Aviva und die Stimme aus der Wüste. Vesna Tomas
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Название: Aviva und die Stimme aus der Wüste

Автор: Vesna Tomas

Издательство: Автор

Жанр: Религия: прочее

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isbn: 9783961401642

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СКАЧАТЬ auf sie richteten, warf sie einen schnellen Blick in die Runde und fragte sich, ob ihr jemand glauben würde. Bevor sie jedoch zu sprechen ansetzen konnte, meldete sich Lendor zu Wort. Er fuchtelte mit ausgestreckter Hand in ihre Richtung und rief: „Dieses Mädchen gefährdet unsere Sicherheit! Gestern Nacht habe ich sie dabei ertappt, wie sie sich aus dem Dorf schleichen wollte. Ich konnte sie gerade noch schnappen. Wer weiß, was sie vorhatte!“ Lendors Gesicht lief vor lauter Aufregung rot an.

      „Vielleicht trifft sie sich heimlich mit jemandem von einem anderen Stamm?“, mischte sich Rapo ein. „Wie wir alle wissen, ist es nicht das erste Mal, dass Aviva sich nachts heimlich außerhalb der Palisaden herumtreibt!“, fügte Lendor noch hastig hinzu.

      Aviva holte tief Luft und berichtete nun wahrheitsgetreu von den Ereignissen der letzten Nacht, angefangen beim Geheul des Wildtieres und dem lauten Blöken, das sie aus ihrem Schlaf gerissen hatte. „Ich wollte nicht ausreißen, sondern das Schaf retten. Es blieb mir keine Zeit, die Großmutter zu wecken. Ich habe gedacht, die Wache und die Jäger hätten das Geheul des Tieres ebenfalls gehört. Aber als ich bei Rapos Hütte vorbeikam, sah ich, dass er schlief und nicht ansprechbar war. Bei dem Tor war die Wache ebenfalls in Schlaf versunken. Ich möchte dem ehrenwerten Rat meine Bedenken vorbringen, dass die Sicherheit nicht gewährleistet ist, wenn unsere Wächter schlafen und der Jäger betrunken ist. Es ist außerdem dringend nötig, dass der Stall repariert wird.“

      Während ihrer Aussage wuchs die Spannung im Raum. Lendors Stimme donnerte: „Sie lügt, sie hat uns alle mit ihrem Rausschleichen in Gefahr gebracht! Frauen und Kinder haben nachts nichts draußen zu suchen, so viel ist klar. Dieser Regelbruch muss aufs Härteste bestraft werden!“

      Ein zustimmendes Grummeln ging durch die Reihen. „Was erlaubt sie sich eigentlich?“, sagte einer der Ratsältesten vorwurfsvoll zu seinem Nachbarn.

      Aviva fuhr jedoch unbeirrt fort: „Ich bekenne mich dazu, die Regel missachtet zu haben und trotz des Verbots nachts aus dem Haus gegangen zu sein. Doch was hättet ihr denn an meiner Stelle getan? So habe ich das Lamm allein zurückgeholt.“

      Da erhob Rapo seine laute Stimme. „Seit wann kümmern sich Frauen und Kinder um die Verteidigung unseres Dorfes?“, rief er spöttisch in die Runde und schob kämpferisch sein Kinn vor. Rapo war zweifellos der stärkste Mann im Dorf, massig wie ein Bulle. Er gebärdete sich manchmal wie ein Dorfvorsteher, obwohl er nie gewählt oder vom Ältestenrat dazu ausgerufen worden war.

      Aviva betrachtete kurz sein dichtes, tiefschwarzes, gelocktes Haar, das seine groben Gesichtszüge auf den ersten Blick weicher erschienen ließ – aber eben nur auf den ersten Blick. Seine tiefschwarzen Augen hatten etwas Böses und Unheimliches. Sein Blick war hart und gebieterisch. Eine Narbe, die er sich bei der Jagd nach einem Wildschwein zugezogen hatte, zog sich quer über sein Gesicht. Ja, er war der erfolgreichste Jäger der Dorfgemeinschaft, jeder empfand Respekt vor ihm. Es war zu erwarten gewesen, dass er sich gegen sie wenden würde. Er kannte die Wahrheit zwar mit Sicherheit, doch es war klar, dass er sich auf die Lügenseite des Wächters stellen würde, zumal Aviva ihn belastete. Seine Ehre als Jäger war verletzt worden.

      „Auch meine Großmutter ist eine Frau und berät trotzdem den Rat!“, erwiderte Aviva hastig. Ein paar der Ältesten murmelten zustimmend. „Frauen sind sehr viel stärker, als Männer annehmen!“, sagte sie deshalb mit fester Stimme. Als sie sah, dass Kala nickte, fügte sie mutig hinzu: „Nicht nur die rohe Kraft ist wichtig! Ich weiß, dass es Mächte gibt, die der Kraft eines Mannes überlegen sind.“ Sie schaute ihre Großmutter an, die noch immer stolz und aufrecht in der Runde saß, sich bisher aber noch nicht geäußert hatte. Jeder in diesem Kreis wusste, dass Kala mit magischen Kräften ausgerüstet war, weshalb sie häufig von einem Ratsmitglied aufgesucht wurde.

      Doch zu Avivas Überraschung schüttelte ihre Großmutter auf einmal den Kopf und antwortete: „Es kann schon sein, dass Frauen unterschätzt werden, und auch ich glaube, dass es andere Mächte gibt außer der rohen Gewalt. Doch selbst ich bin der Meinung, dass du noch mehr Zucht nötig hast.“ Kalas Augen wanderten zu Rapo hinüber.

      Alle Blicke ruhten jetzt auf ihm. Rapo verschränkte überlegen lächelnd die Arme hinter dem Kopf, sodass jeder seine gewaltigen Muskeln sehen konnte. Mit einem schadenfrohen und hämischen Lachen musterte er sie von oben bis unten. Augenblicklich wusste sie, dass sie zu viel gesagt hatte.

      Aviva kannte ihr wahres Alter nicht und sah mit Sicherheit nicht mehr wie das Kind von damals aus. Sehr wohl bemerkte sie seit einiger Zeit die Blicke der Männer auf sich, wenn sie sich draußen aufhielt. Aber sie trauten sich nicht, ihr nahe zu kommen oder wie bei anderen Frauen anzügliche Bemerkungen zu machen.

      Aviva wusste, dass sie ein Schutz umgab, den sie nicht erklären konnte. Sie wusste es einfach. Aber bei Rapo fühlte sie sich trotzdem ungeschützt. Sie war ihm all die Jahre aus dem Weg gegangen, indem sie es vermied, sich allein in seiner Nähe aufzuhalten und so tat, als ob nichts wäre. Vermutlich glaubte er, dass sie vergessen hatte, was er früher mit ihr angestellt hatte. Er würde es leugnen, so wie Großmutter Kala. Jedenfalls ließ er sich deswegen nichts anmerken. Sein Interesse galt sowieso der Jagd und dem Ziel, seine Macht im Dorf zu festigen.

      Nun blickten alle auf Rapo, doch der Jäger lächelte nur. Gemächlich stand er auf und ging auf Aviva zu. Sie rührte sich nicht von der Stelle. Einem großen schwarzen Raubtier hatte sie gegenübergestanden, sie würde auch vor Rapo nicht zurückschrecken. In seiner ganzen beeindruckenden Kraft stand er nun vor Aviva. Prüfend blickte er sie mit seinen schwarzen, funkelnden Augen an. Dann strich er ihr übers Gesicht, als wolle er sie streicheln. Er nahm ihr Kinn in seine Hand und drückte so fest zu, dass jeder andere vor Schmerz aufgeschrien hätte. Aber Aviva blieb ruhig. Sie spürte weniger den körperlichen Schmerz als vielmehr Rapos böse Absicht. Es ging etwas so Böses von ihm aus, dass sie innerlich erschauderte. Ihr wurde klar: Rapo wollte sie gänzlich vernichten und wartete nur auf eine passende Gelegenheit. Jetzt konnte sie ihm nicht mehr entkommen.

      Aviva sah die Flammen von Gier und Hass in seinen Augen lodern. Sie sah sein böses, dunkles Herz. Übelkeit überkam sie und Benommenheit wollte sie überschwemmen. Nein! Nicht jetzt!, dachte sie. Aviva wehrte sich gegen die aufkommende Ohnmacht. Plötzlich hörte sie die weiche Stimme, die nur sie wahrnehmen konnte: „Aviva! Schau ihm in die Augen.“

      Die Panik ließ sofort nach. Ihre Augen wurden hell und glänzend und einen Moment lang konnte sie bis auf den Grund seiner Seele blicken. Dort nahm sie etwas Besonderes wahr. Sie sah eine verschlossene Eisentür mit einem Metallschloss in seinem Herzen. Davor standen zwei Wächter mit gezogenen Schwertern. Ihre Rüstungen glänzten und aus ihren Mündern züngelten Schlangenzungen. Aviva erkannte unvermittelt, dass Rapo seine Seele hinter dieser Tür eingesperrt hielt. Während sie ihm weiterhin in die Augen blickte, spürte sie seine Verzweiflung und innere Gefangenschaft. Hinter der verschlossenen Tür sah sie einen kleinen schreienden Jungen. Ohne es zu wollen, empfand Aviva Mitleid und sogar so etwas wie Liebe für dieses arme kleine Wesen.

      Rapo zuckte für einen Sekundenbruchteil zusammen. Von außen war es kaum wahrnehmbar, aber Aviva spürte es an seiner Hand, die ihr Kinn immer noch festhielt. Keines der übrigen Ratsmitglieder hatte bemerkt, was vor sich gegangen war.

      Auf einmal fühlte Rapo sich unbehaglich. Bekam er, der furchtlose, gefährliche Rapo etwa Angst? Die Glut in seinen Augen wurde nur noch stärker. Er ließ ihr Kinn los, holte dafür mit seiner Hand aus und schlug Aviva mit dem Handrücken so heftig ins Gesicht, dass sie zu Boden geschleudert wurde. Blut floss aus ihrer Nase. Avivas Wange glühte, aber sie ließ es sich nicht anmerken. Ihr Kampf hatte nur wenige Augenblicke in Anspruch genommen. Trotzdem kam es Aviva vor, als wären Stunden vergangen.

      Rapo stand nun über ihr, schaute den Rat an und meinte mit dem Gleichmut eines Siegers: „So viel zur rohen Gewalt!“ Mit erhobenem Haupt kehrte er wieder an seinen Platz zurück, schaute in die Runde und sprach: СКАЧАТЬ