Название: Viva la carpa! Als die Mafia den Aischgründer Spiegelkarpfen haben wollte
Автор: Werner Rosenzweig
Издательство: Автор
Жанр: Юмористическое фэнтези
isbn: 9783960085430
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»Zur Eröffnung der Karpfenschmeckerwochen 2015«, wiederholte die Kunni genüsslich. »Aber des wird dir bestimmt nix sagn! Schaust ja normalerweise, genau wie der Batic, net über dein Tellerrand drüber naus. Sacht dir der Landkreis Neustadt an der Aisch/Bad Windsheim eigentlich was? Scho mal was davon ghört? Nu net, gell? Na ja, macht nix. Jedenfalls die liegen a im Aischgrund und züchtn a Karpfen. Und am sechsazwanzigstn August feiern die mit großn Brimborium die Auftaktveranstaltung zu ihren Karpfenschmeckerwochn. Mitn Landrat, Burchermaster, Vertreter der Karpfengastronomie und so weiter. Übrigens, die Aischgründer Karpfenkönigin, Katrin die Erste, is a mit dabei. In Adelsdorf«, setzte die Kunni noch hinzu.
»Adelsdorf?«, spie die Retta erbost in den Telefonhörer, »Landkreis Neustadt an der Aisch? Hä? Spinnst etz? Liebe Kunni Holzmann, scheinst selber ka Ahnung von unserer Geometrie zu ham, genauso wie der Leitmayr!«
»Geografie, Retta. Geografie haßt des«, stoppte sie die Kunni in ihrem Redeschwall.
»Scheiß drauf«, reagierte die Retta erbost, »bist a net die Gscheiteste. Adelsdorf licht im Aischgrund, im Landkreis Höchstadt an der Aisch! Net im Landkreis Neustadt an der Aisch. Alte Dolln.«
»Sach ich doch«, entgegnete die Kunni ruhig und voller Ironie, »Tellerrand, Batic. Der Apfel fällt net weit vom Stamm! Bled bleibt bled! Im Zenngrund gibts auch a Adelsdorf. Nu nix davon ghört, Margarethe Bauer, gell? Na ja, kann mer vo dir ja a net erwartn. Net weit vo Langazenn, bei Markt Erlbach. Is a Ortsteil von Neuhof.«
Pause.
»Wie kommstn da du dazu? Wer hatn dich denn dazu eingladn?« Kunni konnte am Telefonhörer regelrecht spüren, wie der Vulkan am anderen Ende der Leitung vor sich hin brodelte und nahe vor der Eruption stand.
»Des werd ich dir altn Zuchtl grad noch auf die Nasn binden. Geh du lieber mit deim Lover zu dem Itaker. Mein Segen hast. Ich beneid dich net drum … Retta? … Retta? … Etz hats einfach aufglecht, die alte Dolln.« Kunigunde Holzmann grummelte vor sich hin. Ein ganz reines Gewissen hatte sie allerdings nicht. Sie war eben vielleicht doch ein bisschen zu weit gegangen. Vor etwa einem halben Jahr saßen sie beide zusammen, die Retta und sie, und studierten den Wochenendteil der Nordbayerischen Nachrichten. Kennst du deine Heimat?, stand dort in einer dicken Schlagzeile, direkt unter einem Bericht über den Aischgründer Spiegelkarpfen. Gewinnen Sie und lassen Sie sich anlässlich der 37. Karpfenschmeckerwochen verwöhnen. Die Retta hatte die elf Fragen, welche sich mit dem Aischgrund beschäftigten, beantwortet und das Lösungswort Steigerwald eingetragen. »Ich kann ihr doch net sagn, dass ich des Lösungswort, des wo sie da rausgfundn hat, an die Redaktion von dene Nordbayerischen Nachrichten gschickt und noch dazu den Hauptpreis gwunna hab«, sprach die Kunni zu sich selbst, »die springt mir mitn nackerten Orsch mittn ins Gsicht. Na, des kann ich net. Hätt sie die Lösung halt selber abgschickt. Selber schuld. Etz holt halt mich die Stretchlimousine am sechsazwanzigsten August ab. Und net die Retta. Die schaut mich nemmer an, wenn die des erfährt. Wurscht. Solls mit dem Dirk halt zu dem Italiener geh. Jeder wie ers verdient.«
*
Il Tedesco saß vor seinem großen Schreibtisch im Arbeitszimmer der alten Mühle. Die Uhr vor ihm zeigte zehn Minuten vor Mitternacht. Vor fünf Minuten hatte er noch mit Francesca telefoniert. »Arbeite nicht mehr so viel«, hatte sie ihm geraten, »bei uns ist alles okay. Die Buben freuen sich schon wieder auf zu Hause und von Papa soll ich dir schöne Grüße ausrichten.« Francescas Il Favorito starrte auf die Landkarte im Maßstab 1 : 50.000, welche er vor sich auf der Schreibtischplatte ausgebreitet hatte. Die Karte zeigte den Aischgrund, von der Quelle bis zur Mündung des kleinen Flusses. Im Norden reichte sie bis Bamberg, im Süden ging sie etwas über Erlangen hinaus. Die vielen schwarzen, roten, blauen, durchgezogenen, gestrichelten, dünnen und dicken Linien sahen aus wie ein Schnittmusterbogen und verschwammen vor seinen Augen. Er war müde, aber es half nichts, er musste da durch, musste und wollte sich einen groben Überblick verschaffen, in welchen Gegenden sich die größten Teichflächen befanden. Obwohl er in Franken geboren war, kannte er auch nicht alle landschaftlichen Details der Region. Er musste sich eine Strategie zurechtlegen, musste wissen, wo er anzusetzen hatte. Einmal klotzen ist besser als fünf Mal kleckern, sagte er sich. Dann markierte er die Gegenden, in denen angeblich Kormorane nisteten, und kreiste die ausgewiesenen Naturschutzgebiete mit einem roten Filzstift ein. In diesen Gebieten würde er nicht investieren. Zu groß waren die Verluste, welche die gefräßigen, schwarzen Fischräuber den Teichwirten zufügten. Zunächst galt es einen gewissen Grundstock an Weiherflächen zu erwerben, möglichst frei von Kormoranbrutstätten. Durch drei verschiedene Landkreise zog sich der Aischgrund. Drei Landräte, eine Vielzahl von Bürgermeistern, Stadt- und Gemeinderäten. Er musste sie alle kennenlernen, musste ihre Befindlichkeiten ausloten, hie und da kleine Geschenke verteilen, musste herausfinden, ob und welchen kleinen Gefälligkeiten sie zugeneigt waren. Ja, er brauchte ihr Wohlwollen, ihre Unterstützung, hie und da zumindest. Sicher, sein politischer Status und Einfluss würden ihm helfen, Türen zu öffnen, aber allzu offensichtlich durfte er auch nicht agieren. Immer schön unauffällig verhalten. Das Rampenlicht überließ er lieber anderen. Unnötige Verdachtsmomente wollte er gar nicht erst aufkommen lassen. Immer schön sauber bleiben. Zumindest nach außen hin. Andererseits, er hatte sich einen engen Zeitplan gesetzt. Sein Schwiegervater saß ihm im Nacken und er wollte ihn nicht enttäuschen. Calippo hatte ihm drei Leute zur Seite gestellt, drei Camorrista di Sangue. »Fürs ganz Grobe«, wie er ihm lächelnd mitteilte. Sie lebten schon längere Zeit in Deutschland und kamen von Erfurt herüber. Natürlich wollte er sich nicht selbst die Hände schmutzig machen. Das mit dieser Nutte in Amberg war eine Ausnahme, das wusste er. Die Ndrangheta wollte ihn prüfen, wollte sich seiner Loyalität sicher sein. Das verstand er auch. Das war für ihn okay. Aber im Rahmen seiner Aufgaben würde er sich ausschließlich im Hintergrund bewegen. Unauffällig von dort aus die Fäden ziehen. Ihm war auch klar geworden, dass er einen weiteren vertrauenswürdigen Strohmann brauchte, der ihm das Tagesgeschäft abnahm. Jemand, der sich im Geschäft auskannte, jemand mit einem bekannten Namen in der Karpfenzucht, keinen Unbekannten, jemand, der sich in die vorderste Linie stellte und offiziell als Investor auftrat. Ehrgeizig, aufrichtig, loyal und verlässlich. Er hatte auch schon eine Person im Kopf, jemanden aus Röttenbach. Und als ihm bei dem Stichwort Röttenbach das neue Restaurant Calabrese durch den Kopf ging, kam ihm plötzlich d i e Idee. Warum nach dem ersten Schritt stehenbleiben? Warum nicht die Prozesskette vom Erzeuger bis hin zum Endverbraucher vollständig abdecken? Das war es. »Was, wenn wir auch flächendeckend in fränkische Karpfenrestaurants investieren?«, fragte er sich. Die Vorteile liegen klar auf der Hand: Gewinnmaximierung mittels einer durchgängigen Kosten- und Prozessoptimierung. Was noch hinzukam – und das war das eigentlich Charmante an der Sache – wäre die Tatsache, dass Geldwäscherei in noch größerem Stil möglich wäre. Calippo würde ihn umarmen. Da war er sich sicher. Er würde ihn gleich anrufen. Dann verwarf er für den Moment den Gedanken wieder, das konnte er auch morgen noch tun, und konzentrierte sich wieder auf die Landkarte. Mit dem rechten Zeigefinger glitt er auf dem Papier dem Verlauf der Aisch entlang, von der Quelle bei Marktbergel bis zur Mündung in die Regnitz. Zwischen achtzig und neunzig Kilometer schätzte er die Entfernung. Bei der Ortschaft Dachsbach hielt er inne. Waren bis hierher die Fischteiche am Oberlauf des Flusses eher vereinzelt in die Landschaft gestreut, wuchsen sie ab Dachsbach zu großflächigeren Weiherketten aus. Hier würde er als Erstes ansetzen. Dann googelte er auf seinem Apple McBook www.aischgründer-karpfen.com/ und stieß unter »Aktuelles«, »Teichwirte« auf ein Verzeichnis von Karpfenzüchtern. »Wie praktisch«, murmelte er, »Name, Adresse, Telefon, alles vorhanden.« Er betätigte den Drucker, der kurz darauf ein mehrseitiges Dokument ausspie. »Das ist doch schon mal die halbe Miete, um die ersten Kontakte zu knüpfen. Und nun zum EU-Förderprogramm.« Ein neues Fenster öffnete sich СКАЧАТЬ