Название: Viva la carpa! Als die Mafia den Aischgründer Spiegelkarpfen haben wollte
Автор: Werner Rosenzweig
Издательство: Автор
Жанр: Юмористическое фэнтези
isbn: 9783960085430
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»Offen aus Tradition«, murmelte Kunigunde Holzmann sarkastisch vor sich hin, »Multikulti Programm. Fränkische Blasmusik und türkische Folklore. Da kann ich ja bloß lachn. Nix gegen Türkn, aber so a Motto, des passt doch net zum Tag der Franken. Wie solln da a Stimmung aufkomma? Migration und Integration sind in der Hugenottenstadt seit Jahrhunderten daheim, hat er gsacht, der Erlanger Burchermaster. So was kann mer doch an so einem Tag wie heut net thematisiern. Wie könna die Erlanger bloß so an zum Burchermaster wähln, frag ich mich?«
»In der Hugenottenkirchn gibts a Ausstellung«, setzte ihre Freundin hinzu, »Fremde in Franken und im Stadtmuseum wird Muslime in Erlangen gezeigt.«
»Völlig daneben«, ärgerte sich die Kunni weiter. »Des hat mit Frankn goar nix zu tun. Mei is des a Hitz heut. Des hat doch mindestens fünfadreißig Grad?«
»Meine Damen«, brachte sich Dirk Loos in die Unterhaltung ein und schielte unter seinem Dreispitz hervor, der ihm bis auf die Ohrmuscheln gerutscht war, »es ist einfach zu heiß heute. Da gehen die Leute lieber in die Freibäder oder besuchen die schattigen Bierkeller.«
»Papperlapapp«, widersprach seine Vermieterin, »wir sind doch auch da. Gell, Kunni?«
»Genau. Mier sen halt richtige Frankn. Kane so dahergeschlappte Möchtegern-Einheimische.«
»In fünfter Generation«, setzte ihre Freundin stolz hinzu.
Die beiden Witwen kennen sich seit dem Sandkastenalter, haben ihr ganzes Leben in der kleinen mittelfränkischen Gemeinde Röttenbach verbracht und frönen gemeinsamen Interessen, wobei ein deftiges fränkisches Essen auf ihrer Prioritätenliste ganz oben steht. Allen voran ein knuspriges Schäufele, ganz dicht dahinter der gebackene Aischgründer Spiegelkarpfen, welcher bedauerlicherweise nur in den Monaten, die ein »r« in ihrem Namen tragen, auf die Tische der fränkischen Gasthäuser kommt. Neben einem guten Essen – wie sollte es auch anders sein – betreiben die beiden ein intensives lokales Networking, was Nicht-Insider mit dem simplen und irreführenden Wort »Tratsch« betiteln. Zu guter Letzt hatten es sich die beiden Freundinnen in den letzten Jahren zur Aufgabe gemacht, verzwickte Kriminalfälle zu lösen. Die Fernsehserie Tatort, welche sie sich Sonntag für Sonntag zu Gemüte führen, gab vor Jahren den entscheidenden Ansporn dazu. Wenn allerdings die beiden Münchner Kommissare Leitmayr und Batic über die Bildschirme flimmern, gibt es regelmäßig Zoff zwischen Kunni und Retta. Verehrt Margarethe Bauer Kommissar Batic, so ist der in den Augen ihrer Freundin der allerletzte Depp, ein Vollpfosten sozusagen. Wohingegen der Franz Leitmayr für die Kunni der absolute Superstar ist. Na ja, die dabei entstehenden Wortgefechte werden zwar in der Regel deftig ausgetragen, tun aber der alten Freundschaft keinerlei ernsthaften Abbruch. Als Kunni und Retta sind die beiden in der ganzen Ortschaft bei (fast) jedermann bekannt. Zumindest bei den alteingesessenen Röttenbachern. Dabei könnten die beiden Freundinnen unterschiedlicher gar nicht sein. Bringt die Kunni, bei einer Körpergröße von nur einem Meter neunundfünfzig, stattliche vierundachtzig Kilogramm auf die Waage, ist die Retta dünn wie ein Strich in der Landschaft. Greift die Kunni immer öfter auf ihren Rollator zurück, läuft die Retta wie ein Ferrari, frisch aus der Fabrik. Dennoch, das Alter fordert schon auch seinen Tribut. Sind es bei der Kunni Probleme in den Knien, klagt die Retta über die Gicht in den Fingergelenken. Der Dritte im Bunde, der Sauerländer Dirk Loos, Rettas Untermieter, verehrt seine Vermieterin ob ihres deutlich jüngeren Aussehens, ihrer schlanken Figur und ihres modischen Outfits wegen. Aber so richtig landen konnte er bei ihr noch immer nicht. Er ist der immer Nette, immer Höfliche, immer Hilfsbereite, wie auch heute, da er die beiden, wieder Mal, mit seinem Audi A4 durch die Gegend kutschierte.
»Warum hat eigentlich der bayerische Diktator aus München für heut seinen Besuch abgsacht?«, wechselte die Retta das Thema.
»Der Horst? Der Kotzbrockn?«, entfuhr es der Kunni. »Der beim Redn sei Maul net aufkricht und immer bloß durch seine Beißer daher gafert. Gott sei Dank, dass uns der heut net übern Weg gloffn is, gell Retta? Dem hätt ich amol den Marsch blasn, wenn ichn gsehgn hätt. Angebliche politische Gründe, hats gheißen, sind der Grund, warum er doch net nach Erlang kumma is. Zuviel aktuelle Themen. Von Stromtrassen war was in der Zeitung gstandn. Als ob der sich überarbeiten tät. Der doch net. Dafür hat er seinen Erlanger Innenminister gschickt. Auch so ein … na ja. Grinst immer so blöd, als ob er an Patscher hätt. Jahr für Jahr hat der bei der Veitshöchheimer Faschingssitzung dasselbe schwarze Cowboy-Kostüm an. Mich täts net wundern, wenn des zwischendurch net amol gwaschen wird.«
»Sei Nürnberger Kollech is a net besser«, entgegnete die Retta, »von Finanzen keine Ahnung, aber beim Fasching als Gandhi, Marylin Monroe oder als Punker daherkumma, des kann der.«
»Den könntn wir eigentlich als fränkische Geheimwaffe, als Berater sozusagn, zu den Griechn schickn. Als Schäuble verkleidet. Was meinst, wie schnell der die Hellenen aus dem Euroraum nausschmeißn tät«, gluckste die Retta.
»Ob der amol die Nummer eins im Freistaat wird?«
»Ich glaub net«, entgegnete die Kunni, »is doch a a Franke. Hast doch am Beckstein gsehn, wie lang des gutganga is.«
»Heiligs Blechla«, befürchtete die Retta, »man wird doch net die Ilse … die alte Krampfhenna …?«
»Die Ilse? Nie und nimmer. Die versteht doch ka Mensch mit ihrm komischn Dialekt. Mit ihrm Genuschel und Gegatze. Ach Gotterla, wenn des bloß net so haß wär«, stöhnte die Kunni zum wiederholten Male und trank ihr schales Bier leer. »Schmeckt wie Odl«, jammerte sie.
»Seit wann gibtsn den Tag der Franken überhaupt scho?«, hakte die Retta erneut ein, nachdem die Unterhaltung für einige Minuten ins Stocken geraten war.
»Seit dem Jahr 2006«, klärte Dirk Loos die beiden auf. »Wenn es die Damen interessiert, kann ich einiges dazu beitragen. Ich habe mich informiert«, fuhr er fort. Kunni verdrehte die Augen und sah dabei ihre Freundin an.
»Red weiter, Dirk«, forderte sie ihn auf, »aber drück dich net immer so gschwolln aus.«
»Ich werde mich bemühen«, versprach der Sauerländer. »Also im Jahr 1500, am 2. Juli, wurde auf dem Reichstag von Augsburg das Heilige Römische Reich Deutscher Nation in sechs Reichskreise eingeteilt.«
»Reichstag, wie des klingt«, warf die Retta ein, »wie Reichsparteitag.«
»Einer«, fuhr Dirk Loos fort, »umfasste hauptsächlich die Bereiche der Hochstifte Bamberg, Würzburg und Eichstätt, die beiden zollerischen Fürstentümer Ansbach und Kulmbach, sowie die fünf Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Windsheim, Schweinfurt und Weißenburg, das Fürstentum Hohenlohe, die Grafschaft Henneberg sowie einige Kleinterritorien. Bereits 1522 wurde der Reichskreis erstmals als Fränkischer Reichskreis bezeichnet. Er bestand bis zum Jahr 1806.«
»Und dann?«, warf nun die Kunni doch interessiert ein.
»Na ja«, erklärte Dirk, »bereits ab 1795 geriet der Fränkische Kreis zunehmend zwischen die politischen Fronten des napoleonischen Frankreichs und Preußens.«
»Hammers scho widder«, stellte die СКАЧАТЬ