Aviva und die Stimme aus der Wüste. Vesna Tomas
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Название: Aviva und die Stimme aus der Wüste

Автор: Vesna Tomas

Издательство: Автор

Жанр: Религия: прочее

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isbn: 9783961401642

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СКАЧАТЬ von Veles.

      Dann fuhr sie fort: „Aber Kruna beschloss, den Menschen zu helfen. Die Nomaden sagten, dass er die Menschen liebt, wie ein Vater seine Kinder liebt. Dass unser wahres inneres Wesen ihm gleicht, weil er uns erschaffen hat und wir dadurch mit ihm verbunden sind. Er glaubt, dass wir im Grunde genommen gut sind und seine Liebe nicht erst verdienen müssen, so wie bei Veles. Darum leidet er auch, wenn er sieht, wie viel Leid die Menschen ertragen müssen. Deshalb hat Kruna den Himmel geöffnet.“

      „Was hat er getan?“, fragte Leroy.

      „Die Nomaden sprachen davon, dass er einen neuen König – Masia soll er heißen – direkt vom Himmel auf die Erde sandte, der etwas Außerordentliches bewirkte. Nur er war so mächtig, es zu tun. Masia soll die gleiche Kraft wie der Schöpfer besitzen, die stärker ist als Veles’ Macht. Welches Wunder er tat, weiß ich nicht mehr. Ich weiß nur noch, dass Großmutter plötzlich unruhig wurde und die Nomaden das Haus verlassen mussten.“

      Leroy hatte ihr aufmerksam zugehört. Da fing Basko, der ihnen vorauslief, auf einmal an zu knurren. Leroy bedeutete Aviva, sich nicht zu bewegen. Plötzlich raschelte es im Busch vor ihnen und ein kleines Pelztier jagte eilig in die hügelige Landschaft davon. „Nur ein Wiesel!“, sagte Leroy erleichtert.

      In der Ferne konnten sie bereits Leroys Schafherde erkennen. Die Tiere standen eng aneinandergedrängt. Etwas weiter hinten sah man die Rinder, die Leroy für Avivas Sippe hütete. In dieser Nacht sah alles friedlich aus. Und doch wusste Aviva von den roten Augen der Schattenwesen, die aus der unsichtbaren Welt in den Wäldern lauernd die Menschen beobachten. Das sind Veles’ Wächter, dachte sie. Im Wald waren die Augen in Gruppen zu erkennen gewesen. Die Gestalten selbst waren nie zu sehen, nur dunkle Umrisse. Auch wenn man sie nicht sah, wusste Aviva, dass sie da waren und hatte das Gefühl, unter Beobachtung zu stehen. Doch hier, auf dem offenen Land, war es anders.

      Endlich waren sie an Leroys Lagerplatz angekommen. Aviva erkannte die Stelle wieder, wo sie sich am Morgen getroffen hatten. Es kam ihr vor, als ob seitdem eine Ewigkeit vergangen wäre.

      „Leg dich jetzt schlafen.“ Leroy deutete auf Felle, die am Boden lagen. „Basko wird diese Nacht bei dir bleiben.“ Er griff in seine Seitentasche und holte in Stoff gewickelten Proviant heraus. „Nimm das, du wirst es auf deiner Reise brauchen. Ich muss zurück, damit die Wache nicht misstrauisch wird. Wenn ich dort bin, werden sie dich diese Nacht nicht bei mir suchen, sofern sie vor dem Morgengrauen feststellen, dass du verschwunden bist. Ich werde unten im Stall schlafen.“

      Aviva kämpfte mit den Tränen. „Wir werden uns wiedersehen“, fügte Leroy hinzu und strich ihr mit seiner Hand über den Kopf. Er beugte sich zu Basko hinunter und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Dann ging er den Weg zurück.

      Aviva spürte immer noch seine Hand auf ihrem Haar, als sie ihm nachschaute. Seltsam, dachte sie, wie ein großer Bruder hat er mich behandelt. Sie hatte immer noch seinen Umhang an und war sehr dankbar dafür, denn langsam fröstelte sie. Es war nicht nur die Kälte der Nacht, sondern das, was sie heute alles erlebt und überlebt hatte. Erschöpft ließ sie sich auf die Felle sinken und zog den Umhang noch enger um sich. Basko legte sich neben sie.

      Trotz ihrer Erschöpfung traute Aviva sich nicht, einzuschlafen. Ihre Gedanken wanderten wieder zur letzten Nacht und dem schwarzen Raubtier. Wo ist sie wohl jetzt, die schöne große Katze?

      Aviva fühlte sich wie in einem Traum. Unfassbar, was alles an diesem Tag geschehen war. Wie ist es möglich, so viele und so verschiedene Abenteuer an einem Tag zu durchleben? In ihr wirbelten die Gefühle durcheinander. Sie empfand große Freude, denn sie war frei – frei von Rapo, frei von der Unterdrückung und frei davon, nichts wert zu sein. Dann jedoch musste sie an die Verurteilung und die Misshandlungen denken. Sie hatte die Schläge der Männer nicht wirklich gespürt. Umso mehr jetzt, wo es still um sie war. Ihr ganzer Körper tat weh. Bei der kleinsten Bewegung durchzuckte sie ein Schmerz, der ihr den Atem nahm. Ihr Rücken war sicher voller blauer Flecken und Striemen. Es dauerte eine ganze Zeit, bis sie endlich eine erträgliche Liegeposition eingenommen hatte.

      Als Nächstes kamen ihr ihre Geschwister in den Sinn. Eine tiefe Traurigkeit holte sie ein, als sie an Gora, Jada und Salin dachte. Sie hatte niemanden, an den sie sich halten konnte, niemanden, der für sie sorgte oder für den sie sorgen konnte. Der Kummer wurde immer stärker und drückte heftig gegen ihren Brustkorb, sodass sie einen schmerzhaften Riss in ihrem Herzen verspürte. Die Hitze im Brustkorb breitete sich aus, es brannte, tief im Inneren spürte sie einen fast unerträglichen Schmerz, als wenn ihr ein Glied abgerissen worden wäre. So war es auch, der letzte Faden ihrer Bindung zur Sippe war gerissen. Avivas Finger krallten sich in den Umhang, als ein heftiges Schluchzen aus ihrer Brust hervorbrach und ihr zierlicher Körper anfing, sich unkontrolliert zu schütteln. In diesem Moment ließ Basko ein mitfühlendes Winseln ertönen. Eine Weile lag sie so da, bis allmählich die heftige Spannung in ihr nachließ und sie einschlief.

      ***

      Aviva öffnete die Augen. Wo bin ich? Träume ich?

      Sie blickte umher. Etwas stimmte nicht. Ein eigenartiges Gefühl beschlich sie. Tatsächlich, sie schien sich an einem anderen Ort zu befinden! Sie schaute sich um. Es musste eine Grotte sein, in der sie stand. Unter ihren Füßen war felsiger Boden und nur aus einer Richtung drang Tageslicht in diese Grotte. Vor ihr war eine Felswand. Irgendetwas war darin verborgen. Als sie sich die Wand genauer anschaute, konnte sie es erkennen: Es war eine Skulptur, die aussah wie ein Mensch, gemeißelt in die Felswand. Ein sehr großer Mann in einem langen Kleid.

      Plötzlich merkte Aviva, dass diese Skulptur gar nicht in die Felswand gemeißelt war, sondern aus der Wand hervortrat und lebendig wie ein Mensch vor ihr stand. Aviva konnte nicht anders, als staunend vor ihm zu stehen. Wie gebannt betrachtete Aviva sein Gesicht. Ein strahlendes Gesicht mit leuchtenden Augen. Aviva war zutiefst ergriffen, denn solch gütige Augen hatte sie noch nie zuvor gesehen. Ob sie aus Feuer oder Lichtfunken waren, konnte sie nicht unterscheiden, doch sie fühlte dafür umso mehr eine vertraute Gegenwart in ihrem Herzen.

      „Aviva!“, hörte sie ihn sagen. Kam die Stimme aus ihrem Herzen oder aus den gütigen Augen der Erscheinung? Sie wusste es nicht, aber in ihr machte sich ein unverkennbares Glücksgefühl breit. Es war die Stimme, ihre Stimme, die zu ihr sprach!

      „Du gehörst mir“, erklang sie wieder.

      Aviva schossen Tränen in die Augen. Seine Stimme war erfüllt von Zärtlichkeit und Liebe, nicht besitzergreifend und doch bestimmt.

      Ich gehöre ihm? Masia?

      Ein erneutes Staunen löste die Tränen ab, denn jetzt streckte er ihr seine Hand entgegen und Aviva verspürte ein Verlangen danach, sie zu berühren. Als sie es tat, spürte sie eine Liebe, wie sie sie noch nie empfunden hatte. Sie wurde von einem Licht ergriffen, das ihren Arm hochstieg und ihren ganzen Körper erfasste. Sie fühlte sich wie ein strahlender Fluss aus Licht. Aviva verwandelte sich. In ihren Gedanken konnte sie die ganze Welt erfassen und sie vor allem verstehen. Sie wurde von einer Intelligenz und einer Liebe durchdrungen, die sie nie mit Worten würde erklären können. Die Liebe war so intensiv und die Kraft so stark, dass sie über sich selbst und alles, was auf dieser Welt war, emporgehoben wurde.

      ***

      Es war früh am Morgen, als Aviva ihre Augen öffnete. Tiefe Geborgenheit und Freude erfüllten ihr Herz. Im ersten Augenblick wusste Aviva nicht, wo sie war. Sie genoss einfach diesen Moment der Zufriedenheit. Dann war sie plötzlich ganz wach. Wo bin ich?

      Sie СКАЧАТЬ