Das letzte Sandkorn. Bernhard Giersche
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Название: Das letzte Sandkorn

Автор: Bernhard Giersche

Издательство: Автор

Жанр: Контркультура

Серия:

isbn: 9783943795745

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СКАЧАТЬ Straße, was mich in den Augen der Anrainer zum Sozialfall abgestempelt hatte.

      Gewissenhaft verschloss ich die Haustür und ging die wenigen Schritte zu meinem Auto, das auf der nunmehr leeren Straße irgendwie verlassen wirkte.

      Während ich den Wagen startete, fasste ich zusammen: Wir hatten Stromausfall, und das hatte wohl Auswirkungen auf das Fernsehen, jedenfalls wurde nichts mehr gesendet.

      Moment ... erst war das Fernsehen futsch gewesen und dann der Strom. Egal, hängt wohl zusammen. Kaum, dass ich den Zündschlüssel gedreht hatte, knallte mir Deep Purple um die Ohren.

      »Smoke on the water, a fire in the sky«.

      So viel also zum Sender-Blackout. Alles nur wegen des Stromausfalls, schloss ich und legte den ersten Gang ein.

      Etwas erleichtert fuhr ich los, mehr neugierig als besorgt, um herauszufinden, wohin alle meine lieben Nachbarn gefahren waren. Ich nahm also denselben Weg Richtung Kiel und hatte nach wenigen Minuten das Dorf verlassen und war nun unterwegs in Kronshagen, einem Vorort der Stadt. Ich passierte die Feuerwache mit ihren geschlossenen Toren, hinter deren Milchglasscheiben ich die roten Rettungsfahrzeuge schemenhaft erkennen konnte. Nur wenige Autos waren unterwegs, und alle fuhren in meine Richtung.

      Smoooooooooooooooo ... das O aus der Kehle des Sängers zog sich zu einem endlosen Ton und penetrierte meine Ohren. Dabei lag ein seltsames Timbre auf dem O, als wären Deep Purple während der Aufnahme mit einem Van in hoher Geschwindigkeit über Bahnschwellen gefahren und hätten so diese spezielle Vibration erzeugt.

      Ich schlug entnervt gegen das Radio und dieses warf wie zum Hohn eine CD aus.

      Was folgte, war atmosphärisches Rauschen. So viel zum Thema Radio und Fernsehen und Stromausfall.

      Der automatische Suchlauf ratterte alle Frequenzen rauf und runter und ich starrte entsetzt auf die gewaltige Rauchsäule, die ihren Ursprung im Zentrum Kiels zu haben schien.

      Man muss wissen, dass das Herz der Stadt unmittelbar an der Kieler Förde liegt. Der spitze Meerbusen endet am Rande des Stadtkerns. Ich liebte diese Symbiose aus Innenstadt und maritimer Note. Die riesigen Ostseefähren, die von hier aus Richtung Skandinavien abdampften, erhoben sich majestätisch über die Gebäude der Stadt und den Hauptbahnhof.

      Aber angesichts dieser Wand aus schwarzem, waberndem Rauch, war von diesem Charme nichts mehr wahrzunehmen.

      Ich dachte gerade darüber nach, warum die Feuerwehrautos alle noch in Reih und Glied in ihrer Garage standen, als ein sehr lauter und scharfer Knall diesen Gedankengang unterbrach.

      Ein etwa ein Zentimeter großes Loch war wie von Zauberhand in meiner Windschutzscheibe entstanden, und noch bevor ich begriff, was da geschehen war, folgten weitere Löcher, die unter lautem, peitschendem Getöse meine Scheiben perforierten. Verdammt, da schoss doch jemand auf mein Auto. Auf mich, auf meine Realität, auf mein Wertesystem, auf meine Seele, auf mich, mich, mich! Amoklauf oder so was, und ich mittendrin.

      Ich bin Versicherungsagent und eine elende Couchpotatoe. Ich wohne in einem Kuhdorf in der Nähe von Kiel. Hier schießt man nicht. Im verdammten Fernsehen schießt man.

      Nicht hier in meiner Welt. In Afghanistan oder Tschetschenien schießt man. Nicht in Dörfern in der Nähe von Kiel.

      Und auch, wenn der Hauptbahnhof da zu brennen schien und vielleicht auch mehr, war das kein Grund, ich wiederhole: kein Grund, auf mich zu schießen.

      Und auch nicht auf mein Auto und überhaupt auf niemanden, außer vielleicht auf denjenigen Idioten, der da versucht hat, Kiels Stadtzentrum abzufackeln.

      Ich trat die Bremse bis zum Bodenblech durch und trotz ABS quietschten die Reifen. So eine Scheiße, war ich hier in Hollywood oder was? Ich hatte keinerlei Lust auf so etwas.

      Rechts vor mir lag die Einmündung einer Straße und ich riss noch während der Vollbremsung das Lenkrad herum und trat anschließend das Gaspedal wieder voll durch ... theoretisch eine gute Idee ... praktisch jedoch hüpfte mein malträtierter Renault im Schneckentempo auf die Straßenmündung zu. Im fünften Gang anzufahren hatte sich nicht bewährt und ans Herunterschalten dachte ich in dieser unheilvollen Sekunde nicht, was mir noch mehr Löcher, diesmal in den Seitenscheiben, einbrachte. Carglass repariert, Carglass tauscht aus. Als hätte sich ein irrsinnig komisches Männchen in meinem Hirn eingenistet und würde nun den höchst geistreichen Werbeslogan der Autoscheibenmafia singen. Ob so etwas bei Chuck Norris auch im Kopf vorgeht, wenn er eines seiner großen Abenteuer erlebt? Endlich war ich mit meinem Wagen aus der Schusslinie gehüpft und knurrend und hustend beschleunigte das Auto.

      Mein Puls raste und ich spürte die Mutter des Tinnitus in meinen Ohren.

      Der Fahrtwind blies mir ins Gesicht und erzeugte in den Löchern der Scheiben schrille Pfeifgeräusche. Wo war die Polizei, wo die Feuerwehr, wo die verdammte Presse? Die Straße lag ruhig vor mir und dennoch hatte ich so eine Art Déjà-vu.

      Bei vielen Häusern, die die Straße säumten, standen die Haustüren offen. Nur wenige Autos standen am Straßenrand, und kein Mensch war zu sehen.

      Ich raste nun, mein Flensburger Punktekonto verdrängend, durch die Stadt und atmete erst auf, als ich ein Ortsausgangsschild passierte und die Gefahr, in meinem Wagen wie ein Patrone der Mafia erschossen zu werden, abnahm.

      Als Weltuntergang wird ein natürlich auftretendes, übernatürliches oder künstlich herbeigeführtes Ereignis bezeichnet, das die Menschheit, den Planeten Erde oder das Universum insgesamt vernichtet oder zumindest die herrschenden Lebens- und Begleitumstände massiv und desaströs zum Negativen verändert.

      Wikipedia

      Als sie die Botschaft ihres Herrn erhielt, war Evelyn Passmann gerade mit dem Auto unterwegs, um letzte Besorgungen zu machen. Schon heute Nachmittag sollte es mit der Fähre Richtung Kopenhagen gehen.

      Das letzte Nest vor dem Fährterminal nannte sich Puttgarden und war völlig überfüllt mit dänischen und deutschen Touristen, die hier ihre Besorgungen machten. Die Dänen kauften Bier und Schnaps, , um so der hohen Alkoholsteuer in Skandinavien zu entgehen. Kontrollen waren eher selten und so bog sich manche Sack-Karre unter der Last der transportierten Alkoholika.

      Die Deutschen kauften ebenfalls Bier und Schnaps und brachten diese Vorräte zu einem der vielen Campingplätze hier in der Gegend, wo diese während nicht enden wollender Grillmarathons, den ihnen zugedachten Zweck erfüllten.

      Evelyn bog gerade auf den Parkplatz zum Supermarkt ein, als sie, wie die anderen sieben Milliarden Menschen auch, den Auftrag erhielt, besser gesagt, die Chance erhielt, die Welt zu retten, bevor sie der Allmächtige zerstören würde.

      Als hätte jemand einen gigantischen Gong bedient, waren alle Menschen, Dänen und Deutsche, kleine und große, mitten in ihren Bewegungen erstarrt. Es waren Dutzende Menschen unterwegs um diese Uhrzeit, denn es war ein herrlicher Sommertag. Bis vor wenigen Sekunden herrschte das normale geschäftige Treiben eines Supermarktparkplatzes, Autos parkten ein oder aus, Einkaufswagen ratterten über den Asphalt, Kinder riefen, Mütter schimpften, alles kunterbunt und sommerlich.

      Und auf einmal hielten alle im exakt selben Moment inne und lauschten gezwungenermaßen der Stimme in ihrem Kopf.

      Als СКАЧАТЬ