Der achtsame Weg zum Selbstmitgefühl. Christopher Germer
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Название: Der achtsame Weg zum Selbstmitgefühl

Автор: Christopher Germer

Издательство: Bookwire

Жанр: Сделай Сам

Серия:

isbn: 9783867813341

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СКАЧАТЬ du jetzt nervös?“ Diese bohrende Frage löst genau die Angst aus, die ich zu unterdrücken versuche, und wenn ich erst einmal Angst habe, bekomme ich Angst vor der Angst.

      Es gibt nur eine einzige dauerhafte Lösung für die Angst, vor Publikum zu sprechen: sie einfach zu haben. Wir müssen aufhören, uns vor der Angst zu schützen, müssen bereit sein, beim Sprechen vor Angst zu schlottern. Wenn ich das tue, verschwindet meine Angst nach kurzer Zeit. Selbst lange vor einem öffentlichen Auftritt verhindert meine Bereitschaft, die Angst zuzulassen, dass die Negativspirale in Gang gesetzt wird.

      Beziehungskonflikte

      In Beziehungen gibt es gute und schlechte Phasen innerhalb der Gezeiten von Nähe und Distanz. Wollen wir uns mit unserem Partner verbunden fühlen, wollen wir das Gefühl haben, gesehen und gehört zu werden, auf derselben „Wellenlänge“ zu sein, und dieses Gefühl stellt sich nicht ein, so ist das sehr schmerzhaft. Alle Paare machen solche schmerzhaften Phasen durch, die manchmal über einen langen Zeitraum anhalten:

      Suzanne und Michael gingen durch die „kalte Hölle“. Die kalte Hölle ist ein Zustand, in dem Beziehungspartner ablehnend und misstrauisch aufeinander reagieren und in einem kühlen, bewusst unpersönlichen Ton miteinander sprechen. Manche Paare halten das jahrelang durch, sozusagen eingefroren am Rande der Scheidung.

      Nach fünf Monaten erfolgloser Therapiesitzungen, die in zweiwöchigem Abstand stattgefunden hatten, gelangte Suzanne zu dem Schluss, dass es nun an der Zeit sei, die Scheidung einzureichen. Für sie war klar, dass Michael sich nie ändern würde: Er würde nie weniger als 65 Stunden pro Woche arbeiten und auch nie auf seine Gesundheit achten (er hatte 50 Pfund Übergewicht und rauchte). Noch mehr belastete sie allerdings die Tatsache, dass Michael nicht das geringste Interesse zeigte, ihrer Ehe schöne Seiten abzugewinnen. Sie gingen nur selten aus und waren vor 2 ½ Jahren zum letzten Mal im Urlaub gewesen. Suzanne fühlte sich einsam und abgelehnt. Michael hatte dagegen das Gefühl, dass seine harte Arbeit für die Familie nicht anerkannt wurde.

      Suzannes Schritt in Richtung Scheidung brachte die Wende, denn er bescherte ihnen das „Geschenk der Verzweiflung“. Zum ersten Mal schien Michael bereit zu sein, wirklich hinzuschauen und zu sehen, wie schmerzvoll sein Leben geworden war. Als sie während einer Therapiesitzung über einen schweren Schneesturm in der Umgebung von Denver sprachen, erwähnte Michael, dass sein 64-jähriger Vater an diesem Tag zum ersten Mal in 20 Jahren nicht zur Arbeit erschienen sei. Ich fragte Michael, was das für ihn bedeute. Seine Augen füllten sich mit Tränen und er sagte, er wünschte, sein Vater hätte sein Leben mehr genießen können. Ich dachte laut darüber nach, ob sich Michael das jemals für sich selbst gewünscht hatte. „Ich habe Angst“, erwiderte er. „Ich habe Angst vor dem, was passieren würde, wenn ich nicht mehr ununterbrochen arbeitete. Ich habe sogar Angst davor, aufzuhören, mir Sorgen über meine Arbeit zu machen – dass ich vielleicht etwas Wichtiges übersehen könnte und meine ganze Karriere vor meinen Augen wie ein Kartenhaus einstürzen würde.“ Bei diesen Worten ging Suzanne ein Licht auf. „Vernachlässigst du deshalb mich und die Kinder und deinen Körper?“, fragte sie. Michael nickte, während ihm die Tränen über die Wangen liefen. „Oh Gott“, sagte Suzanne, „Ich dachte es läge an mir – dass ich nicht gut genug sei, dass ich eine zu große Belastung für dich sei. Wir haben beide Angst – aber vor unterschiedlichen Dingen. Du hast Angst um deine berufliche Position und ich habe Angst um unsere Ehe. Während du bei der Arbeit bist, lebe ich Tag für Tag in der Angst, dass unsere Ehe wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen könnte.“ Allmählich begann das eisige Gefühl der Entfremdung zu schmelzen, das Michael und Suzanne jahrelang voneinander getrennt hatte.

      Michael wusste seit unserer ersten Therapiesitzung, dass er arbeitssüchtig war. Ihm war sogar bewusst, dass er seine Familie genauso vernachlässigte, wie er von seinem Vater vernachlässigt worden war. Aber er fühlte sich hilflos und konnte nicht verhindern, dass sich dieses Leid von einer Generation auf die nächste übertrug. Doch als er den Schmerz über die drohende Scheidung fühlte, kam etwas in Bewegung. Michael gestand sich ein, wie leidvoll sein Leben geworden war, und er empfand einen Funken Mitgefühl – zuerst für seinen Vater und dann für sich selbst.

      Suzanne warf Michael oft vor, sich nicht genügend um die beiden gemeinsamen Kinder zu kümmern. Aber hinter ihren Vorwürfen steckte ein Wunsch, der Müttern von kleinen Kindern vertraut ist: dass Michael, wenn er von der Arbeit nach Hause kam, zuerst einmal ihr Aufmerksamkeit schenken und danach mit den Kindern spielen solle. Suzanne schämte sich für diesen Wunsch, denn sie hielt ihn für egoistisch und für den Beweis, dass sie keine gute Mutter war. Nachdem sie ihn aber als natürlichen Ausdruck ihres Bedürfnisses nach Nähe zu ihrem Mann erkennen konnte, war sie in der Lage, diesen Wunsch offener und selbstbewusster zu äußern. Und das machte es Michael wiederum viel leichter, darauf einzugehen.

      Schon ein bisschen Selbstakzeptanz und Selbstmitgefühl half den beiden, ihre schwierigen Gefühle zu transformieren. In Beziehungen verbirgt sich hinter heftigen Gefühlen wie Scham und Wut oft ein großes ICH VERMISSE DICH! Es tut einfach weh und fühlt sich irgendwie nicht richtig an, sich mit den Menschen, die wir lieben, nicht verbunden zu fühlen.

      Trotz der offenkundigen Unterschiede zwischen der Angst, vor Publikum zu sprechen, Rückenschmerzen, Schlaflosigkeit und Beziehungskonflikten ist diesen Problemen normalerweise eines gemeinsam: der Widerstand gegen das Leid. Doch der Kampf gegen das, was uns unangenehm ist, macht alles nur noch schlimmer. Je mehr wir unsere Ängste oder körperlichen Beschwerden, die Schlaflosigkeit oder den Schmerz der Getrenntheit – und die damit verbundenen Selbstzweifel – annehmen können, desto besser sind wir dran.

      Sie können diese Dynamik gewiss auch in Ihrem eigenen Leben beobachten. Wie erfolgreich ist Ihre Schlankheitskur, wenn Sie dabei extrem streng und selbstkritisch sind? Was geschieht, wenn Sie mit Ihrer Tochter im Teenageralter über deren neuen Freund streiten? Wo bleibt ihre Wut, wenn Sie sie unterdrücken? Einer meiner Kollegen witzelte einmal: „Wenn du etwas ablehnst, geht es in den Keller und trainiert Gewichtheben!“

      Im schlimmsten Fall kann der Versuch, sich Schamgefühle zu ersparen, indem man andere verbal oder physisch angreift, Beziehungen oder ein ganzes Leben zerstören. Wenn wir zum Alkohol greifen, um Ängsten auszuweichen oder traumatische Erinnerungen auszublenden, können wir alles verlieren, was wir haben oder uns jemals erträumten. Die eigene Haut zu ritzen, um sich Erleichterung von emotionalem Schmerz zu verschaffen, löst gar nichts. Die Herausforderung besteht darin, sich den eigenen Schwierigkeiten mit urteilsfreiem Gewahrsein und Mitgefühl zuzuwenden.

      Den Mittelweg finden

      Es ist viel verlangt, sich unangenehmen Empfindungen zu öffnen. Als ich beschloss, mir zu erlauben, vor meinem Publikum zu zittern, musste ich mir erst einmal klar machen, was das wirklich bedeutet. Nicht nur darüber nachzudenken, sondern die Szene tatsächlich schaudernd zu durchleben: wie die Leute über mich lachen, sich gegenseitig auf meine armselige Vorstellung hinweisen und sich verächtlich abwenden. Nur so konnte ich sehen, dass mein Leben weitergehen würde, wenn ich ein lausiger Redner wäre. Es war eine Art Desensibilisierung: Ich gewöhnte mich in meiner Vorstellung daran. Glücklicherweise oder leider konnte ich dabei auch auf ein paar reale Erfahrungen zurückgreifen.

      Manche Menschen können da einfach hineinspringen und ihr emotionales Leid annehmen. Andere brauchen mehr Zeit. Sich in dieses Wildwasser zu stürzen funktioniert bei einigen, aber die Bereitschaft dazu ist kein Hinweis auf besondere Tapferkeit – vor allem, wenn man nicht schwimmen kann. Man muss sich sicher und kompetent fühlen, wenn man diesen ersten Schritt auf den eigenen Schmerz zugeht.

      Bei den meisten von uns löst die Vorstellung, sich dem eigenen emotionalen Schmerz zu öffnen, bestimmte Befürchtungen aus. Depressive Menschen fürchten vielleicht, von ihren Gefühlen überwältigt zu werden und im Alltag nicht mehr funktionieren zu können. Menschen mit Angststörungen machen sich Sorgen, es könnte sie zurückwerfen und ihnen eine weitere Panikattacke СКАЧАТЬ