Razzia. Horst Bosetzky
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Название: Razzia

Автор: Horst Bosetzky

Издательство: Автор

Жанр: Исторические детективы

Серия:

isbn: 9783955520205

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СКАЧАТЬ er nicht zu Hause.

      In dieser Sekunde erblickte er seinen Sohn. Karl-Heinz stand neben einem untersetzten jungen Mann, der einem GI einen vergoldeten Sportpokal hinhielt, und spielte den Dolmetscher vom Deutschen in eine Sprache, die er für Englisch hielt. «From ze German football … Zis was for ze winner of ze Berlin Cupfinal … Some years before ze war. To ze Nazizeit, do you know?»

      Der Handel kam nicht zustande, und als Karl-Heinz dem Jeep des Besatzungssoldaten hinterherblickte, erkannte er seinen Vater und seine Tante. Sehr begeistert schien er nicht zu sein. «Willste mich verhaften, und der RIAS ist dabei?»

      Auch Kappe hätte diese Begegnung lieber vermieden, aber nun ließ es sich nicht ändern. «Du, ich bin immer noch bei der Mordkommission … Und du hast hoffentlich niemanden auf dem Gewissen.»

      «Doch. Und das ist mein erstes Opfer.» Er zeigte auf seinen Begleiter. «Helmut Trompale. Mein Sparringspartner beim Boxen.»

      «Freut mich», sagte Kappe, drückte dem jungen Mann die Hand und stellte sich und seine Begleiterin vor.

      Hertha Börnicke sah Karl-Heinz mit großen Augen an. «Was, du bist jetzt beim Boxen?»

      «Ja, bei Karl Schwarz in seiner Boxschule.»

      «Das hat er von mir gelernt», sagte Kappe. «Ich hab doch in den letzten Jahren nichts weiter getan, als mich so durchzuboxen durchs Leben.» Die Frage, die ihm noch auf der Zunge lag, stellte er lieber nicht: wie andere Menschen reagierten, wenn Karl-Heinz in den Ring stieg und zu sehen war, dass unter seiner linken Achsel seine Blutgruppe eintätowiert war – was ihn als ehemaligen SS-Mann entlarvte. Aber vielleicht boxte er in einem langärmligen Hemd …

      «Wann ist denn dein erster Kampf?», wollte Hertha Börnicke von Karl-Heinz Kappe wissen.

      «Nächstes Jahr vielleicht.»

      «Na, da komme ich hin!»

      Kappe war schon immer ein Freund des Boxsports gewesen, aber einen Kampf seines Sohnes hätte er sich gern erspart. Klara und er hatten früher davon geträumt, dass ihr Jüngster etwas Akademisches würde, Diplom-Ingenieur, Arzt oder Staatsanwalt.

      «Was macht ihr’n hier?», fragte sein Sohn.

      Kappe kam direkt zur Sache. «Ich suche nach jemandem, der einen gewissen Peter Rembowski gekannt hat.»

      Sein Sohn grinste. «Ah, Auftrag von meiner Atze!»

      «Von wem?»

      «Von meinem Bruder, von Hartmut. Der darf nicht mehr im Westsektor ermitteln, und da hat er dich gebeten … Nee, du, keene Ahnung, wer den Langen auf’m Gewissen haben könnte.»

      «Du hast ihn also gekannt?»

      Sein Sohn nickte. «Ja, der hat mit Tabak gehandelt, und ich hab ihm mal geholfen dabei. Nicht hier, sondern hinten am Schlesischen Tor.»

      «Und – weißt du was über Rembowski, das Hartmut weiterhelfen könnte?»

      «Nee …» Sein Sohn hatte jetzt den Ring an der Hand seiner Tante entdeckt. «Mensch, wenn du den verscheuern willst, dann helf ich dir dabei. Zehn Prozent!»

      EIN FREIES FELD. Schneebedeckt. Je schneller er laufen wollte, desto tiefer sank er ein. Ringsum gab es kleine Anhöhen. Russische Soldaten standen dort und feuerten auf ihn. Wie auf einen Hasen. Und wie ein Hase suchte er sich dadurch zu retten, dass er wilde Haken schlug. Die Russen lachten nur höhnisch und machten sich einen Spaß daraus, so zu zielen, dass die Kugeln ganz dicht an seinem Kopf vorbeipfiffen, ohne ihn aber zu treffen. Noch nicht. «Du Mörder!», schrien sie. «Mörder, Mörder!» Da durchschlug eine Kugel seine Luftröhre. Er röchelte, er war am Ersticken.

      Helmut Trompale fuhr schreiend auf und tastete nach der Nachttischlampe. «Scheiße!» Immer wieder derselbe Alptraum. Es ärgerte ihn, dass er ihn nicht besiegen konnte, nicht auslöschen ein für alle Mal. Er war schließlich Boxer und hart im Nehmen. Und in Wirklichkeit hatte die feindliche Kugel ihn nur seitlich am Hals getroffen, ohne Schlagader und Luftröhre zu zerfetzen. Am Dnjepr war es gewesen, am 4. Dezember 1943. Er war danach zum

      XXII. Festungs-Infanterie-Bataillon 999 gekommen und hatte das Kriegsende als Obergefreiter in der Schreibstube erlebt. Niemand war bisher gekommen, um ihn dafür anzuklagen, dass er mit seinem Kommando Hunderte von Partisanen erschossen hatte. Die Kameraden, mit denen er sprach, meinten auch, dass ihnen nichts passieren werde, es habe sich schließlich um einen Befehlsnotstand gehandelt.

      Er wohnte in der Mariannenstraße, ein paar hundert Meter von der Kottbusser Brücke entfernt, also im Bezirk Kreuzberg, der wie Neukölln, Schöneberg, Tempelhof, Steglitz und Zehlendorf zum amerikanischen Sektor gehörte. Er selbst aber sprach nie von Kreuzberg, sondern immer nur von SO 36, dem Kiez zwischen dem zugeschütteten Luisenstädtischen Kanal und dem Landwehrkanal, der seinen Namen vom Postzustellbezirk Südost 36 herleitete. Man grenzte sich stets ab von jenen anderen Kreuzbergern, die im vornehmeren Zustellbezirk SW 61 zu Hause waren. Trompale war 25 Jahre alt, hatte den Beruf des Kalligraphen erlernt, arbeitete aber derzeit bei einer Schildermalerfirma in der Hobrechtstraße. Wenn er denn arbeitete. Der Handel auf dem schwarzen Markt war nämlich erheblich lukrativer.

      Heute am Montag hatte er noch weniger Lust, zur Arbeit zu gehen, als sonst. Er brauche eine Frau, die ihm bei Bedarf in den Hintern treten würde, sagten seine Freunde schon seit langem, doch er hatte die Richtige erst letzten Herbst kennengelernt: Marianne. Die würde ihn schon an die Kandare nehmen und dafür sorgen, dass er regelmäßig zur Arbeit und zum Training ging.

      Ein Blick auf seinen Wecker zeigte ihm, dass es bereits elf Uhr geworden war. Nun hatte es auch keinen Sinn mehr, in die Firma zu gehen. Sein Chef lag ohnehin im Krankenhaus. Er traf sich lieber wieder mit Karl-Heinz Kappe und half dem bei seinen Geschäften. Aber das hatte noch Zeit. So drehte er sich wieder zur Seite, um noch eine Runde zu schlafen.

      Die Klingel im Flur ließ ihn zusammenfahren. Gott, die Polizei! Nein, es war die Chefin. Ihre Stimme war unverkennbar und nicht zu überhören. «Helmut, bitte kommen Sie in die Werkstatt, da ist ein dringender Auftrag zu erledigen!»

      Was bei der dringend war, das wusste er. Aber mit ihr jetzt zu pimpern, das konnte er Marianne nicht antun. Die Zeiten waren vorüber. Endgültig. Also rief er ihr nur zu, dass ihm schlecht sei, er aber bis Mittag in der Hobrechtstraße sein würde. Grummelnd zog sie wieder ab.

      Er ging in die Küche, um sich über dem Ausguss zu rasieren. Lange betrachtete er sein Gesicht im Spiegel. Sah so ein Mörder aus? Nein. Die Rasur verlief nicht ohne Verletzungen, denn die Seife war schlecht und die Rasierklinge stumpf. Einen Alaunstift hatte er nicht. Nun gut. Er röstete sich zum Frühstück zwei Scheiben klitschigen Brotes auf seiner Kochplatte und bestrich sie mit Melasse. Dann machte er sich auf den Weg zur Arbeit. Weit hatte er es nicht. Die Mariannenstraße mündete in den Kottbusser Damm. Die Notbrücke über den Landwehrkanal war zur überqueren, die alte war in den letzten Kriegstagen gesprengt worden und lag noch immer im Wasser. Ein paar hundert Meter ging es nun das Maybachufer entlang. Dort am Steg überwinterte der Ausflugsdampfer, mit dem er schon öfter zur Woltersdorfer Schleuse gefahren war. Wenn er wieder einmal an Bord ging, dann mit Marianne.

      Mariandl-andl-andl,

      aus dem Wachauer Landl-Landl.

      Dein lieber Name klingt

      schon wie ein liebes Wort.

      Mariandl-andl-andl,

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