Aviva und die Stimme aus der Wüste. Vesna Tomas
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Название: Aviva und die Stimme aus der Wüste

Автор: Vesna Tomas

Издательство: Автор

Жанр: Религия: прочее

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isbn: 9783961401642

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СКАЧАТЬ wirkten sie jedoch nicht bedrückt, sondern eher stolz. Sind sie vielleicht sogar froh, das Dorf zu verlassen?

      Gora und Jada ließen ihren Blick über die versammelten Menschen und das Dorf schweifen, bis sie schließlich im selben Augenblick Aviva gefesselt auf dem Boden knien sahen. Für einen kurzen Moment trafen sich die Blicke der drei Schwestern. Es war ein Moment, der alles sagte, all das, was nie ausgesprochen worden war, aber worüber sie trotzdem Bescheid wussten. Es war, wie wenn sie zueinander sagen würden: Pass auf dich auf!

      Ihre Blicke lösten sich voneinander, denn nun traten die Männer aus Derveta neben sie. Gora und Jada stiegen auf den Wagen, Kala reichte ihnen die Bündel. Als die fremden Männer ebenfalls aufstiegen, wurden Abschiedsrufe der Jäger laut und das Gespann fuhr durch das Tor hinaus. Aviva schaute dem Wagen nach. Das war also das Versprechen der Großmutter gewesen. Sie hatte ihre Schwestern verkauft.

      Jetzt waren sie weg, das Tor wurde geschlossen und Salin stand davor, die Hand noch leicht erhoben wie zum Abschiedsgruß. Es schien Aviva, als ob ein Teil von ihm mit Gora und Jada mitgegangen war. Um ihn musste sich Aviva aber nicht sorgen. Vielleicht würde er ein starker Jäger oder ein Händler werden. Kurz schaute er zu Aviva, wandte den Blick aber schnell wieder ab. Aviva konnte ihn nicht deuten. Waren da Tränen in seinen Augen oder Wut? Er rannte fort und verschwand hinter den Hütten. Aviva wurde sehr traurig und verlor beinahe ihr Gleichgewicht.

      Eine solche Situation hatte sie doch schon einmal erlebt … Ja, es war wie in ihrem Traum! Leise liefen die Tränen über ihr Gesicht. Jetzt bin ich ganz allein. Ohne es zu merken umklammerten ihre gefesselten Hände hinter ihrem Rücken den Rock. Sie hielt den Pfeil fest.

      Verlassenheit, Angst, Verzweiflung und Ohnmacht überschwemmten sie. Alles, was sie hatte, war ihr genommen worden: Die Schwestern waren fort, der Bruder mied sie, sie hatte keine Eltern. Niemand in der Sippe stand für sie ein. Weshalb? Aviva spürte eine tiefe Ablehnung, die sie einfach nicht verstand. Sie wehrte sich nicht gegen die Tränen. Wie kommt es, dass mich sogar Großmutter Kala derart hasst? Habe ich so viel falsch gemacht?

      Schon sehr früh hatte sie verstanden, dass es bei ihr und ihren Schwestern ums nackte Überleben ging. Sie hätte gerne geglaubt, sich liebevolle Versorgung und Wertschätzung verdienen zu können und manchmal erhoffte sie sich das immer noch. Die Wahrheit war aber eine andere. Für einen kurzen Moment meinte Aviva, ein Gefühl von Verachtung sich selbst gegenüber zu empfinden. Ihre Zweifel an sich selbst durften jetzt nicht überhandnehmen, denn eigentlich wusste sie doch um ihren wahren Wert. Aber manchmal wollte sie einfach dazugehören.

      Sie versuchte, sich zu beruhigen und überlegte scharf. Kann ich es schaffen, irgendwie zu entkommen? Wenn ja, wohin soll ich gehen? Wo würden mich die Jäger nicht finden? Vielleicht in der Wüstenlandschaft, aus der noch nie jemand zurückgekommen ist? Während sie daran dachte, spürte sie ein tiefes, inneres „Ja“ in sich.

      Die Dunkelheit brach herein und Aviva fröstelte allmählich. Ob Rapo bald auftaucht oder erst nach der Feier betrunken nach Hause schwankt? Sie beobachtete, wie das fröhliche Fest allmählich seinen Anfang nahm, während sie versuchte, den Pfeil zwischen die Fesseln zu schieben, um sie zu zerschneiden. Langsam spürte Aviva, wie ihre Lebenskraft zurückkehrte. Die schwarze Raubkatze! Plötzlich musste Aviva wieder an sie denken. Sie spürte, wie sie allein durch den Gedanken an sie Hoffnung bekam. Es muss doch einen Ausweg geben!

      Inzwischen war es komplett dunkel geworden und der fast volle Mond zeigte sich am Himmel. Das große Feuer in der Mitte des Dorfplatzes loderte und warf gespenstische Schattenspiele an die Häuser. Sie ähneln den Schattenwesen aus den Wäldern, nur dass sie keine Augen haben, dachte Aviva und schauderte. Rapos Hütte wurde glücklicherweise nicht vom Feuer beleuchtet, nur der Mond beschien sie fahl. Aviva hörte Rufe und Gesänge, dazu Klänge, die durch kleine schmale Röhren erzeugt wurden. Jemand hämmerte auf der getrockneten und aufgespannten Blase eines erlegten Tieres, was ebenfalls einen rhythmischen Klang erzeugte.

      Auf einmal war nicht weit entfernt ein Rascheln zu hören. Schnell schaute sie in die Richtung, aus der das Geräusch kam, konnte aber niemanden sehen. Vielleicht trieb sich einer der Jagdhunde in den vereinzelten Büschen herum, die neben den Hütten wuchsen. Das wäre jedoch ungewöhnlich gewesen – meistens waren sie angebunden, denn sie waren aggressiv und aufs Jagen abgerichtet. Niemand außer den Jägern traute sich, sich ihnen zu nähern.

      Da, wieder ein Rascheln! Auf einmal wurde der Schatten eines Hundes erkennbar, der aus einem der Büsche direkt auf sie zulief. Aviva hielt den Atem an, atmete aber erleichtert aus, als das Tier ihr schwanzwedelnd näherkam. „Basko! Du bist es!“, flüsterte Aviva aufgeregt.

      Basko beschnupperte Aviva freudig, bis seine Schnauze ihre Hände fand. Als er die Riemen zwischen die Zähne bekam, fing er an, daran herumzubeißen und zu reißen, wobei aus seiner Kehle ein Knurren stieg. Plötzlich spürte Aviva Hände hinter sich, die ihre Fesseln zu lösen versuchten.

      „Sei still, ich helfe dir“, flüsterte Leroy leise in ihr Ohr.

      „Leroy?“ Sie konnte nicht weiterreden, da sich seine Hand sanft über ihren Mund legte. Schnell band er ihre Hände los, fasste sie unter den Achseln und hob sie hoch.

      Sogleich sank sie wieder auf die Knie. Ihre Beine fühlten sich kraftlos an, doch Leroy ließ sie nicht los, sondern hielt sie weiterhin fest unter den Armen und eilte mit ihr hinter Rapos Hütte. Basko lief dicht hinter ihnen her. Aviva tat die Bewegung gut, sie gewann langsam die Kontrolle über ihre Beine zurück.

      „Ich muss fliehen“, sagte sie entschlossen. „Hilfst du mir?“, fragte sie flehend.

      „Ja, ich hole dich hier raus“, erwiderte Leroy flüsternd. Für einen kurzen Moment trafen sich ihre Blicke und Aviva meinte, ein Glitzern in seinen Augen zu erkennen. Das muss der Mondschein sein, überlegte sie. Leroy legte seine Hand an Baskos Hals und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Der Hund stellte seine Ohren auf und rannte davon, in die Richtung des Tores.

      Leroy griff in die Tasche, die an seiner Seite hing, und zog seinen Umhang hervor. „Zieh das an“, flüsterte er. „Ich werde den Wächter ablenken. Sag aber kein Wort, er darf deine Stimme nicht erkennen!“ Dann ergriff er Avivas rechte Hand und übernahm die Führung.

      Sie gingen auf das Tor zu, wo Basko um den Wächter herumtänzelte. Aviva zog den Kragen des Umhanges hinauf und knotete ihre Haare mit einem Lederbändel hoch. Selten trug sie ihre Haare auf diese Weise, doch so konnte man sie nicht so leicht erkennen. Sie mussten an einigen Hütten vorbei und das Feuer warf einen hellen Schein über den Dorfplatz.

      Da kam auf einmal eine Gestalt auf sie zu. Leroy hielt inne. Erst beim Näherkommen erkannte Aviva Rapo. Oh nein!, dachte sie. Rasch wandte sie sich zur Seite und legte ihre Arme um Leroys Hals. Bei dieser Umarmung stellte sie sich so vor ihn, dass ihr Kopf an seiner Schulter lehnte und ihr Gesicht vor Rapo verborgen blieb. Aus dem Augenwinkel sah sie erleichtert, wie Rapo achtlos an ihnen vorbeirauschte. Er war bereits angetrunken. Sein Ziel war eindeutig die Vorratskammer, wo Wein und Schnaps gelagert wurden.

      Langsam löste Aviva die Umarmung und flüsterte: „Entschuldige …“ Ihr war unangenehm, was sie gerade getan hatte.

      „Sorg dich nicht“, erwiderte Leroy, „du hast schlau gehandelt.“

      Eilig gingen sie weiter, direkt auf den Wächter zu, an dem sie noch vorbeimussten. Hundegebell wurde laut und verärgert hörten sie den Wächter rufen: „Hey Leroy! Nimm deinen Köter an die Leine, sonst verpasse ich ihm eine!“

      Aviva atmete auf, als sie feststellte, dass es nicht Lendor war, der Wache hielt, sondern Rab, den sie nicht näher kannte. An seiner unklaren СКАЧАТЬ