Название: Sei dir selbst eine Insel
Автор: Ayya Khema
Издательство: Bookwire
Жанр: Сделай Сам
isbn: 9783931274597
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Allerdings können wir uns für unsere Rede keinen Tagesplan entwerfen wie für die übrigen Tätigkeiten. Ihr müsst auf der Stelle bestimmen, wann der richtige Augenblick für euch gekommen ist, etwas zu sagen. Daran kommt keiner vorbei. Deswegen ist es außerordentlich wichtig, dass wir immer daran denken, was falsche Rede ausmacht und wie viel Zeit wir mit Reden verbringen, ja vergeuden.
Nun gut, wir können immerhin die Stunden abziehen, die wir schlafen. Dann reden wir ja nicht. Die Meditationszeiten können wir jedoch nicht abziehen, denn die meisten Menschen reden beim Meditieren permanent mit sich selbst. Das heißt, mit Ausnahme der Schlafenszeit und der wenigen Augenblicke völliger Sammlung und Achtsamkeit, rasseln und purzeln die Wörter in uns herum und aus uns heraus. Pausenlos sind wir mit innerer und äußerer Rede beschäftigt, mindestens achtzehn Stunden am Tag. Offensichtlich also erwerben wir uns eine wichtige Fähigkeit, wenn wir endlich erkennen, wie viel Zeit wir mit Reden verbringen.
Leider können wir uns diese Fähigkeit nicht so leicht aneignen, wie wir vielleicht meinen. Es geht ja nicht nur darum, freundlich und liebenswürdig zu sein. Das ist wirklich nicht alles. Achtet deswegen auf eure Motive, wenn ihr jemandem etwas Schönes sagen wollt. Fragt euch: »Warum will ich dies sagen?« Ihr habt einen Grund. Untersucht ihn: »Welche Absichten verfolge ich? Oder will ich mir nur selbst einen Gefallen tun?«
Ihr wisst, welches Motiv nützlich ist. Niemand braucht dies zu erklären. Sagt also, was ihr sagen wollt, wenn es euch darum geht, dass der andere sich wohlfühlt. Wenn ihr aber nur euch selbst einen Gefallen tun wollt, solltet ihr von eurem Vorhaben Abstand nehmen und besser nichts sagen. Untersucht eure Motive. Sprecht ihr, um euch selbst zu gefallen, so ist eure Rede weder besonnen noch überlegt. Im Gegenteil: Sie ist impulsiv, instinktiv. Üben wir uns nicht in besonnener, überlegter Rede, werden die Worte stets impulsiv und instinktiv aus uns herausplatzen, besonders in Stresssituationen, auch schon bei geringstem äußeren Druck.
Freundliche Worte sind nicht allzu schwer zu finden, wenn wir nicht mehr tun, als die Freundlichkeiten zu erwidern, die man uns entgegenbringt. Viel wichtiger und bedeutsamer ist jedoch, dass wir die Energie aufbringen und uns dazu aufraffen, unsere Rede insgesamt, was wir auch sagen, zu einem wertvollen Beitrag zu machen. Das ist ungeheuer wichtig, und deswegen müssen wir es üben – tagein, tagaus. Schließlich reden wir ja auch immerfort, zu jeder Tages- und Nachtzeit.
Nehmt eure Rede nicht einfach als gegeben hin. Für die Rede gilt dasselbe wie für alle anderen Tätigkeiten auch. Solange ihr nicht überlegt handelt, werdet ihr immer wieder in irgendwelche Fallgruben stolpern. Eure Rede wird immer wieder alles andere als vollkommen sein. Sie wird euch viel Grund zur Reue geben. Habt ihr im Laufe des Tages etwas gesagt, das ihr später bedauert, seid ihr nicht achtsam, nicht besonnen genug gewesen.
Befragt euch vor dem Einschlafen selbst über euren Tag. Fragt euch: »Wie viel Gutes ist von mir ausgegangen, wie viel positive Energie? Und wie viel negativen Einfluss habe ich ausgeübt?« Dies ist sinnvoller, als über die Hitze, die Moskitos oder über eure Müdigkeit nachzudenken.
»Wie oft habe ich eine der Fünf Hindernisse gezeigt? Wie oft mein Denken und Tun davon bestimmen lassen? Wie häufig habe ich sinnliche Wünsche, Bösartigkeit, Faulheit und Stumpfsinn, Unrast und Besorgtheit, wie häufig Zweifel und Skepsis gezeigt? Was kann ich tun, damit diese Fesseln mein Leben von nun an weniger bestimmen? Wie kann ich mehr Liebe zeigen und mehr Mitgefühl? Wie kann ich mich mit den anderen freuen, wenn sie sich freuen? Wie kann ich Ausgeglichenheit, Gleichgewicht finden?«
Zieht abends Bilanz. Nur Bilanz – kein Urteil, keine Selbstbeschuldigungen. Ihr erkennt, was im Laufe des Tages alles geschehen ist, und ihr erkennt es an, leugnet es nicht. Aber ihr verurteilt euch nicht dafür. Erkenntnis und Wandel, das altbewährte Erfolgsrezept: Zuerst nehmt ihr zur Kenntnis, was da ist. Dann verändert ihr es. Wenn ihr nicht nach euren Erkenntnissen handelt, passiert natürlich gar nichts. Aber trotzdem hängt alles vom ersten Schritt ab: Selbstbeobachtung. Wir müssen als Erstes sehen und überdenken, wie sich unser tägliches Leben abspielt.
Wenn ihr dies am Abend nach einem arbeitsreichen Tag wirklich macht, werdet ihr feststellen, dass einige eurer Worte alles andere als zweckdienlich und hilfreich waren. Vergegenwärtigt euch dies rückschauend, und sagt euch: »Was ich da und dort gesagt habe, war nicht zweckdienlich. Morgen will ich es besser machen.«
Vergesst nicht, die Beweggründe für euer Tun zu untersuchen. Wer seine Hilfe um jeden Preis aufdrängt, bewirkt nichts Gutes, ganz gleich, wo er es auch versucht. Alle guten Taten müssen zuerst im eigenen Herzen reifen, damit sie auch von Herzen kommen können. Nur dann bewirken sie Gutes.
Ihr könnt nicht etwas verschenken, das ihr selbst nicht besitzt. Niemand kann das. Ist das Herz offen und frei, wird sich Gutes daraus entfalten. Ein reines Herz strahlt Reinheit aus. Ein von Liebe erfülltes Herz strahlt Liebe aus, ganz unabhängig von den Worten, die gesprochen werden. Ihr braucht euch nicht einmal um besonders liebevolle und entgegenkommende Worte zu bemühen, wenn euer Herz liebt. Man wird in jedem Fall die Liebe spüren, die hinter euren Worten steht. Liebevolle Rede ist also keine Frage der Wortwahl, sondern einzig und allein eine Frage des Gefühls hinter den Worten.
Solange wir uns nicht immer und immer wieder darum bemüht haben, die Beweggründe, das Motiv für unsere Äußerungen aufzudecken, sind Unebenheiten in der Rede ebenso wenig zu vermeiden wie unwesentliches Geschwätz und Worte, die zu Konflikten reizen. Diese Ausrutscher liegen beständig auf der Lauer, um dem Geist zu schaden. Und unsere Meditation wird darunter leiden, ob wir dies wollen oder nicht. Wer ist nun der Leidtragende? Wir selbst. Unter den Folgen falscher Rede leidet stets nur der, der sich zu falscher Rede hinreißen lässt.
Rede ist wichtig, ungeheuer wichtig, so wichtig, dass der Buddha seinen siebenjährigen Sohn lang und breit darüber belehrte. Er tat dies nach der siegreichen Rückkehr von der Suche nach Erleuchtung.
Bei dieser Gelegenheit sah der Buddha seinen Sohn überhaupt zum ersten Mal, denn das Kind war in der Nacht geboren, in der der damalige Prinz Siddhartha den Palast seines Vaters verlassen hatte. Bei seinem ersten Zusammentreffen mit seinem Sohn Rahula belehrte er diesen also über die rechte Art zu reden, zum Beispiel nicht zu lügen. Das ist sehr wichtig für ein Kind. In seinen Erklärungen betonte der Buddha, dass aus falscher Rede alle anderen unrechten Dinge entstehen.
Unsere Worte müssen nicht unbedingt kränken oder beleidigen, um falsche Rede zu sein. Es reicht, dass sie unfreundlich sind oder sarkastisch. Es reicht, dass wir einen Scherz machen, der die Fehler oder das Versagen eines anderen Menschen brandmarkt. Selbstbeglückwünschungen sind ebenfalls falsche Rede, wie überhaupt alle Worte, mit denen wir uns nur selbst bestätigen wollen. Wir können diese Fehler nur abstreifen, wenn wir bereit sind, uns zu beobachten und zu ändern, wenn wir immer wieder genau überprüfen, was wir eigentlich sagen.
Der Buddha ist sehr häufig auf rechte oder falsche Rede eingegangen. Aus gutem Grund. Damals wie heute haben die Menschen große Schwierigkeiten damit. Unseren zwischenmenschlichen Kontakten fehlt es zumeist an Wärme. Es fehlt das Herz. Und dies liegt nicht an dem, was wir sagen. Es liegt an dem, was wir fühlen, und daran, wie wir infolgedessen sprechen.
Deswegen lautet unsere Aufgabe, vorbehaltlose Liebe in uns zu erwecken – eine Liebe, die nicht davon abhängt, ob die anderen liebenswert und liebenswürdig sind oder nicht. Nur ein vollkommen Erleuchteter, ein Arahat, ist auch vollkommen liebenswert. Alle anderen Wesen haben Fehler, haben Mängel, haben dunkle Flecken, СКАЧАТЬ