom Leiden, die Wahrheit von Dukkha. Die zweite Edle Wahrheit ist die der Leidensentstehung: Dukkha hat eine Ursache. Die Ursache ist Gier: der Wunsch, etwas zu bekommen, das wir nicht haben; oder etwas loszuwerden, das wir haben, aber nicht haben wollen. Das sind die einzigen beiden Ursachen. Es gibt keinen anderen Grund für Dukkha. Sobald wir Dukkha in uns erkennen, ohne uns darin zu verstricken, begreifen wir, dass Leiden eine Realität ist, ein Teil des Lebens. Und dann können wir in uns auch den Grund dafür finden. Wir sagen uns: »Stimmt genau. So und nicht anders ist es. An meinen Wünschen liegt es.« Haben wir auf diese Weise die Gültigkeit der zweiten Edlen Wahrheit festgestellt, werden wir einsehen, dass die dritte und die vierte Wahrheit ebenfalls stimmen müssen. Die dritte Edle Wahrheit ist die Wahrheit der tatsächlichen Leidensüberwindung: alles Dukkha hört auf, ein für alle Mal. Und dies ist Nibbāna – Befreiung, vollkommene Befreiung.
Die beiden ersten Wahrheiten lassen sich leicht beweisen. Das ist ein Kinderspiel. Wir können sie uns jeden Tag mindestens zehn bis fünfzehn Mal bestätigen. Dazu brauchen wir nicht mehr zu tun als aufzupassen, was passiert. Haben wir aber die Gültigkeit der ersten beiden Wahrheiten nachgewiesen, dürfen wir annehmen, dass die dritte und die vierte ebenfalls stimmen. Wir haben eine Orientierungshilfe gefunden, etwas, womit wir arbeiten können. Mit der vierten Edlen Wahrheit, dem Edlen Achtfachen Pfad, haben wir ein gutes Werkzeug dafür gefunden. Wir können in uns zu Vollkommener Anschauung, der richtigen Sicht der Dinge gelangen.
Dukkha entsteht immer und immer wieder. Das Leiden wird nicht aufhören, sich zu manifestieren, bis nicht alle Gier, alles Wünschen, alles Sehnen erloschen sind. Mit dem Erlöschen alles Wünschens aber sind wir zu Arahats geworden, vollkommen erleuchtet. Warum wundern wir uns also noch darüber, wenn wir sehen, dass Leiden entsteht? Dies sollte uns wirklich nicht überraschen. Es ist töricht, sich davon überraschen zu lassen. Wir können uns höchstens darüber wundern, wenn absolut kein Dukkha festzustellen ist. Das ist wesentlich sinnvoller: »Meine Güte, in den letzten dreißig Minuten habe ich absolut kein Dukkha gespürt!« Das wäre wirklich bemerkenswert, eine echte Überraschung. Wer sich hingegen über das Auftauchen von Dukkha überrascht zeigt, beweist damit nur, dass er weder dem Buddha richtig zugehört noch wirklich in sich selbst hineingeschaut hat.
Also müssen wir Dukkha vorbehaltlos als gegeben akzeptieren, wenn wir uns innere Harmonie erschließen wollen. Wer mit Dukkha hadert, wird sich natürlich dagegen wehren und versuchen, sein Leiden abzuschütteln. Das wird dann die dringlichste Beschäftigung in seinem Leben. Wer das tut, zäumt das Pferd von hinten auf: »Ich will endlich mein Dukkha loswerden. Also muss ich irgendetwas ändern, verbessern. Ich muss meine Mitmenschen verändern, die Situation, meinen Tagesplan, meinen Körper und so weiter.« Das ist vergebliche Liebesmüh. Es funktioniert nicht. Wir können Dukkha auf diese Weise nicht loswerden. Was wir aber aufgeben können, ist unser Wünschen. Der Buddha hat gesagt, dass dies möglich ist.
An diesem Punkt in unserem Leben müssen wir seine Worte als erwiesen hinnehmen, weil offensichtlich ein Hoffnungsschimmer besteht, dass wir zumindest einige seiner Ausführungen schon jetzt nachprüfen können, ohne dass wir dafür bereits erleuchtet oder der Erleuchtung nahe sein müssten. Da wir einen Teil nachprüfen können, müssen wir den Rest auf Treu und Glauben akzeptieren und mit unserer Praxis auf seinen Wahrheitsgehalt untersuchen.
Wenn dann, wie es so seine Art ist, das nächste Mal Leiden auftaucht, Dukkha seinen Kopf hebt und euch anschaut, akzeptiert dies, und sagt euch: »So, so. Die Dinge laufen nicht nach Wunsch.« Macht euren Wunsch, euer Sehnen ausfindig und lasst sie los. Dukkha könnt ihr nicht loslassen, nur euer Wünschen. Je mehr Wünsche wir loslassen, desto größer die Harmonie. Wünsche stören fortwährend die Harmonie. Stellt euch vor, wir chanten zusammen, und eine fängt an zu brüllen und zu kreischen, nur weil sie gern mehr gehört werden möchte als die anderen. Daran ist nichts harmonisch, kein Einklang. Oder stellt euch vor, dass irgendjemand stets eine halbe Silbe voraus sein möchte. Das würde die Harmonie vollkommen zerreißen. Wünschen zerstört alle Harmonie.
Wollen wir im Herzen innerlich zufrieden sein, müssen wir begreifen, СКАЧАТЬ