Aviva und die Stimme aus der Wüste. Vesna Tomas
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Название: Aviva und die Stimme aus der Wüste

Автор: Vesna Tomas

Издательство: Автор

Жанр: Религия: прочее

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isbn: 9783961401642

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СКАЧАТЬ Verbündete. Sie waren unzertrennlich. In die Geheimnisse, die Gora und Jada miteinander teilten, wurde sie nie eingeweiht. Ihre beiden Schwestern waren noch unverheiratete, jedoch gerade erwachsen gewordene Frauen, während sich Avivas Körper noch im Zwischenstadium zwischen Kind und Frau befand.

      Aviva streckte sich noch einmal, um die Verkrampfungen der letzten Stunde zu lösen. Ihrem flauschigen Schützling gab sie zum Einschlafen noch ein paar Streicheleinheiten. Langsam ließ die Spannung in ihrem Körper nach und unmittelbar, bevor sie in einen traumlosen Schlaf fiel, musste sie an die Raubkatze denken und die Stimme, die zu ihr gesprochen hatte. Leise flüsterte sie: „Wer bist du?“ Doch es kam keine Antwort.

      Am nächsten Morgen wurde Aviva vom Blöken des Lammes geweckt. Schnell stand sie auf und nahm das geschwächte Tier in ihre Arme. Leise weckte sie ihre Schwestern. „Was macht das Schaf hier?“, riefen Gora und Jada aufgeregt. Davon wurde auch Salin wach. Aviva erzählte ihnen nichts von der Raubkatze, sondern nur, dass sie vom Blöken des Lamms geweckt worden war, das sich verlaufen hatte. Sie erzählte von einem Loch in der Stallwand und dass das Lamm wohl nur so außerhalb der Palisaden geraten sein konnte.

      „Oh weh!“, rief Gora. „Das gibt Ärger. Wieso hast du Großmutter nicht geweckt? Es ist doch strengstens verboten, nachts alleine rauszugehen.“

      Ausgerechnet in dem Moment betrat die Großmutter das Zimmer. Sie sah das Lamm in Avivas Armen und ihre Augen weiteten sich zunächst vor Erstaunen. Dann verengten sie sich zu wütenden Schlitzen. „Woher kommt dieses Vieh? Du warst also wieder draußen, Aviva!“, donnerte sie. „Ohne meine Erlaubnis hast du die Hütte nachts nicht zu verlassen!“

      Aviva hatte keine Chance, sich zu erklären. Das Lamm zappelte unruhig und vorsichtig legte sie es wieder in ihren Umhang gehüllt auf das Bett. Verärgert befahl die Großmutter: „Bring das Schaf zurück in den Stall!“

      Nun mischte sich Salin ein: „Aber es ist schwer verletzt!“

      Kala schaute kurz zu dem Lamm. „Zeig es her!“, murrte sie, schob den Umhang ein wenig beiseite, betrachtete das Tier und deckte es wieder zu.

      Aviva war diesmal richtig froh, dass die Großmutter nicht näher nachschaute. Erst da fiel ihr der Schnapsgeruch auf. Sie hatte also schon wieder am frühen Morgen getrunken. Unfreundlich sagte sie nun zu Aviva: „Nimm das Töpfchen mit Salbe, das ich vor einiger Zeit für Verbrennungen und Wunden zubereitet habe. Bring das Lamm zu Leroy, bis es wieder gesund ist, der weiß, was mit ihm zu tun ist!“ Als Magierin mit Heilkräften wusste Kala viel über wirksame Kräuter, doch Tiere waren nicht ihre Spezialität. Es war jedoch bekannt, dass der Wanderhirte Leroy eine besondere Begabung dafür hatte, verletzte Tiere gesund zu pflegen. Zu dieser Zeit im Sommer war er oft mit seinen Herden in ihrer Gegend unterwegs. Aviva traute sich nicht zu berichten, dass Lendor sie erwischt hatte, da die Großmutter schon aufgebracht genug war.

      Sie stand unter höchster Anspannung, denn sie wusste nicht, ob der Wächter seine Drohung schon wahrgemacht hatte. Wenn ja, würde der Rat über ihren Fall entscheiden. Sie wusste, dass sie in diesem Fall zu einer Anhörung gerufen werden würde, wie schon oft in der Vergangenheit, wenn sie sich über die Regeln hinweggesetzt hatte. Häufig hatte sie selbst miterlebt, was wiederholten Ausreißern blühte. Sie konnte eine dunkle Ahnung nicht abschütteln. Lendors Drohung war richtig böse gewesen, so boshaft, dass ihr fast übel wurde, wenn sie daran dachte.

      Aviva gab das Lamm Salin in die Hände und ging rasch zur Veranda neben dem Häuschen, wo zwei Eimer mit Wasser standen. Schnell schöpfte sie mit ihrer hohlen Hand kaltes Wasser und bespritzte ihr Gesicht damit. Dann ging sie wieder in die Hütte, um sich umzuziehen. Gora, Jada und Kala machten sich gerade im vorderen Raum fertig.

      Salin war so mit dem Lamm beschäftigt, dass Aviva ihn beim Umziehen nicht aus dem Zimmer wies. Normalerweise war es ihr unangenehm und sie schämte sich vor ihm. Ihr Körper, der nicht mehr der eines Kindes war, veränderte sich langsam und es begannen sich zwei kleine Wölbungen unter ihrem Kleid abzuzeichnen. Ihr Körper gefiel ihr. Ja, sie fand Gefallen daran, eine junge Frau zu werden.

      Gora und Jada waren heute zur Arbeit auf dem Feld eingeteilt, wo sie den ganzen Tag den Boden beackern mussten. Avivas und Salins heutige Aufgabe war es, die Tiere aus dem Stall zu holen und zur Weide zu bringen. Die Viehställe befanden sich in den äußeren Kreisen des Dorfes, direkt vor den Palisaden, weil es einfacher war, die Tiere von dort auf die Weiden zu lassen. Manchmal bekam Salin andere, beliebtere Aufgaben zugeteilt, wie den Jägern beim Häuten erlegter Tiere zu helfen.

      Nachdem sie ihre Haare zu einem Zopf geflochten hatte, nahm Aviva das Lamm wieder an sich, barg es in ihrem Umhang und eilte rasch durch das Dorf, das noch wie verschlafen dalag. Sie war sehr erleichtert, dass ihr niemand entgegenkam. Schnell kletterte sie den Hang hinauf, der auf der gegenüberliegenden Seite des Dorfes auf eine Hochebene außerhalb der Abgrenzung führte. Von dort aus konnte man alles überblicken. Die Sonne war noch hinter dem Wald versteckt. Ihre Füße waren nass vom Tau, doch eine angenehme Wärme prickelte in ihren Beinen. Ihr Herz pochte, nicht nur von der Anstrengung, sondern auch vor Aufregung. Sie schaute zurück auf das Dorf. Wie klein es ist, dachte sie. Es war ihr so vertraut, und doch ahnte sie, dass etwas in der Luft lag, das alles verändern würde.

      Tagsüber waren die Tore der Abgrenzung offen und so gelangte Aviva ohne gesehen zu werden auf den Weg, der zu den Weiden führte. Mit leichten Füßen folgte sie dem schmalen Pfad, kletterte über Felsbrocken und gelangte zu einem Bächlein, das sie mit Leichtigkeit übersprang. Das Weideland lag vor ihr. Einzelne Sträucher verdeckten noch die Sicht. Je höher sie stieg und je weiter sie das Dorf hinter sich zurückließ, desto leichter fühlte sie sich. Sie hätte immer so weiterlaufen können.

      Plötzlich bewegte sich etwas in einem Gebüsch, das vor ihr lag. Aviva spähte angespannt hinein, als ihr Basko, Leroys großer Hirtenhund, mit wedelndem Schwanz entgegenkam. Der grauweiße Wolfshund erkannte sie und beschnupperte sie voller Freude. Aviva kraulte ihn hinter den Ohren. „Oh, Basko!“, rief sie aufgeregt, „bringst du mich zu Leroy?“ Basko schaute sie neugierig mit seinen braunen Augen an und schlenderte wieder hinter das Gebüsch. Aviva folgte ihm.

      Vor ihr sah sie nun eine üppige Landschaft. Weiden und Waldstücke mit unterschiedlichsten Baumarten wechselten sich ab. Die Nachbardörfer befanden sich nicht weit von hier. In der Ferne konnte man die riesigen Felsschluchten erahnen, und Seen mit ihren dschungelartigen Inselgruppen. Zwischen ihnen brausten Ströme von kleineren und größeren Wasserfällen hinab. An diesem frühen Morgen konnte man nur die Spitzen der riesigen Felsen sehen. Sie schienen so nah, doch Aviva wusste, dass man mehrere Tagesmärsche brauchte, bis man zu ihnen gelangte. Am Horizont sah Aviva eine gerade Linie – den Beginn der Wüstenlandschaft, aus der nie jemand zurückgekehrt war.

      Während sie noch fasziniert von dem Anblick war, hörte sie Leroys Stimme, der mit Basko redete. Er blickte auf, als sie näherkam, und lächelte sie freundlich an. Bei diesem Blick fühlte sie sich ertappt und hatte das Gefühl, dass er ihr mit seinen tiefblauen Augen bis ins Herz sehen konnte. Sie wandte ihren Blick ab und sagte: „Guten Morgen, Leroy, ich bringe dir ein verletztes Lamm!“ Dabei nahm sie das Tier aus ihrem Umhang.

      Leroy kam auf sie zu. „Guten Morgen, Aviva, zeig mal her!“ Er nahm das Tier aus ihren Armen und legte es behutsam ins weiche Gras. Während er das Lamm untersuchte, konnte Aviva ihn unbemerkt beobachten. Wie die meisten Leute aus dem Karneol-Gebirge hatte Leroy schwarze, dichte Haare, die sein braun gebranntes Gesicht in Locken umrahmten. Er war kräftig, aber nicht bullig, sondern groß und schlank. Er trug lange Wildlederhosen und ein beiges Leinenhemd. Schuhe hatte er keine an. Er musste einige Jahre älter als sie sein, und war ein schweigsamer, tiefgründiger junger Mann. Meist war er allein mit seiner Herde unterwegs. Oft hütete СКАЧАТЬ