Über den Kopf hinaus. Werner Huemer
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Über den Kopf hinaus - Werner Huemer страница 5

Название: Über den Kopf hinaus

Автор: Werner Huemer

Издательство: Bookwire

Жанр: Математика

Серия:

isbn: 9783831257355

isbn:

СКАЧАТЬ Zugang hat, hört die Anweisungen und macht mit, dann kann man feststellen, dass er eigentlich in diesem Moment Bewusstsein hat, es aber nicht nach außen transportieren kann. Die Analyse der Gehirnströme macht das sichtbar.

      Die Idee ist, ein ganz einfaches ‚Brain Computer Interface‘ anzudocken, wodurch der Patient mental Antworten geben kann oder einen simulierten Tastendruck erzeugt, um zum Beispiel Ja oder Nein zu sagen. Das Ziel des ‚Decoder‘-Projektes ist also eine ganz einfache, rudimentäre Kommunikation mit Patienten, die noch Bewusstsein haben. Man hat natürlich schon mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie gezeigt, dass solche Patienten Anweisungen befolgen können. Aber ein Scanner ist ein sehr großer Apparat. Unser Projekt soll die Erkenntnisse aus der Magnetresonanztomographie in die Elektroenzephalographie überleiten, also in das Aufzeichnen der Gehirnströme, denn das dafür nötige Gerät kann man überallhin mitnehmen, wodurch man ganz einfach vor Ort, auch zu Hause arbeiten kann. „

       Welche medizinischen Möglichkeiten stehen denn mit dieser Technologie noch in Aussicht? Es gibt ja noch weitere EU-Projekte, an denen Sie arbeiten …

      Müller-Putz:

      „Diese Projekte beschäftigen sich unter anderem mit der Schlaganfall-Rehabilitation, zum einen bei Schädigungen an der oberen Extremität, also der Hand und des Armes, zum anderen aber auch an der unteren Extremität. Hier geht es darum, einen Patienten während der Therapie zu beobachten. Wenn er seine betroffenen Extremitäten bewegen soll, sie aber nicht bewegen kann, lässt sich anhand der Analyse der Gehirnmuster feststellen: Jetzt hat der Patient versucht, den Arm zu bewegen oder die Hand zu bewegen. Diese Beobachtung wird dann an den Therapeuten und an den Patienten zurückgemeldet, nach dem Motto: Ja, das war gut, das ist der Weg, den Arm zu bewegen – auch wenn die Bewegung tatsächlich nicht stattgefunden hat. Man kann dann zum Beispiel ein robotisches Gerät oder eine Elektrostimulation verwenden, um den Arm entsprechend zu bewegen. Durch die Bewegung werden dann Signale von der Extremität an das Gehirn geliefert, und das Gehirn versucht dann, irgendetwas mit diesen Signalen zu machen. Der Ansatz geht also dahin, dass das Gehirn mit Hilfe des „Brain Computer Interface“ und durch die Rückmeldung der Bewegung schneller lernt, die Extremität wieder zu bewegen. „

       Wo liegen denn nach Ihrer heutigen Einschätzung die Grenzen dieser Technologie, dass man gedankliche Tätigkeiten von außen analysiert und dann in Nutzanwendungen umsetzt? Gibt es da Grenzen?

      Müller-Putz:

      „Ja, da gibt es klarerweise Grenzen. Ein Signal, das vom Gehirn kommt, könnte man direkt im Gehirn sehr gut messen, aber es gibt ja verschiedene Schichten, Gehirnhäute, Knochen, die Haut, das alles dämpft das Signal sehr stark ab. Was wir am Kopf messen, das hat nur noch Millionstel Volt, das Signal ist also sehr, sehr klein. Um es zu messen, braucht man bestimmte Apparaturen, sogenannte Messverstärker, die diese Spannungen soweit verstärken, dass man sie überhaupt in einem Computer verarbeiten kann. Außerdem haben die Elektroden, die wir am Schädel platzieren, einen Durchmesser von etwa acht Millimetern. Darunter sind Millionen von Nervenzellen, die alle ihre Aktivität haben. Diese Nervenaktivität breitet sich kugelförmig aus. Durch den Abstand vom Kortex bis zur Elektrode ist es nur noch möglich, am Schädel die Summe der Nervenaktivität zu messen. Das heißt, es sind von der Messmethode her bestimmte Grenzen gesetzt. Ich kann mit meinen Elektroden nur ganz grob detektieren, ob es sich zum Beispiel um eine Handbewegung oder um eine Ellbogenbewegung handelt. Fingerbewegungen klar zu messen, zum Beispiel die Bewegung nur des kleinen Fingers, wird mir nicht mehr möglich sein. Um das weiterzuspinnen: Wenn Sie an eine Katze oder an ein Auto denken, kann ich das unmöglich messen, denn es gibt kein Katzenzentrum oder Autozentrum im Gehirn. Die Möglichkeit des Gedankenlesens, die man durch diese Technologie allgemein manchmal befürchtet, sehe ich, wenn überhaupt, in sehr, sehr weiter Ferne.“

      Medizintechnische Nutzanwendungen wie die hier beschriebenen Projekte betreffen die konkretesten, oder besser gesagt, jene Wirkungsmöglichkeiten des menschlichen Denkens, die sich am leichtesten dokumentieren lassen: die Steuerung bestimmter Körperfunktionen.

      Aber unsere Gedanken umfassen viel mehr als das. Streng genommen spielt dieser Bereich in unserem bewussten Alltagsleben überhaupt nur eine untergeordnete Rolle. Wir steuern unseren Körper ja nur in Ausnahmefällen bewusst durch Gedanken. Üblicherweise erledigt das Gehirn derlei selbsttätig, unbewusst, also ohne dass wir darüber erst nachdenken müssen. Und das ist sehr praktisch so. Denn dadurch sind wir offen für Eindrücke, Erlebnisse, neue Erfahrungen und Erkenntnisse – für all das, was uns gerade wichtig ist.

      Aber inwieweit ist es möglich, aus den Gehirnströmen die Individualität eines Menschen zu erkennen und sozusagen einen Blick in seine Persönlichkeit zu werfen?

      Solche Ansätze sind umstritten. Dennoch wird auch in dieser Richtung geforscht – zum Beispiel im Stuttgarter „Institut für Kommunikation und Gehirnforschung“. Hier wurde ein spezielles Messverfahren – die EEG-Spektralanalyse – weiterentwickelt, das offenbar sehr detaillierte Einblicke in individuelle Persönlichkeitsstrukturen gewährt.

      Das Grundprinzip ist theoretisch einfach: Gehirnströme sind die messbaren Auswirkungen der Gedankentätigkeit. Die Art der Gedanken wiederum ist das Ergebnis einer inneren Haltung. Wie wir auf Situationen des Lebens oder einfach auf Fragen reagieren, zeigt etwas über unsere Persönlichkeit, über unsere Stärken oder Schwächen. In dem Stuttgarter Institut unter der Leitung von Günter Haffelder werden daher Gehirnströme gemessen, während die Personen gleichzeitig einen Katalog von Fragen beantworten müssen. Daraus könne man dann, so Haffelder, „genau erkennen, was sich in dem Moment im Menschen tut“. Voraussetzung dafür seien Messungen am „limbischen System“, das der Verarbeitung von Emotionen dient und mit dem Triebverhalten in Zusammenhang steht. Dieses System im Gehirn reagiere auf bestimmte Fragestellungen sehr deutlich, und aus der Analyse ließen sich klare Rückschlüsse auf die Befindlichkeit des Patienten ziehen.

      Um mehr darüber zu erfahren, wie man auf den Gehirnströmen gewissermaßen „in die Seele surfen“ kann und vor allem, wozu das dienen soll, habe ich mit Günter Haffelder das folgende Gespräch geführt:

       Was kann man denn aus Ihrer Sicht zusammenfassend sagen: Ist es wirklich möglich, über Gehirnstrommessungen etwas Konkretes über die Persönlichkeit eines Menschen auszusagen? Und wenn ja, wie weit geht eine solche Aussage?

      Haffelder:

      „Ja, wir können heute mit unserem Messverfahren, also mit der EEG-Spektralanalyse, die Persönlichkeit sehr präzise erfassen. Das hat den Hintergrund, dass wir am limbischen System messen und frontal ableiten, also an der Stirn. Die Analyse hängt aber immer auch mit bestimmten Fragen zusammen, die wir stellen. Das limbische System reagiert eben gefühlsmäßig darauf.

       Solche EEG-Spektralanalysen sind eine Spezialität Ihres Instituts. Was konkret kann man denn aus einer solchen Analyse zum Beispiel herauslesen?

      Haffelder:

      „Wir können die Befindlichkeit des Patienten herauslesen und wir können die Gefühle herauslesen. Je nachdem, welche Fragen wir stellen, reagiert das Gehirn darauf. Es zeigen sich auch Blokkaden, Barrieren. Wenn ich zum Beispiel einen Mann auffordere, er solle an seine Familie denken oder an seine Ehefrau, kann ich sofort erkennen, ob dort alles stimmt oder nicht, ob da Blockaden sind, ob da Ängste sind und so weiter.“

       Und was machen Sie auf Grund dieser Analyse? Welche therapeutischen Möglichkeiten gibt es für eine Hilfestellung?

      Haffelder:

      „Erst einmal führen wir mit jeder Person einen Grundtest durch, und auf der Grundlage aller Tests, bei denen СКАЧАТЬ