Название: Viva la carpa! Als die Mafia den Aischgründer Spiegelkarpfen haben wollte
Автор: Werner Rosenzweig
Издательство: Автор
Жанр: Юмористическое фэнтези
isbn: 9783960085430
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»Eine solche Genossenschaft mit Hunderten von Mitgliedern gibt es auch schon.«
»Weiß ich auch, aber nicht mehr lange. Sorge dafür. Auch das gehört zu deinen Aufgaben. Wer sich uns in den Weg stellt … na ja, du weißt schon … Du bist unser Mann vor Ort. Und vergiss nicht, kümmere dich auch um die Aufzucht, Verarbeitung und Vermarktung der Kokapflanzen in Röttenbach. Sieh auch zu, dass das Geschäft in dem neuen Restaurant flutscht. Wenn du Hilfe brauchst, melde dich rechtzeitig. Du kriegst jegliche Unterstützung. Viva la carpa!«, rief Calippo begeistert und klopfte seinem Schwiegersohn aufmunternd auf die linke Schulter.
»Ja, es lebe der Karpfen!«, wiederholte der.
4
Am Spätnachmittag des 18. August fuhr ein riesiger Umzugs-Lkw samt Anhänger in die umgebaute, gigantische Lagerhalle in Röttenbach ein, er kam direkt aus Hamburg. Dort, am Schuppen 54, hatte letzte Nacht die MS Venezia festgemacht. Der vorletzte Hafen, in dem sie vorher Ladung aufgenommen hatte, war Catania auf Sizilien, bevor es über Marseille weiter in die Hansestadt ging. Die fünf dunkelhäutigen Gestalten aus Bogotá hatten schon sehnsüchtig auf die Ankunft des Lkws gewartet, der die in Catania zugeladenen Olivenbäumchen bringen sollte. Offiziell waren die fünf Italiener, mit exzellent gefälschten Pässen ausgestattet und Mitarbeiter der Italo-Gewürztee GmbH, als deren Hauptgesellschafter die Italo-Import- und Export GmbH mit Sitz in Zürich zeichnete. Die fünf mit den pomadig pechschwarzen Haaren und der von Wind und Wetter gegerbten Haut galten daheim in Bogotá als Meister der Koka-Zucht. Ihre Frauen und Kinder mussten sie zu Hause zurücklassen. Die Ndrangheta wachte über ihre Familien. Nur für den Fall, dass die fünf im fernen Deutschland auf dumme Gedanken kommen sollten.
Die vielen hundert zwei- bis dreijährigen Kokapflanzen, welche in den wirren Gängen des Aspromonte-Bergmassives unter künstlichem Licht herangezogen worden waren, waren schnell abgeladen und an ihre zukünftigen Standorte in den Regalen der Lagerhalle gebracht worden. Die Kolumbianer hatten gute, schnelle Arbeit geleistet. Über den prächtigen Pflanzen strahlten nun die Natrium-Hochdruckdampflampen und versprühten ihr monochromatisches Licht. Noch war die Lagerkapazität der riesigen Halle bei Weitem nicht ausgereizt. Also karrten die fünf Männer am nächsten Tag unzählige Blumentöpfe, Humussäcke, Düngerbehälter und Substrate herbei. Nachdem alle Kokasträucher ordentlich befeuchtet und mit Dünger versorgt waren, gingen die fünf an ihre eigentliche Arbeit. Sie hatten einen Blick für die reifen Früchte, welche an den jungen Pflanzen ihre volle Reife entwickelt hatten. Schnell waren sie geerntet und schlummerten nun in einem großen Sammelkorb. Weich und matschig mussten sie werden, bevor die fünf Experten wieder Hand an sie legen würden.
Dann galt es nämlich, das matschige Fruchtfleisch gründlich abzuwaschen und die Samen ausgiebig trocknen zu lassen. Trotz aller Erfahrung und Sorgfalt bei der Auslese der Samenkörner wussten die fünf, dass sie schlechte Körner erst aussortieren mussten, um die Effizienz ihrer Arbeit nicht zu gefährden. Sie schmissen alle Samenkörner in einen Eimer Wasser. Die schlechten, nicht verwertbaren Samenkörner trieben sofort an der Wasseroberfläche. Sie wurden abgeschöpft und landeten im Müll. Erst nach diesem Auslesevorgang ging es ans Pflanzen. Die fünf Koka-Spezialisten bedienten sich an den Perlite-, Humus-, Substrat-, Kies- und Düngersäcken und stellten die passenden Blumentöpfe in Reih und Glied. Mindestens sechs Zentimeter mussten sie hoch sein. Einer der fünf Arbeiter füllte eine ein bis zwei Zentimeter dicke Schicht Aquariumkies in die Blumentöpfe. Sie diente als Drainage, damit übermäßiges Wasser schnell abfließen konnte. Die jungen Keimlinge sollten – obwohl sie warme Feuchtigkeit liebten – keine nassen Füße bekommen, ihre zarten Wurzeln sollten nicht verfaulen. Der zweite Arbeiter mischte Humus und Perlite im richtigen Verhältnis und verteilte jeweils ein Samenkorn auf die Anzuchttöpfe. Der dritte schließlich füllte die Blumentöpfe mit der Anzuchtmischung und bewässerte sie. Die beiden anderen verteilten die bepflanzten Blumentöpfe auf ihre halbschattigen Standorte in der riesigen Halle. Einen Monat würde es ungefähr dauern, bis die Keimlinge – die richtige Pflege vorausgesetzt – ihr zartes Grün durch die Erde stoßen würden. Noch war es nicht so weit, aber dann hieß es die Keimlinge mit mehr Licht und erneut mit Dünger zu versorgen. Nach zwei Monaten, wenn die Pflanzen eine Größe von circa zwanzig Zentimeter erreicht haben würden, mussten sie umgetopft werden. Die Wurzeln brauchten nun mehr Platz, um sich kräftig entwickeln zu können. Immer wieder wollten sie gewässert und feucht gehalten werden. Ein- bis zweimal pro Monat verlangten sie nach Universaldünger, um prächtig zu gedeihen. Das waren die Voraussetzungen, die beste Aussichten versprachen, dass sie sich kräftig entwickeln würden. Aber Wachstum würden die fünf aus Bogotá nicht unbegrenzt zulassen. Sobald die Kokasträucher eine Höhe von zwei Metern überschritten, würden sie abgeschnitten werden. Nur so waren pro Jahr bis zu drei Ernten möglich. Il Tedesco verfolgte die Arbeiten der fünf Südamerikaner mit Argusaugen. Immer wieder tauchte er unangemeldet auf und kontrollierte, ob die Arbeiten im Zeitplan lagen. Schluderei wollte er erst gar nicht aufkommen lassen.
*
»Schau mer vorbei, wenn der neue Italiener aufmacht?«, wollte die Retta von ihrer Freundin am Telefon wissen.
»Was für a Italiener?«, schnaubte die Kunni zurück. »Wo vorbei?« Sie ärgerte sich, dass ihre Freundin offensichtlich schon wieder etwas wusste, was ihr entgangen war. Dass Retta sich dann auch noch genießerisch in Rätseln artikulierte, konnte sie sowieso nicht verputzen.
»Hast wohl des Gemeindeblatt nunni glesen, Kunigunde Holzmann?«, reagierte die Retta halb vorwurfsvoll, halb belustigt. »Bist deiner Zeit hinten nach? Genau wie der Leitmayr?«, klang es schnippisch aus dem Telefonhörer. »Am Mittwoch, den dreiazwanzigstn September macht a neuer Italiener bei uns auf. Steht doch heut im Gemeindeblatt. Des Calabrese.«
»Mein Gott«, stöhnte die Kunni, »des is ja erscht in fünf Wochn. Außerdem waßt du doch genau, dass des italienische Gefress net so mei Ding is. Pizza, Spaghetti, Risotto … also ich waß net so recht …«
»Des wird a Edel-Italiener«, klärte die Retta sie auf, »Ossobuco, Seezungenfilet in Zitronensoße, Calamari vom Grill …«
»Igitt, hör mer fei damit auf! Calamari! Na, frittierte Radiergummis moch ich fei net.«
»Also, der Dirk hat mich eigladn«, fügte die Retta kokett hinzu und wartete auf Kunnis Reaktion.
»Aha, seit ihr zwa etz doch so weit? Dann will er bestimmt was vo dir. Hastn gwieß scharf gmacht, den arma Kerl?«
»Was haßt do armer Kerl?«, schnaubte die Retta durchs Telefon.
»Na ja, der waß bestimmt net, was da auf ihn zukumma tät! Den müsst doch der Schloch treffn, wenn …«
»Warum soll den der Schloch treffn?«
»Etz geh, Retta. Sei doch ehrlich zu dir selber. Wenn du dei Reizwäsch ablegn tätst … der arme Dirk … der müsst doch mana, der Tod vo Forchheim steht vor ihm. A Biafra-Kind is gegn dich doch der reinste Fettsack. Selbst wenn der Dirk a ganze Großpackung vo seine blaue Pilln auf amol fressn tät, selbst dann tät sich do bei ihm wahrscheinli nix rührn …«
Pause. Margarethe Bauer war für den Moment sprachlos und musste sich zuerst von den Worten ihrer Freundin erholen. Es hatte ihr regelrecht die Sprache verschlagen, was ansonsten äußerst selten vorkommt. Dann, nach weiteren Sekunden, stieß sie einen heftigen Schrei in den Telefonhörer: »K u n n i …« Aber Kunigunde Holzmann hatte genau auf diesen Moment gewartet und ließ ihrer Freundin nicht die geringste Chance, ließ diese erst gar nicht erneut zu СКАЧАТЬ