Название: Kommissar Schlemperts zweiter Fall: Recht & Unrecht
Автор: Michael Schlinck
Издательство: Автор
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783960087724
isbn:
Ich antworte dann mal ganz zuckersüß: „Das haben Sie aber schön gesagt. Ich werde es mir zum Beispiel nehmen. Was darf ich denn für Sie tun?“
„Tja, Herr Schlempert, da ich von Ihrer Abteilung erwartungsgemäß noch keinen Bericht erhalten habe, bin ich nun gezwungen, mich selbst um den Informationsfluss zu kümmern.“
Was werfe ich ihm denn nun vor die Füße? Den Mailverkehr hat er selbst auf dem Schirm. Damit kann ich schon mal keinen Eindruck schinden. Ich hab’s: „Wir haben die Großmutter des mutmaßlichen Opfers gefunden und auch noch einen Zeugen ausfindig gemacht, der ihn sogar lebend am See gesehen hat. Der Zeuge wird in den nächsten Minuten hier in der Wache vorstellig werden.“
„Ja prima“, ist der Heuler nun von unserer Arbeit begeistert. „Sofort in die Gerichtsmedizin mit dem Mann.“
„Mit dem Zeugen?“, frage ich verwundert. „Was soll er denn dort?“
„Ja, Schlempert, machen Sie Ihren Job zum ersten Mal? Identifizieren soll er den Toten. Identifizieren, wissen Sie, was das ist?“
Klar weiß ich das. „Und was bitte schön soll er identifizieren? Dass der Tote sich am See aufgehalten hat? Das wissen wir schon. Nur zur Identität wird er uns wohl keine rechtlich verwertbare Aussage machen können. Er hat ihn ja nur gesehen und ist nicht mit ihm aufgewachsen.“
„Gut“, sagt mein Chef dann unverdrossen, „dann schaffen Sie eben die Großmutter bei.“
So langsam kommt er auf die richtige Fährte, doch leider muss ich ihn wieder enttäuschen: „Geht leider nicht. Sie lebt im Heim und ist ein Pflegefall.“
„Ja, haben Sie denn auch einmal eine eigene Idee?“, wird er nun aufbrausend. „Dann müssen Sie eben hinfahren. Mein Gott, Schlempert, ist das denn so schwer?“
Schwer ist das nicht, aber ich hab absolut keine Lust, einen ganzen Tag im Auto zu sitzen, um eine Omi zu besuchen, die ich nicht einmal kenne. „Nein, da mailen wir ein paar Fotos zu den Kollegen in Venlo“, sag ich deshalb, „dann können die das machen.“
„Das kommt überhaupt nicht infrage“, überschlägt sich Heulers Stimme, „dass die am Ende noch die Lorbeeren einheimsen? Das machen schön Sie! Sie persönlich.“
„Aber hier wäre ich doch nützlicher.“
„Hören Sie, das ist doch eine Kleinigkeit für Sie. Sie fahren da morgen hin. Die paar hundert Kilometer sitzen Sie doch auf einer Pobacke ab. Ist doch nur eine Fahrzeit von gut drei Stunden.“
Sagen kann der doch, was er will, ich tu dann auch einfach, was ich will.
„Mensch Schlempert, einfach die A61 bis zum Ende durch und dann nur noch über die Grenze. Schon sind Sie in Venlo.“
Moment! Die A61? Das ist doch die Gelegenheit, in der Dienstzeit meine Familie in Köln zu besuchen. Sogar den Kraftstoff zahlt der Staat.
„Ja, da sind Sie platt, Schlempert“, spricht Heuler weiter, „nicht nur mein kriminalistischer Spürsinn ist legendär, nein, auch mein geografisches Wissen ist unerreicht.“
Ja, ja, googeln kann ich auch, durchs Telefon kann ich sogar hören, wie er auf den Tasten herumhämmert. Aber egal.
„Sehr geehrter Herr Heuler. Ich muss Ihnen zugestehen, dass ich Ihrer Argumentation nichts entgegenzusetzen habe.“ Ich schleime, was das Zeug hält. „Selbstverständlich werde ich mich Ihrer Anweisung fügen.“
Nun hat der Chef sein Erfolgserlebnis, ich meine Ruhe und wir können so unser Gespräch in beidseitigem Glücksgefühl beenden.
„Leute, ich bin morgen im Außendienst“, kläre ich mein Team auf.
„Na prima, und was machen wir so lange?“, will Laura wissen.
„Ihr könnt ja mal unsere bisherigen Ermittlungsergebnisse in einem Bericht erfassen. Zudem wird das Protokoll der Aussage von dem Angelvorstand zu tippen sein.“ Damit sollten sie zu tun haben.
Timo hat trotzdem einen Einwand: „Findest du es richtig, einen ganzen Tag weg zu sein? Jetzt, wo wir langsam in eine heiße Phase kommen?“
„Du meinst doch, ich soll nicht mehr so auf Konfrontation gehen mit unserem Vorgesetzten?“, werfe ich ihm an den Kopf.
„Da hast du schon recht. Aber diese Aktion ist doch komplett für den Allerwertesten“, ist Timo nun auch am Zweifeln.
„Komm, Timo, ist doch nur für einen Tag. Ich lass auch mein Smartphone nicht aus den Augen.“ Damit kann ich den jungen Mann sichtlich beruhigen.
Für weitere Diskussionen haben wir dann auch keine Zeit, da es an unserer Bürotür klopft. Ich öffne und mustere den Mann, der davorsteht. Schlank, circa einsfünfundachtzig groß, schätzungsweise Ende sechzig, markantes Gesicht mit deutlich herausstehenden Wangenknochen, tief sitzenden dunklen Augen mit grauen, buschigen Brauen, blitzblank polierte Schuhe und eine Art Ausgehuniform. Die Körperspannung vorbildlich und die Augen geradeaus. Einzig der Schlapphut mit allen möglichen Angelaccessoires will ganz und gar nicht zu ihm passen. Wer putzt sich schon so heraus, um dann mit Angelhaken, Blinker und kleinen Plastikfischen am Schlapphut strammzustehen?
„Guten Morgen, ich bin Kommissar Schlempert“, stelle ich mich vor.
„Schmitt! Hans Schmitt, Leutnant a. D. und Vorstand der Silzer Angellerchen“, sagt er in einem Tonfall, der mich glauben lässt, beim Militär zu sein.
„Ah, Herr Schmitt. Ich freue mich sehr, dass Sie so schnell Zeit für uns gefunden haben.“ Und dann bitte ich ihn: „Kommen Sie doch mit zu meinem Schreibtisch.“
„Es ist mir eine Ehre, der Zivilgewalt Unterstützung zukommen zu lassen“, sagt er und folgt mir – mit exakt fünfzig Zentimetern Abstand. Bei jedem Schritt kann ich sein Rasierwasser deutlich riechen.
Ich setze mich auf meinen Sessel. Er bleibt neben dem Sessel stehen, der für ihn angedacht ist. Ich bitte ihn, doch Platz zu nehmen. Er bleibt stehen. Es sieht aus, als hätte er einen Stock verschluckt, und sein Blick ist weiter schnurgeradeaus gerichtet. Ich wiederhole meine Bitte, Platz zu nehmen. Er erwidert: „Bitte, stehen zu dürfen.“
Also gut. Des Menschen Wille ist sein Königreich.
So beginne ich mit der Befragung: „Ihnen ist die männliche Person bekannt, die sich am letzten Samstag am See in Silz aufgehalten hat?“
„Korrekt!“
Das kann ja noch heiter werden. Ich rufe an meinem Bildschirm den Obduktionsbericht auf und wähle ein Bild vom Gesicht des Opfers, drehe den Bildschirm und frage: „Hat es sich dabei um diese Person gehandelt?“
Hans Schmitt senkt für einen Augenblick den Kopf, um anschließend wieder schnurgeradeaus zu starren und ein „Korrekt“ auszurufen.
Der macht mich noch verrückt mit seiner Militärnummer. „Nehmen Sie doch Platz“, bitte ich ihn wiederholt. „Das ist doch viel bequemer.“
Ohne dass er sich rührt, vernehme ich ein „Negativ“.
Wie soll man СКАЧАТЬ