Название: Der achtsame Weg zum Selbstmitgefühl
Автор: Christopher Germer
Издательство: Bookwire
Жанр: Сделай Сам
isbn: 9783867813341
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Einen geistigen „Anker“ finden
Unser Geist braucht einen „Anker“, das heißt einen Fixpunkt, auf den er sich beziehen kann. Unsere mentalen Probleme werden zum größten Teil dadurch verursacht, dass unsere Gedanken von einer Sache zur anderen springen, was ziemlich anstrengend ist, oder durch die ständige Beschäftigung mit deprimierenden oder negativen Gedanken oder Gefühlen. Wenn wir das feststellen, müssen wir unserem Geist einen Ankerplatz anbieten – einen neutralen und ruhigen Fixpunkt. Genau das tat George, wenn er über seinen „Hier-und-Jetzt-Stein“ strich, und Sie taten es ebenfalls, als Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit immer wieder zu den Geräuschen in Ihrer Umgebung zurückkehrten. Dieses Verankern hilft uns, innerlich ruhig zu werden.
Am häufigsten wird der Atem als geistiger Anker genutzt, und dafür gibt es ein paar gute Gründe:
• Wir atmen 24 Stunden am Tag.
• Es ist relativ einfach, sich auf den Atem zu konzentrieren, weil er eine spürbare Bewegung im Körper verursacht.
• Der Atem ist etwas Vertrautes und kann somit ein sicherer Hafen vor den Stürmen des täglichen Lebens sein.
• Er funktioniert automatisch, ohne persönliche Anstrengung.
• Er ist unser treuester Freund, der uns von der Geburt bis zum Tod begleitet.
Den eigenen Atem achtsam wahrzunehmen ist eine ausgezeichnete Möglichkeit, die Aufmerksamkeit zu schulen und sich in den gegenwärtigen Moment zu bringen.
Für manche Menschen mag die Konzentration auf den Atem allerdings problematisch sein, beispielsweise für diejenigen, die physische Traumata erlitten haben. Sie wollen ihren Körper vielleicht gar nicht spüren, weil dadurch schlimme Erinnerungen ins Bewusstsein dringen könnten. Menschen, die ständig um ihre Gesundheit besorgt sind, stellen vielleicht fest, dass die Konzentration auf einen bestimmten Körperteil neue Ängste auslöst. Wer immer alles ganz korrekt machen will oder unter Zwangsstörungen leidet, könnte bei der Konzentration auf den Atem rigide werden und dadurch vielleicht Atemprobleme bekommen. Andere, die unzufrieden mit ihrem Aussehen sind oder sich in ihrem Körper nicht wohlfühlen, empfinden es möglicherweise allgemein als unangenehm, durch den Atem intensiv in Kontakt mit dem Körper zu kommen.
Haben Sie das Gefühl, dass eines der oben genannten Probleme auf Sie zutreffen könnte, sollten Sie sich einen anderen „Ankerplatz“ für ihren Geist suchen. Er muss nur leicht und unmittelbar zugänglich sein. Manche Menschen bevorzugen ein bestimmtes Wort, das für sie eine besondere Bedeutung hat (siehe auch „Centering Meditation, Anhang B). Man kann sich auch auf den Boden unter den Fußsohlen, die im Schoß gefalteten Hände, eine bestimmte Körperregion wie beispielsweise den Herzbereich oder einen Punkt zwischen den Augen konzentrieren. Sollte es Ihnen schwerfallen, die Aufmerksamkeit in den Körper zu lenken, können Sie sich auch auf ein äußeres Objekt konzentrieren. Was Sie auch als geistigen Anker wählen, es wird im Laufe der Zeit wie ein guter Freund.
Die folgende Übung zeigt Ihnen, wie man den Atem als Anker benutzt, aber Sie können ihn jederzeit durch ein anderes Konzentrationsobjekt ersetzen.
Achtsam atmen
Diese Übung dauert 15 Minuten. Suchen Sie sich einen ruhigen, angenehmen Platz. Ihre Sitzhaltung sollte so sein, dass Ihre Muskulatur vom Knochengerüst gestützt wird, damit Sie während der gesamten Übung mühelos in derselben Position bleiben können. Dazu setzen Sie sich mit geradem Rücken hin, lassen die Schultern etwas nach hinten fallen und senken das Kinn zum Brustkorb. Sie können den Rücken anlehnen und mit einem Kissen unterstützen.
• Atmen Sie drei Mal langsam ohne Anstrengung ein und aus, um sich zu entspannen und alle Belastungen, die Sie mit sich herumtragen, loszulassen. Schließen Sie die Augen halb oder ganz, je nachdem, was sich angenehmer anfühlt.
• Lassen Sie nun ein inneres Bild von sich entstehen. Visualisieren Sie sich in Ihrer Sitzhaltung auf dem Stuhl oder Sessel, so als würden Sie sich von außen sehen. Lassen Sie Körper und Geist einfach so sein, wie sie jetzt sind.
• Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit dann auf Ihren Atem. Achten Sie darauf, wo Sie den Atem am stärksten spüren. Manche Leute fühlen ihn besonders an den Nasenöffnungen, vielleicht als kühle Brise über der -Oberlippe. Andere nehmen stärker das Heben und Senken des Brustkorbs wahr und wieder andere spüren ihren Atem am deutlichsten im Bauchraum, wenn sich der Bauch beim Einatmen ausdehnt und beim Ausatmen zusammenzieht. Finden Sie heraus, wo Sie Ihren Atem am besten wahrnehmen können.
• Achten Sie nun darauf, wann Sie den Atem am stärksten spüren: beim Ausatmen oder beim Einatmen. Ist die Wahrnehmung in etwa gleich, konzentrieren Sie sich auf eines von beiden. (Der Einfachheit halber gehe ich ab jetzt davon aus, dass Sie sich auf das Ausatmen und die Nase konzentrieren.)
• Achten Sie nun auf Ihr Gefühl bei Ausatmen. Spüren Sie, wie die Luft jedes Mal durch die Nasenlöcher ausströmt. Machen Sie dann beim Einatmen ein bisschen „Urlaub“ und lassen Sie in dieser Pause einfach alles so sein. Spüren Sie Ihren Atem jetzt wieder beim Einatmen.
• Der Körper atmet Sie. Das tut er sowieso automatisch. Nehmen Sie einfach bei jedem Ausatmen bewusst den Luftstrom in der Nase wahr.
• Ihre Gedanken werden immer wieder von der bewussten Wahrnehmung des Atems abschweifen. Machen Sie sich darüber keine Sorgen. Wenn Sie merken, dass Sie mit den Gedanken woanders sind, kehren Sie einfach wieder zur Empfindung des Ausatmens durch die Nase zurück.
• Werfen Sie einen kurzen Blick auf Ihre Armbanduhr. Falls Sie noch ein paar Minuten Zeit haben, konzentrieren Sie sich jetzt bei jedem Atemzug auf die Bewegung Ihres gesamten Oberkörpers. Denken Sie nicht zu viel darüber nach. Spüren Sie einfach die Lebendigkeit und Bewegung Ihres Körpers beim Atmen.
• Öffnen Sie nach 15 Minuten langsam die Augen. Richten Sie den Blick nach unten und genießen Sie die Stille des Augenblicks, bevor Sie sich wieder anderen Dingen zuwenden.
Wahrscheinlich haben Sie bei dieser Übung bemerkt, dass ständig mentale und emotionale Prozesse ablaufen. Es ist sehr schwierig, inmitten all dieser konkurrierenden Gedanken und Gefühle beim Atem zu bleiben. Kaum haben wir uns voll auf das Ausatmen konzentriert, sind wir auch schon wieder geistesabwesend und folgen einem neuen Gedankengang. Vielleicht haben Sie gerade gedacht: „Oh, das ist ein schöner Atemzug“ und waren beim Einatmen bereits mit einer anderen Körperempfindung oder Ihren Plänen für den Tag beschäftigt. Richten wir unsere Aufmerksamkeit auf ein gleichbleibendes, neutrales Objekt (anstatt auf etwas Neues oder Herausforderndes), wendet sich unser Gehirn sehr schnell anderen Dingen zu.
Durch das achtsame Wahrnehmen des Atems können wir uns darin üben, auf ein einziges Objekt konzentriert zu bleiben, aber Sie sollten nicht erwarten, dass Ihre Aufmerksamkeit unerschütterlich auf den Atem gerichtet bleibt. So funktioniert unser Gehirn nicht. Kehren Sie mit der Aufmerksamkeit einfach immer und immer wieder zum Atem zurück, wenn Sie feststellen, dass Ihre Gedanken abschweifen. Das ist alles. Denken Sie an den Zen-Spruch: „Wenn du sechs Mal hinfällst, stehe ein siebtes Mal auf.“ Leute, die behaupten: „Ich kann nicht meditieren“, gehen wahrscheinlich von der falschen Annahme aus, dass sie sich intensiver konzentrieren müssten.
Ablenkungen sind Teil der Meditation. Wir sollten jeden Augenblick, in welchem wir eine Ablenkung als solche erkennen, СКАЧАТЬ