Operation Gold. Petra Gabriel
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Название: Operation Gold

Автор: Petra Gabriel

Издательство: Автор

Жанр: Исторические детективы

Серия:

isbn: 9783955520199

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СКАЧАТЬ Reger sein Asketengesicht leicht zu etwas verzogen, von dem Marie annahm, dass es ein Lächeln sein sollte, ihr auf die Schulter geklopft und gesagt: «Dann mal los, Mädchen!» Darüber hinaus hatte er sie auf ihre flehentliche Bitte hin als «Aushilfe zur Probe» zu dem Prozess ins Moabiter Kriminalgericht abgeordnet. «Also gut, wenn Sie das derart interessiert! Ist vielleicht nicht mal schlecht. Corvus ist unser Mann für die GladowProzesse. Passen Sie gut auf, von dem Können des Kollegen können Sie sich eine Scheibe abschneiden!»

      Erst Tage später begriff Marie, dass der Tagesspiegel wegen der Insellage West-Berlins in diesen Tagen ums Überleben kämpfte. Die Anzahl der Abonnements war seit der Gründung der beiden deutschen Staaten und wegen der Schwierigkeiten während der Berlin-Blockade in den Keller gerauscht, im Osten lasen sie andere Blätter. Einige gute Leute waren gegangen, im Ullsteinhaus auf dem Tempelhofer Feld herrschte nicht nur ein finanzieller, sondern auch ein personeller Engpass. Sie war gerade im richtigen Moment aufgetaucht – eine Anfängerin zwar, deswegen aber auch nicht zu teuer. Und vor allem keine Festangestellte, sondern eine Freiberuflerin.

      Hans Corvus war an diesem Morgen jedoch verhindert. Plötzlicher Zahnarzttermin, hatte er ausrichten lassen. Er würde aber bald nachkommen. Marie gestand sich ein, dass sie froh darüber wäre, wenn er endlich eintrudelte. Denn sie schwamm gehörig, obwohl sie sich gestern im Archiv noch schnell in die Fakten eingearbeitet hatte. Es war nämlich schon der zweite Prozesstag, auf der Tagesordnung standen Zeugenvernehmungen. Und sie verstand fast nichts. Wegen der schlechten Akustik im Gerichtssaal verrauschte jedes gesprochene Wort zu einem Raunen. Sie musste sich zusammenreißen. Vielleicht würde sie heute dem Mann begegnen, nach dem sie schon so lange suchte – ihrem Stiefvater, Dieter Krug, der heute als Zeuge aussagen sollte.

      Die Angeklagte in diesem Verfahren hieß Sigrid Dehne. Ihr wurde schwerer Raub in Tateinheit mit versuchtem Mord vorgeworfen. Sie sollte Mitglied der berüchtigten Gladow-Bande gewesen sein und im April 1949 beim Überfall auf einen Kaufmann mitgemacht haben, zusammen mit dem Bandenchef Werner Gladow und drei Komplizen, darunter dem Henker-Hannes.

      Inzwischen war es bald zwölf, und Marie wusste aus den laufenden Zeugenbefragungen immerhin, die junge Frau mit dem ziemlich unerotischen Namen Sigrid Dehne nannte sich im Berufsleben Jane, nach ihrem großen Vorbild, der US-Schauspielerin Jane Wyman, und war Prostituierte. Und zwar trotz ihrer Jugend – oder vielleicht gerade deswegen – eine Prostituierte der besseren Art und zudem sehr beliebt bei ihren Kolleginnen, von denen drei Stein und Bein schworen, dass die Jane so was nie und nimmer getan habe. Sie sei die Sanftmut in Person. So viel zumindest hatte Marie mitbekommen.

      Sie starrte auf ihren Block. Da stand bisher nichts. Hoffentlich war dieser Hans Corvus nicht allzu streng. Sie kannte ihn noch nicht. Du liebe Güte – wenn er sah, dass sie bisher nichts notiert hatte, dann musste sie sich ja zu Tode schämen.

      Sigrids Freier aus den gehobenen Kreisen, von denen an diesem Morgen immer mal wieder die Rede gewesen war, würden erst am Nachmittag aussagen, natürlich nicht öffentlich, damit die Herren nicht kompromittiert würden. Das galt auch für Dieter Krug. Bei diesem Namen krampfte sich wie immer ihr Magen zusammen. Irgendwann würde sie dem Mann heimzahlen, was er ihrer Mutter angetan hatte.

      Da es sich bei der 5. Großen Strafkammer nicht um ein Jugendgericht handelte, musste diese Sigrid Dehne mindestens achtzehn Jahre alt sein. Sie sah jedoch aus wie sechzehn, ein halbes Kind. Vielleicht hatte sie sich auch älter gemacht, um zum Anschaffen gehen zu können, und kam nun aus der Nummer nicht mehr heraus. Arme Kleine. Zierlich und völlig ungeschminkt saß sie da auf ihrem Armesünderstühlchen und wirkte, als könne sie kein Wässerchen trüben. Marie betrachtete die junge Frau. Unvorstellbar – diese so verletzlich wirkende Jane sollte an einem derart brutalen Überfall beteiligt gewesen sein? Ob sie wohl die Gelegenheit erhielt, mit ihr zu reden? Wenn sie ihre Sache gut machte, würde sie vielleicht weitere Aufträge für diesen Prozess und andere Themen bekommen. Und die brauchte sie unbedingt, um in Berlin bleiben und mit Hilfe ihrer Stellung als Tagesspiegel -Reporterin auch noch ihre eigenen Nachforschungen anstellen zu können.

      Marie wurde zunehmend nervös. Ob dieser angekündigte Zeuge wirklich der Dieter Krug war? Ob sie ihn trotz der nichtöffentlichen Vernehmung irgendwie zu Gesicht bekommen konnte? Sie musste in der Mittagspause unbedingt versuchen, den Referendar zu erwischen, den der Staatsanwalt mitgebracht hatte. Er sah nett aus.

      Der Vorsitzende Richter donnerte mit dem Hammer auf den Tisch, Marie schreckte hoch. Mittagspause. Vielleicht kam jetzt eine Gelegenheit, etwas mehr zum Fall und zu den Zeugen zu erfahren.

      «Na, Schwierigkeiten? Keine Bange, das wird schon. Das geht anfangs vielen so. Besonders bei Fällen wie diesem.»

      Marie hatte ihren Sitznachbarn bisher nicht beachtet. Sie drehte den Kopf zu ihm. «Wie kommen Sie darauf?», erwiderte sie eisig.

      Er ließ sich nicht beirren und tippte mit dem Finger auf ihren leeren Block. Dann grinste er. «Nun, da steht herzlich wenig.»

      «Kümmern Sie sich um Ihren eigenen Kram!», fauchte Marie zurück.

      «Oh, entschuldigen Sie, gnädiges Fräulein! Ich wollte nicht aufdringlich werden. Nur helfen. Gestatten Sie, John, John Weißbrot. Ich bin Amerikaner, Mitarbeiter von Generalmajor Maxwell Taylor, Sie wissen schon, dem Kommandanten des amerikanischen Sektors und der alliierten Truppen in Berlin. Ich kenne hier viele der Juristen. Ich hätte Sie mit einigen bekannt machen können, die Ihnen weiterhelfen. Aber wenn Sie keinen Wert darauf legen …»

      Doch! Das war genau die Hilfe, die sie brauchte. Dafür würde sie sogar diesen unverschämten Kerl in Kauf nehmen, dachte Marie und schaute genauer hin. Eigentlich sah er ganz gut aus, trotz der GI-Frisur. Das spitzbübische Grinsen gab ihm etwas Jungenhaftes. Und ein Grübchen im Kinn hatte er auch. Sie schmolz in schöner Regelmäßigkeit dahin, wenn ein Mann ein Grübchen im Kinn hatte. «Doch, doch», sagte sie schnell und versuchte sich in einem versöhnlichen Lächeln.

      «Na, dann wollen wir mal! Viele Anwälte, Referendare und Zeugen stehen in der Pause vor dem Saal auf der Galerie oben in der Haupthalle, nahe dem Scheitel der schönen Kuppel, you know. Dort, wo die Tierkreiszeichen weiß und golden blinken – sozusagen als Mahnung, dass über diesem irdischen Jammertal allein der Himmel regiert.»

      «Auch noch ein Romantiker», erwiderte sie trocken und wunderte sich, dass er so gut Deutsch sprach. Das ließ in Verbindung mit seinem Nachnamen nur einen Schluss zu. Doch sie kannte ihn nicht, und sie konnte ihn wohl kaum fragen, ob er aus einer ausgewanderten jüdischen Familie stammte.

      Vor dem Saal steuerte Maries neuer Bekannter auf den Verteidiger der Prostituierten Jane zu. Der stand auf einer der grünblau belegten, messinggefassten Steinstufen, hatte sich zur Saaltür hin ans Geländer gelehnt und sagte gerade zu einem kompakt wirkenden älteren Herrn: «Was meinen Sie, wie’s ausgeht, Herr Kriminaloberkommissar?»

      Der Angesprochene zuckte die Schultern. «Selbst unsereiner hat es schwer, so was einzuschätzen. Ich kann nur sagen, was ich von diesem Zeugen, diesem Schlüter, gehört habe. Vielleicht hilft das ja Ihrer Mandantin.»

      «Sie auch hier, Kappe? Lange nicht gesehen!», orgelte Maries neuer Bekannter und tippte dem untersetzten Kriminaloberkommissar auf die Schulter.

      Der drehte sich um. «Ah, der Pilot! Schön, Sie mal wieder zu sehen. Schnieke Bomberjacke!» Eines seiner vergissmeinnichtblauen Augen zwinkerte dem Amerikaner zu.

      Dieser Kappe musste um die sechzig sein, schätzte Marie. Aber das war schwer zu sagen, er hatte ein fast faltenloses, noch immer rundes Kindergesicht, und seine Nase war wie ein kleiner Knubbel. Der Mann wirkte gemütlich. Nur der Blick verriet, dass er schon viel gesehen haben musste. Marie hatte den Eindruck, dass diesen wachen Augen nichts entging.

      Moment, СКАЧАТЬ