Название: Kommissar Schlemperts zweiter Fall: Recht & Unrecht
Автор: Michael Schlinck
Издательство: Автор
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783960087724
isbn:
Wo bin ich eigentlich? Und was will ich hier? Sollte ich tatsächlich mal ein Konzept gehabt haben, so ging es mir in den letzten Sekunden verloren.
„Leutnant Schmitt“, sagt sie in festem Ton, „setzen.“ So kann man doch nicht mit einem Zeugen umgehen. Laura kann.
„Ungerne“, sagt der große Mann und setzt sich tatsächlich hin, stocksteif und mit starrem Blick, aber immerhin sitzt er.
So. Nun erst mal Gedanken sortieren und weiter geht’s. „Wann ist Ihnen der rote Fiat denn zum ersten Mal aufgefallen?“
„Februar, genaues Datum unbekannt!“ Immerhin sparen die knappen Antworten Papier beim Protokoll.
„Wollen Sie damit sagen, dass das Opfer schon seit Februar am See campiert hat?“
„Negativ.“
„Ja, wie jetzt?“ Ohne dass ich es will, werde ich etwas ungehalten. Das ist aber auch eine Befragung unter erschwerten Bedingungen.
„Zum ersten Mal im Februar, dann im April und am letzten Donnerstag wieder.“
Damit lässt sich doch was anfangen. „Hatten Sie persönlichen Kontakt mit dem Mann?“
„Positiv.“
„Auch bei seinem letzten Besuch?“ Geht das denn schon wieder los?
„Positiv.“
Mir steigt langsam die Galle bis zum Hals. „Und wie lief die Unterhaltung beim letzten Treffen ab?“
„Negativ. Keine Unterhaltung. Nur Blickkontakt.“
Nun bricht mir der Schweiß aus und meine Gesichtsfarbe wechselt zu Burgunderrot.
Wieder baut sich Laura neben mir auf, zupft ihre Pistolenhalfter zurecht und sagt streng: „Leutnant Schmitt, sitzen Sie doch bequem und reden Sie frei.“
Augenblicklich lässt mein Gegenüber seine Schultern fallen und schlägt die Beine übereinander. Und ich? Ich glaube, ich hab mich gerade in Laura verliebt.
„So, Herr Schmitt, nun einmal in chronologischer Reihenfolge bitte!“
„Also“, fängt er nun ganz normal an zu reden, „Ende Februar war der Panda zum ersten Mal auf der Wiese am See zu sehen. Als er am Folgetag immer noch da war, ging ich dann hin. Ich wollte ja nicht neugierig erscheinen, aber wenn jemand bei Minusgraden offensichtlich im Auto übernachtet, will man doch nach dem Rechten sehen.“
Ist das derselbe Mann, der eben noch strammgestanden hat und nur mit „Positiv“ oder „Negativ“ geantwortet hat? Egal. Jetzt ist das Ganze angenehmer.
„Der junge Mann war sehr höflich und sprach mit einem fremdländischen Akzent. Genau kann ich den nicht beschreiben. Mal dachte ich an Belgisch oder Flämisch, kann aber auch Luxemburgisch oder eine Mischung aus allem gewesen sein. Jedenfalls stellte er sich mit dem Namen Scharell vor. Er erzählte, dass er ein paar Tage bleiben wolle, um jemanden zu besuchen.“
„Wen? Sprach er davon, wen er besuchen wollte?“, unterbreche ich ihn nun doch.
„Leider nicht“, bekomme ich zur Antwort. „Alles, was mir aufgefallen ist, ist, dass unten am Weg des Öfteren ein alter Motorroller stand.“
„Wem gehörte der Roller? Haben Sie auch den Fahrer gesehen?“
„Gesehen habe ich nie jemanden bei Scharell. Er war immer, wenn er hier war, sehr zurückgezogen und scheu. Der Roller war weiß mit so einem rosa Aufkleber am Tank. Mehr weiß ich leider auch nicht.“
Das klingt ja schon fast wie eine Entschuldigung von Hans Schmitt. Der, wenn er nicht im Militärmodus agiert, sehr sympathisch ist.
Ich wäre fürs Erste durch. Timo, der das Protokoll mitgeschrieben hat, lässt sich eben dies noch unterschreiben. Danach bedanke ich mich noch einmal bei dem älteren Herrn, der allerdings keine Anstalten macht aufzustehen.
„Wir sind dann so weit, Herr Schmitt“, fordere ich ihn auf, zu gehen, was er allerdings ignoriert. „Wir haben es bereits nach vierzehn Uhr und würden nun gerne Pause machen“, werde ich noch deutlicher.
Keine sichtbare Reaktion.
Nun baut sich Laura wieder neben mir auf und bittet ihn freundlich, zu gehen: „Leutnant Schmitt, abgetreten.“
An der Tür wendet er sich noch einmal zu einem militärischen Gruß, wobei sich mindestens ein Angelhaken in seinen Zeigefinger bohrt. Und das dermaßen fest, dass, als er die Hand wieder herunternimmt, der Schlapphut samt Toupet daran herunterhängt.
Traumhaft, dieses Bild!
Als wir dann zusammen zum Essen gehen, sagt Laura in einem ruhigen Moment: „Dieter, wenn du darüber reden willst, dann stehe ich dir jederzeit zur Verfügung.“
Was sie damit meint, entzieht sich meiner Kenntnis, aber ich danke ihr trotzdem mit einem Lächeln für das Angebot.
Den Rest des Arbeitstages verbringen wir damit, unseren Bericht zu verfassen und meine Unterlagen für den Hollandausflug vorzubereiten.
Als ich nach diesem ereignisreichen Tag endlich auf den heimatlichen Hof fahre, sehe ich im Nachbarhof eine Freiluft-Party-Location mit bunten Lampen, Girlanden, einem Grill und mehreren Festzeltgarnituren. Ich schaffe es auch nicht, ins Haus zu kommen, ohne dass Reiner mich abfängt.
„Dieter, endlich kommst du nach Hause“, empfängt er mich. „Wir machen ein Grillfest zu Ehren unseres Urlaubsgastes. Mensch, die hat in Frankfurt beste Beziehungen und will uns weiterempfehlen. Da müssen wir uns doch von unserer besten Seite zeigen. Also, komm gleich mit rüber.“
„Och, Reiner“, versuche ich mich herauszureden, „das passt mir heute gar nicht. Ich bin doch alleine, habe noch die ganze Hausarbeit und bin auch müde, ja, und zudem muss ich morgen ganz zeitig aus dem Haus.“
„Papperlapapp“, nutzt mein Nachbar den Sprachschatz meines Chefs, „ist doch keiner daheim, der dir Hausarbeit bereitet. Kochen brauchst du auch nichts, da es bei uns reichlich gibt. Und früher hat es dir auch nie etwas ausgemacht, wenn du morgens rausmusstest.“
Ja, früher, da war ich auch noch jung. Da konnte ich auch mal zwei Nächte durchfeiern. Zudem gab es früher keine Kordula mit ihrem Öko-Wahn. Das, was da heute Abend auf den Tisch kommt, ist sicher nicht nach meinem Geschmack. Sicher alles von Reiner Buttermilch.
„Jetzt hab dich nicht so“, lässt mein Nachbar nicht locker. „Der Domme kommt auch und bringt das Grillgut mit.“
Domme? Dominik Schäfer? Das ändert natürlich die Sachlage. Eigentlich ist er genauso ein Exot wie Reiner. Der Domme hat eine riesige Ziegenherde, mit der er durchs Land zieht und deren Fleisch etwas Besonderes wäre. Ich als Vegetarier weiß jedenfalls genau, dass sein Ziegenkäse der Hammer ist. Eine schöne Scheibe Bauernbrot mit zerlassenem Ziegenkäse auf Holzkohle gegrillt. Ein Traum. Ein absolut hammermäßiger Traum.
Also sag ich: „Gut, Reiner, du hast mich überzeugt. Lass mich schnell duschen gehen, dann komm ich rüber.“
So kommt es, dass ich СКАЧАТЬ