Название: Steine des Schreckens
Автор: Reinhard Kessler
Издательство: Автор
Жанр: Триллеры
isbn: 9783957449658
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Sie lachten.
„Wissen Sie, unsere Nachbarn haben auch einen Hund. Der holt sich immer sein Hundeguzzli ab, wenn er mich sieht. Deswegen habe ich immer einen kleinen Vorrat dabei. Habe ich ganz vergessen vor der Abfahrt aus der Tasche zu nehmen. Jetzt war es doch für was gut. Einen schönen Tag noch.“
„Danke ebenfalls, und da Sie noch länger auf der Insel sind, werden wir uns bestimmt nochmal über den Weg laufen.“ „Das wäre gut möglich. Auf Wiedersehen.“
Jelato und seine Frau gingen los in Richtung der mysteriösen Fundstelle.
Der Hund sah wehmütig seiner verschwindenden Futterquelle nach und machte sich in seinem Hundekopf sicher so klassische Hundegedanken: wieso gehen die einfach weg? Da wäre doch noch mehr möglich gewesen! Ich hab‘s gerochen! Sie kamen an die besagte Bank und erkannten sofort, dass das, was andere eine Sauerei nennen würden, wirklich arrangiert war. Eine arrangierte Sauerei sozusagen. Absichtlich und auch offensichtlich. Das Fischszenario war nicht einfach so zurück gelassen worden. Da steckte ein Gedanke dahinter, eine Absicht. Das sollte gesehen werden. Das sollte auffallen. Aber warum? Doch ein Kunstwerk?
„Wir sollten das nicht überbewerten“, meinte seine Frau und schoss nach und nach trotzdem ungefähr 15 oder 16 Fotos.
„Hey, mach doch nicht so viele Fotos.“
„Ist doch egal, ich kann ja wieder ein paar löschen.“
Das ist so ein Standardspruch im digitalen Fotozeitalter mit der zur Verfügung stehenden unglaublichen Speicherkapazität.
Früher war ein Film teuer und hatte nur wenige Bilder. 24er- oder 36er-Filme waren sehr beliebt, in verschiedenen Empfindlichkeiten und als Kunstlicht- oder Tageslicht-Variante erhältlich, je nachdem, was man brauchte, und wer geschickt im Einlegen war, der konnte noch ein oder zwei Bilder mehr heraus holen. Dann wurde der fertige Film zum Entwickeln ins Fotolabor gegeben und nach 14 Tagen war es dann endlich soweit, die Bilder waren fertig. Das kostete immer viel Geld, auch wenn aus Mitleid etwa drei Abzüge nicht berechnet wurden, weil ganz offensichtlich falsch belichtet oder zu verwackelt.
Ein Foto war also mühsam und teuer, und deshalb wurde genau überlegt, ob ein Motiv knipsenswert wäre, und wenn ja, mit welcher Verschlusszeit und mit welcher Blende. Ein Belichtungsmesser war damals noch teuer und nur selten eingebaut. Undenkbar heute. Richtig scharf stellen war auch eine Kunst für sich, trotz Fresnel-Einstellhilfe. Die Fachdiskussion, ob es Tiefenschärfe heisst oder Schärfentiefe, ist bis heute nicht entschieden.
Aber heutzutage bedeutet Fotografieren was ganz Anderes. Man hält einfach drauf und los geht es. Es wird automatisch belichtet, es wird automatisch scharf gestellt, es wird automatisch mit Datum und Uhrzeit gespeichert, es fehlt wirklich nur noch die automatische Motivklingel, die ein Signal gibt, wenn irgendwo ein interessantes Motiv zum Knipsen ist. Der einzige begrenzende Faktor ist – der Akku.
„Ich muss den Akku wieder ans Netz hängen“, sagte sie beim Einsetzen des Ersatzakkus und gemeinsam prüften sie die Bilder im kleinen Monitor am Apparat. Sie fanden die Bilder ok und gingen weiter.
„Wenn das Kunst sein soll, dann weiss ich auch nicht.“
Danach sagte er einen Satz, der ihn sofort als bekennenden Kunstbanausen outete: „Das ist höchstens Wulst. Kunst kommt von Können, Wulst kommt von Wollen.“
„Egal was es jetzt tatsächlich darstellt. Das Leben ist hier so ruhig, dass ein toter Fisch den aufregendsten Teil des Tages bildet, DAS Ereignis des Tages, ich glaube es ja nicht.“
„So stellt man sich doch Urlaub vor.“
„Eigentlich schon.“
„Im Urlaub vergeht die Zeit doch wie im Fluge. Wenn jetzt noch jeden Tag richtig was los wäre, dann würde die Urlaubszeit ja noch schneller rum sein. Das willst du doch auch nicht – oder ist dir langweilig?“
„Nein, sicher nicht!“
Sie setzten ihren Weg vorbei an ein paar Windrädern in Richtung Ferienwohnung fort.
Jelato fiel auf, dass diese Energieerzeuger im Wind alle in der gleichen Uhrzeigerrichtung drehten. Er grinste über das ganze Gesicht und fing an, sinnleere, aber doch interessante Gedanken zu entwickeln.
„Normal wären doch rechtsdrehende und gleichviele linksdrehende Windmühlen. Hier scheint jemand das ökologische Windmühlengleichgewicht zugunsten einer bevorzugten Drehrichtung zu verändern – das sieht nach einer menschlichen Manipulation aus. Ein menschlicher Eingriff in das globale Windmühlengleichgewicht.“
„Deine Sorgen möchte ich mal haben! Du machst dir aber auch über den letzten Mist Gedanken. Ob das mal besser wird?“
„Das Gehirn hat eben auch Urlaub und will spielen. Ausserdem ist das kein Mist. Hier geht Diversität verloren, eine ganze Gattung andersrum drehender Windmühlen wird verdrängt, bis es am Schluss nur noch eine Sorte gibt. Bei unseren Planeten ist das auch so, die umkreisen die Sonne auch nur in einer Richtung. Das wär doch viel spannender, wenn da zwischendrin ein Planet eine gegensätzliche Umlaufbahn hätte.“
„Stimmt eigentlich. So gesehen. Es gibt auch für die ganze Galaxie eine Drehrichtung.“
„So weit müssen wir gar nicht gehen. Weisst du, auch die Bohnen wachsen immer so rum um die Stange“, sagte er und machte eine typische Wendeltreppen-Geste mit der Hand.
„Ist es nicht gerade anders rum?“, sagte sie und machte exakt die gegensätzliche Bewegung mit der Hand.
„Wir müssen das mal klären. Das ist doch wichtig, in welcher Richtung die Bohnen um die Stange wachsen.“
„Ich glaube, wir sollten abends nicht so viel trinken“, sprach‘s und weiter ging es in Richtung der Ferienwohnung in dem umgebauten Nebengebäude eines früheren Bauernhofes. Es waren vom Strand aus nur ein paar hundert Meter und kurze Zeit später erzählten sie dem zufällig im Garten arbeitenden Vermieter von dem geheimnisvollen Fisch-Vorkommnis.
Der konnte damit aber auch nichts anfangen. Die Problematik des Leerfischens der Meere war ihm zwar klar, aber von einer Kunstaktion war ihm nichts bekannt. Es war auch keine Protestaktion oder sowas angekündigt.
Normalerweise wird ja bei solchen Events oder Happenings jeweils vorher zufällig die lokale Presse informiert, damit auch genügend Publikum anwesend ist. Die Informationen zu sowas sickern oft als gezielte Indiskretion durch, damit es noch interessanter wird.
Surrealistische Performance oder so wird dann gemunkelt und schlussendlich lässt sich irgendein dümmlich in die Kamera grinsender Lokalpolitiker oder Tourismusdirektor mit dem sehr ernst wirkenden Künstler mit Bart und ungebändigtem Haar im Wollpullover und mit Wollmütze ablichten. Der Künstler würde deshalb so ernst dreinschauen, weil er damit die Bedeutungsschwere seines Werkes unterstreicht. Nein, sowas war es hier also nicht.
Der Vermieter hatte eine weitere Deutung des Fisch-Rätsels: „Ein Fisch ist doch auch ein Symbol für die Zugehörigkeit zur christlichen Glaubensgemeinde. Der reiche Petrus war doch Mit-Erbe eines familieneigenen Fischereibetriebes, wenn ich mich nicht irre, ohne Fangquotenregelung übrigens. Handelt es sich eventuell um ein religiöses Ritual?“
„Ob wir das je erfahren werden?“
Der СКАЧАТЬ