Der achtsame Weg zum Selbstmitgefühl. Christopher Germer
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der achtsame Weg zum Selbstmitgefühl - Christopher Germer страница 13

Название: Der achtsame Weg zum Selbstmitgefühl

Автор: Christopher Germer

Издательство: Bookwire

Жанр: Сделай Сам

Серия:

isbn: 9783867813341

isbn:

СКАЧАТЬ gelangweilt, gestresst oder ruhig? Spüre ich eine Spannung im Bauch oder Hitze auf den Wangen? Mache ich mir Sorgen über die Zukunft oder über den Besuch bei meinem Vater, der heute noch ansteht? Ist dies das Geräusch des Windes, der durch die Blätter einer Pappel streicht? Jede bewusste Wahrnehmung in der Gegenwart kann ein Moment der Achtsamkeit sein und eine Befreiung von unserem üblichen, spannungserzeugenden Denken. Das Gegenteil von Achtsamkeit ist Unachtsamkeit, die sich beispielsweise darin zeigt, dass Sie

      • den Namen eines Menschen vergessen, kaum dass er Ihnen vorgestellt wurde

      • sich nicht daran erinnern können, warum Sie gerade in die Küche gegangen sind

      • essen, wenn Sie keinen Hunger haben

      • sich, wenn Sie im Stau stecken, darüber aufregen, dass Sie spät kommen

      • sich wie ein Kind verhalten, wenn Sie Ihre Eltern besuchen

      • eine Stunde auf der Autobahn fahren und sich kaum erinnern können

      Das sind die Zeiten, in denen wir geistesabwesend sind, nicht wahrnehmen, was wir denken, fühlen oder tun und wie ferngesteuert reagieren. Vielleicht ist Ihnen schon einmal aufgefallen, wie unachtsam wir meistens sind!

      Unachtsamkeit ist kein Problem, wenn der Film, der in unserem Kopf abläuft, süß und angenehm ist, aber manchmal ist er furchterregend, und wir würden am liebsten aufstehen und das Kino verlassen. Unsere Aufmerksamkeit wird von unserem Leiden „entführt“. So war es auch bei George, einem meiner Patienten.

      Dem äußeren Anschein nach hatte George sein Leben im Griff. Seine Arbeit machte ihm Spaß, er hatte kürzlich ein Haus gekauft, lebte mit einer Partnerin zusammen, die ihn liebte, und er konnte seine Freunde mit seinem ausgezeichneten Gitarrenspiel in Entzücken versetzen. Aber je schöner sein Leben wurde, desto stärker quälten ihn Erinnerungen an seine schwierige Kindheit. Er war in einer armen Familie aufgewachsen, in der Vernachlässigung und Misshandlungen an der Tagesordnung gewesen waren, und seine geliebte Schwester hatte sich mit 16 Jahren das Leben genommen. Jedes Mal, wenn ihm etwas Gutes widerfuhr – eine Gehaltserhöhung, der Kauf eines neuen Autos oder eine Urlaubsreise – konnte er ein Schluchzen nicht unterdrücken. Er dachte an seine traurige Kindheit und an seine Schwester, die nie die Chance gehabt hatte, ihr Leben zu genießen. Dieses Bedauern hinderte ihn daran, sich zu freuen. Wenn er in der Zeitung von misshandelten Kindern las, wurde er manchmal ganz plötzlich von solchen Erinnerungen überwältigt. Seine Frau fürchtete, die Verbindung zu George zu verlieren, der zunehmend in seiner Vergangenheit zu versinken schien, während sich ihr gemeinsames Leben positiv entwickelte.

      Auch George wollte seiner Frau nahe bleiben, die inzwischen manchmal die Geduld mit ihm verlor. Als er eines Tages, wie üblich mit den Gedanken in der Vergangenheit, am Strand spazieren ging, fiel sein Blick auf einen wunderschönen runden Stein. Er hob ihn auf, ließ ihn in der Hand hin und her gleiten, rieb damit über sein Gesicht und genoss die Berührung dieser kühlen, glatten Oberfläche auf seinen Wangen. Da er ein Sammler war, steckte er den Stein geistesabwesend in die Jackentasche. Als er später zu Hause seine Taschen leerte, fiel ihm der Stein in die Hand und wieder genoss er es, diese kühle, glatte, runde Oberfläche zu berühren. George stellte fest, dass es ihn irgendwie beruhigte, wenn er mit den Fingern über den Stein strich. Er nannte ihn scherzhaft seinen „Hier-und-Jetzt-Stein“ und trug ihn immer bei sich. Von nun an nahm er immer, wenn er einen „Flashback“ hatte und sich nicht in den Erinnerungen an seine Kindheit verlieren wollte, den Stein aus der Tasche und strich mit den Fingern darüber.

      Ohne irgendeine Anleitung von außen war George über eine Möglichkeit gestolpert, seinen inneren Zustand durch Achtsamkeit zu steuern: Er brachte seinen Geist mit Hilfe der sinnlichen Wahrnehmung ins Hier und Jetzt. Anfangs benutzte George seinen Hier-und-Jetzt-Stein vor allem, um seine Aufmerksamkeit von dem, was ihn quälte, abzuziehen und in den gegenwärtigen Moment zu kommen. Später, als sein Stein und der gegenwärtige Augenblick in emotionalen Stresssituationen zu einem verlässlichen Zufluchtsort geworden waren, fasste George Mut und wandte sich seinen traumatischen Erinnerungen zu, um sie sich genauer anzuschauen. Achtsamkeit bedeutet, zu wissen, wo wir uns innerlich in jedem Augenblick gerade befinden und unsere Aufmerksamkeit bewusst und intelligent lenken zu können. Achtsamkeit erfordert eine gewisse Offenheit, um heilsam wirken zu können. So wie die Augen einer Mutter auf ihrem Neugeborenen ruhen, können wir etwas sehr lange anschauen, wenn wir es mögen oder wenn wir uns beim Schauen geliebt und unterstützt fühlen. Aber wir können unsere Aufmerksamkeit nicht lange aufrechterhalten, wenn uns das, was wir sehen, abstößt. Wir können die einzigartige Schönheit einer Rose oder eines Musikstückes oder uns selbst nur wahrnehmen, wenn wir emotional offen sind. Mit dieser inneren Haltung üben wir uns in Achtsamkeit.

      Achtsamkeit üben: Der Anfang

      Falls Sie die am Ende des letzten Kapitels beschriebene Übung gemacht haben, haben Sie bereits einen kleinen Vorgeschmack auf Achtsamkeit bekommen. Sie waren in einem relativ empfänglichen Zustand und haben eine Reihe von Eindrücken und Empfindungen bewusst wahrgenommen, ohne sie vergleichen, beurteilen, benennen oder werten zu müssen. Man kommt mit dem eigenen Geist relativ gut zurecht, wenn man einfach nur registriert, was kommt und geht. Probleme treten erst auf, wenn wir unbewusst vor unangenehmen Dingen zurückschrecken, nach Vergnügen streben und uns in Fantasien darüber verlieren, wie wir die Dinge gerne hätten. Ausnahmslos jede(r) von uns stellt schon bald fest, dass eine so einfache Übung wie „ein paar Minuten still sitzen und die Gedanken kommen und gehen lassen“ alles andere als einfach ist.

      Geräusche achtsam wahrnehmen

      Diese Übung dauert nur fünf Minuten. Suchen Sie sich einen ruhigen Ort, an dem Sie weder durch den Fernseher, Musik oder die Unterhaltungen anderer Menschen abgelenkt werden.

      • Setzen Sie sich in entspannter, bequemer Haltung hin und achten Sie darauf, dass Ihre Wirbelsäule gerade ist. Schließen Sie die Augen ganz oder halb.

      • Stellen Sie sich nun vor, Ihre Ohren seien Satellitenschüsseln, die alle Geräusche der Umgebung auffangen. Sie sitzen einfach da und empfangen Klangschwingungen. Sie müssen die Geräusche nicht benennen, Sie müssen sie auch nicht mögen, und Sie müssen sich nicht auf ein besonderes Geräusch konzentrieren – hören Sie einfach alles, was an Ihre Ohren dringt. Lassen Sie die Töne einen nach dem anderen kommen und gehen. Versuchen Sie nicht, Geräusche in Ihrer Umgebung zu entdecken. Lassen Sie sie auf sich zukommen.

      • Wenn Sie merken, dass Sie sich in Gedanken verlieren, was unweigerlich geschehen wird, kehren Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit einfach zum Lauschen zurück.

      • Öffnen Sie nach fünf Minuten langsam die Augen.

      Haben Sie bemerkt, wie entspannend es sein kann, Geräusche einfach aufmerksam wahrzunehmen? Es könnte sein, dass Sie es noch angenehmer empfinden als andere Methoden, mit denen Sie vielleicht bereits Erfahrungen gemacht haben, wie Entspannungstraining oder Selbsthypnose. Das hängt damit zusammen, dass Sie innerlich alles loslassen, einschließlich der Aufgabe, sich zu „entspannen“, die Sie paradoxerweise in einem Spannungszustand halten kann. Bei dieser Übung geht es nur darum, mit der Symphonie der Umgebungsgeräusche zu „sein“.

      Möglicherweise haben Sie sich dabei ertappt, dass Sie dem simplen Akt des Lauschens ein paar Extraaufgaben hinzugefügt haben. So haben Sie die Geräusche vielleicht mit den Etiketten „Auto“, „Kind lacht“, „Tür schließt sich“ versehen. Das ist zusätzliche Arbeit. Oder Sie haben sich gewünscht, an einem schöneren Ort zu sein, beispielsweise auf dem Land, wo man angenehmere Geräusche erwarten kann. Das erzeugt ein wenig Stress. Und wahrscheinlich sind Ihre Gedanken sehr schnell abgeschweift. Sie haben sich vielleicht gefragt, ob Sie die Übung richtig machen oder ob Sie sich eine leisere Klimaanlage anschaffen sollten. Jeder dieser automatisch ablaufenden mentalen Prozesse СКАЧАТЬ