Das letzte Sandkorn. Bernhard Giersche
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Название: Das letzte Sandkorn

Автор: Bernhard Giersche

Издательство: Автор

Жанр: Контркультура

Серия:

isbn: 9783943795745

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СКАЧАТЬ der von ihr gewollt?

      Sie bekam das nicht wirklich in den Kopf. Sie wollte einkaufen. Ja. Das wollte sie. Da war ein Supermarkt. Und der dicke Mann. Und ein dunkles Auto und dann Krach, Bumm, Peng.

      »Ich muss die Polizei rufen!«. Der erste vernünftige Gedanke.

      Ihr Handy lag allerdings im Wagen, und so fasste sie sich ein Herz und kroch zu dem Trümmerhaufen zurück. Sie blickte in das Innere

      des Autos und sah ihr Mobiltelefon auf dem stoffbespannten Himmel des Polo liegen, der jetzt den Boden bildete. Es gelang ihr, ihren Arm so weit in das Auto zu schieben, dass sie ihr Handy greifen und an sich nehmen konnte. »Kein Netz«, lautete die Botschaft auf dem Display.

      Evelyn Passmann nahm einen tiefen Atemzug und zog sich am Radkasten des Polo auf die Beine. Dann wandte sie sich Richtung Straße, und zwar genau in dem Augenblick, in dem ein Lastzug, von rechts aus Richtung des Fährterminals kommend, mit vollen neunzig Stundenkilometern einen entgegenkommenden Bus rammte. Ein infernalisches Krachen rollte heran. Das Führerhaus des Lastwagens faltete sich wie ein Akkordeon, der Bus wurde aus ihrem Blickfeld geworfen, während der Lastzug mit der zerstörten Zugmaschine von der Straße gerissen wurde und geradewegs auf sie zuschoss.

      Fast die Hälfte der dreißig Meter von der Landstraße bis zu ihr legte das vierzig Tonnen schwere Geschoss im freien Flug zurück. Wie erstarrt stand Evelyn da, und bevor sie auch nur einen einzigen Muskel aktivieren konnte, rollte der Koloss dicht an ihr vorbei und kam unweit des winzig wirkenden Polos völlig zertrümmert zur Ruhe. Der Gestank von Diesel und verbranntem Gummi mischte sich mit dem der Gülle. Ein Dreckregen ging auf sie nieder, und wenn es bislang noch eine saubere Stelle an ihr gegeben hatte, war diese nun auch beseitigt.

      Der ohnehin schwere Schock, ausgelöst durch ihren eigenen Unfall, verstärkte sich noch und das Bild dieses roten, fleischfarbenen, zappelnden Flecks an der total zerstörten Stelle, an der man das Fahrerhaus des Sattelschleppers vermuten konnte, brannte sich in ihr Gedächtnis.

      Sie sackte auf die Knie, und der Schmerz, den sie verspürte, holte sie in die Realität zurück, bevor sie erneut die Besinnung verlor.

      Der Sattelzug stand auf seinen Rädern, die sich trotz der Trockenheit bis zu den Achsen in den Acker gegraben hatten. Sie sah nur noch die Rückseite des Aufliegers, und das einzige Geräusch, das sie vernahm, war das Zischen der sich entleerenden Luftdruckbehälter des Bremssystems.

      Sie stand wieder auf und taumelte barfuß auf die Straße zu – ihre Schuhe hatte sie schon im Polo verloren – noch größerem Schrecken entgegen.

      Sie hatte die Straße erreicht und schaffte es, die kurze Böschung hinaufzuklettern. Der Asphalt war übersät von verbogenen Fahrzeugteilen. An der Stelle, an der der Zusammenprall von Bus und LKW erfolgte, war auf der Fläche von über einem Quadratmeter der Fahrbahnbelag aufgerissen und gab den Blick auf hellen Schotter frei. Ölige Lachen und tiefe Riefen auf dem Asphalt bildeten mit dem Trümmerfeld eine surreale optische Komposition, die von Evelyn wie ein Bild in einer Vernissage betrachtet wurde.

      In ihrem Schockzustand nahm sie das Grauen dieses Ortes nicht mehr bewusst wahr.

      Das völlig zerrissene Wrack des Busses lag 50 Meter weiter auf der gegenüberliegenden Seite der Straße.

      Die Reifen zeigten in ihre Richtung und von dort kam keinerlei Lebenszeichen. Sie wäre eher gestorben, als zu dem zerstörten Linienbus zu laufen.

      Wo blieben nur die Polizei und die Feuerwehr, die Krankenwagen, die Hubschrauber und die Schaulustigen? Sie hatte noch in ihrem Kopf, dass hier reger Verkehr geherrscht hatte und es immer wieder zu Staus kam, weil die Fähren, die kaum zwei Kilometer von hier Richtung Dänemark ausliefen, die Mengen an Fahrzeugen kaum zu transportieren vermochten. Jetzt herrschte hier gespenstische Ruhe. Das hatte sie kaum bewusst gemacht, als sie eine heftige Detonation aus Richtung des Fährhafens hörte. Erst gab es eine Art Grummeln, lauter werdend, und dann einen heftigen Schlag, wie bei einem mächtigen Gong. Sie riss den Kopf in die Richtung, aus der dieser Krach zu hören war und sah einen Glutball in den Himmel steigen, vom Aussehen her wie eine kleine Nuklearexplosion.

      Gewaltige, tiefschwarze Qualmwolken folgten dem dunkler werdenden Feuerball und verschlangen ihn schließlich.

      Das Weinen kam urplötzlich aus ihr heraus. Sie legte sich auf den warmen, stinkenden und von Trümmern übersäten Asphalt und zog die Knie an. Evelyn lag dort minutenlang schluchzend und wiegte sich selbst hin und her. Und sie betete, betete zu Gott, er möge sie aus diesem Alptraum befreien.

      In dem Buswrack begann jemand laut zu schreien, das einzige Geräusch in dieser grauenvollen Kulisse.

      Kleine, schwarze Ascheflocken tanzten durch die Luft.

      Ein fernes metallisches Knirschen und Quietschen zeugte vom Untergang einer Fähre am Terminal, aber sie hörte es nicht. Und sie sah auch nicht die Menschen, die wie Ameisen aus dem Dorf strömten, zu Fuß, mit dem Auto oder mit Fahrrädern.

      Dasselbe Dorf, in dem sie noch vor einer halben Stunde Seidenstrümpfe, eine Zahnbürste und eine Kleinigkeit zum Essen kaufen wollte. Sie ahnte nichts von ihrem Glück, nicht überfahren worden zu sein, denn es waren fast hundert Autos, die an ihr vorüberfuhren.

      Gnädige Ohnmacht hatte sie erneut umfangen.

      Denn von nun an über sieben Tage will ich regnen lassen auf Erden vierzig Tage und vierzig Nächte und vertilgen von dem Erdboden alles, was Wesen hat, was ich gemacht habe.

      1.Mose 7,4

      Offensichtlich waren alle wahnsinnig geworden. Er selbst war noch ganz erschüttert von dem, was sich vor wenigen Minuten in seinem Kopf zugetragen hatte, und dennoch konnte er sich damit zur Zeit nicht befassen, denn er war damit beschäftigt, zu überleben.

      Er hatte in seinem Büro gesessen und gerade Darlehnsanträge bearbeitet, als die Hölle losbrach. Im Filialraum der Bank entstand zum selben Zeitpunkt ein lauter Tumult, als die Nachricht des Allmächtigen endete.

      Laute Rufe, das Scheppern umstürzender Blumentöpfe und Aufsteller für Werbeplakate. Gerade wollte er aufstehen, um zu schauen, was draußen los war, da kam ihm in den Sinn, dass seine Bank wohl gerade überfallen wurde, und er drückte mit zitternden Händen den Alarmknopf an seinem Telefon. Der stille Alarm würde die nächste Polizeistation alarmieren und hoffentlich würden dann sehr schnell die Beamten hier sein, um die Situation zu bereinigen.

      Plötzlich wurde die Tür zu seinem Büro aufgerissen und einer seiner Mitarbeiter stürzte herein. »Was...« konnte Laurenz Beck noch rufen, bevor der Bankbedienstete über seinen Schreibtisch hechtete und ihm die Hände um den Hals legte.

      Durch den Anprall rutschte der Bürostuhl auf seinen Rollen weit nach hinten und prallte gegen den Heizkörperan der Wand. Der Griff um seinen Hals lockerte sich und Laurenz Beck schlug hysterisch nach dem Angreifer, dessen wutverzerrtes Gesicht er dicht vor sich hatte.

      Der Regionalleiter und Bankmanager Laurenz Beck rutschte nun von seinem Drehstuhl und fiel zusammen mit dem Bankmitarbeiter, der ihm aus unerfindlichen Gründen vehement nach dem Leben trachtete, zu Boden. Wieder legten sich die Hände des Mannes um seinen Hals, aber diesmal gelang es Laurenz Beck, den Angreifer durch einen festen Schlag gegen das linke Ohr für einen Moment zu lähmen. Er trat und schlug wie besessen auf den Mann ein, dessen Name Frank Wilhelmsen war, und der eigentlich Berater für Kleinkredite und Devisengeschäfte und sonst ganz nett war.

      Es СКАЧАТЬ