Название: Steine des Schreckens
Автор: Reinhard Kessler
Издательство: Автор
Жанр: Триллеры
isbn: 9783957449658
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„Ist ja Wahnsinn! Soviel Geld müsste man haben. Und der Stein sah noch interessant aus, fast wie ein Fisch. Die ganze Sache wirkte irgendwie arrangiert. Das hat jemand absichtlich so auf der Bank deponiert.“
„Haha, die meisten Leute, die was auf der Bank deponieren, machen das absichtlich.“
„Ja, ja, bei Geld und Gold ist das klar, aber das hier, das verstehe wer will.“
„Verstehen ist vielleicht gerade das richtige Stichwort. Wenn man irgendetwas in der Art nicht versteht, dann handelt es sich oft um Kunst.“
„Kunst? Wie das denn? Was soll denn daran Kunst sein?“
„Ach, wissen Sie, da legt so ein Künstler einen toten Fisch auf eine Bank und sagt, das wäre ein Protest gegen das Leerfischen der Meere oder der letzte Aufschrei der gequälten Kreatur. Vielleicht auch ein Protest gegen das Massaker an den Haien und gegen die Jagd auf die Wale. Später gibt es dann einen Preis für dieses avantgardistische Werk und wir waren wieder mal die Deppen, die die Bedeutung des Werkes nicht erkannt haben.“
„Verdammt, Sie haben recht, wieso haben wir das vorhin nicht gerafft? Das muss ein Kunstwerk sein, haha.“
„Sie haben uns jetzt aber wirklich neugierig gemacht. Wir gehen nachher mal an der Bank vorbei und schauen uns das auch mal an. Das ist kein grosser Umweg für uns auf dem Weg zurück in die Ferienwohnung.“
„Tun Sie das! Man sollte das eigentlich fotografieren. Schliesslich könnte es ja tatsächlich ein grosses Kunstwerk sein. Wenn Sie recht haben sollten, dann wird das irgendwann mal sehr wertvoll.“
„Das Foto?“
„Ja – womöglich. Das Gesamtwerk an sich ist ja vergänglich. Der tote Fisch wird gefressen, das Grünzeug wird vom Wind runter geweht und der Stein wird von irgendjemandem von der Bank geschubst. Das war es dann mit dem Kunstwerk. Es gibt ja sogar Künstler, die bauen was aus Sand oder im Winter aus Eis, und bei der nächsten Flut oder im Frühjahr ist dann alles wieder weg. Das wäre dann ein Abbild für die Vergänglichkeit von allem Irdischen, sagen sie mit voller Überzeugung. Ein Foto bleibt.“
„Es wäre natürlich auch möglich, dass das Ganze einfach nur ein ganz grosser Quatsch ist.“
„Trotzdem, ein Foto wäre nicht schlecht.“
„Das machen wir, wir fotografieren das, wir haben einen kleinen Fotoapparat dabei. Und wer weiss, vielleicht sollte man der Polizei doch einen Hinweis geben. Tote Fische sind nach Artemidoro‘s Traumdeutung Hinweise auf eine verlorene Hoffnung oder auch auf eine grosse Enttäuschung. Vielleicht will irgendjemand etwas damit sagen, irgendein Signal geben.“
Seine Frau schritt bei diesem Phantasieausbruch ein: „Jetzt hör aber auf!“
„Nein. Es könnte eine Drohung sein. Jemand, der verlassen wurde und auf diese Weise Rache nimmt oder ankündigt.“
„Das klingt ja beängstigend. Ich glaube, Ihr Beruf hat Sie zu stark geprägt. Sie vermuten ja sofort das Schlimmste. Aber mysteriös ist das schon, speziell das mit dem Stein. Die Interpretation als makabres Kunstobjekt ist mir da viel lieber.“
„Ach Gott ja, in meinem Beruf kriegt man auch viel zu sehen. Ich wollte Sie nicht erschrecken, und das mit dem Stein, das muss ja nichts bedeuten. Steine gibt es hier genug und in allen möglichen und unmöglichen Formen. Haben Sie auch schon fleissig gesammelt?“
„Nein, das wird uns immer zu schwer mit der Zeit. Da kriegt man ja lange Arme und kurze Beine. Am Schluss sieht man aus wie ein Orang-Utan. Und Sie, sammeln Sie Steine? Bernstein soll es hier ja auch geben. Das Gold der Ostsee, wie es heisst.“
„Nein, wir sammeln eher Muscheln. Aber nicht ganz freiwillig. Da müssen wir mindestens einen halben Eimer voll für unsere Enkel mitbringen, sonst gibt es lange Gesichter.“
Man fachsimpelte anschliessend noch über die Herkunft der Steine im Allgemeinen und der Feuersteine im Speziellen. Jelato erwähnte dabei, dass auf Rügen natürlich die allermeisten zu finden wären, weil die aus den Kreidefelsen ausgewaschen würden und gemischt mit Granit in unterschiedlichsten Farben bilden die dort den Kieselstrand.
Vom Thema Feuersteine war es nicht weit zum englischen Ausdruck Flintstones und gleich war man auch bei der Familie Feuerstein. Die kannten sie alle. Fred Feuerstein und Barney Geröllheimer waren ja auch beeindruckende Charaktere. Einzelne technische Erfindungen der Flintstones wurden diskutiert, vom Telefon über die Autos und den Schallplattenspieler bis zum Hausdinosaurier reichte das Gespräch. Eh sie sich versahen, war eine Stunde vergangen.
Jelato fragte seine Frau: „Wir sollten jetzt! Was meinst du? Ein paar Bilder von dem toten Fisch machen wir noch und dann geht es in die Ferienwohnung und später zum Essen in die Stadt. Gut?“
Sie war mehr als einverstanden. Schliesslich hatten auch sie sich einen guten Hunger angelaufen. Auch das gehört zu Ferien dazu. Man ist den ganzen Tag draussen an der frischen Luft und bewegt sich und als Folge entwickelt man einen guten Hunger – selbst das einfachste Essen schmeckt in den Ferien gut. Das Sprichwort stimmt: Hunger ist der beste Koch.
Jelato und seine Frau erhoben sich also von der Bank und zogen ihre Jacken zurecht. Sie wühlte einen Fotoapparat aus ihrem kleinen Rucksack hervor und gab ihn Jelato.
Dann hängte sie den Rucksack wie ein Stadtmensch über ihre linke Schulter. Er runzelte die Stirn und schaute kritisch, sagte aber kein Wort. Nur keine sinnlose Diskussion jetzt. Den Rucksack auf diese Art zu tragen, das konnte er nicht nachvollziehen. Das ergibt doch mit dem dann zur Seite verlagerten Schwerpunkt insgesamt eine labile Gleichgewichtslage. Den Kindern erklärt man, wie sie den Schulranzen zu tragen haben. Abweichungen davon können zu Haltungsschäden führen, sagt man ihnen.
In den Bergen werden Menschen mit dieser Art des einschultrigen Rucksacktragens sicher nicht alt. Die Darwinsche Auslese und der sarkastische Darwin-Award fielen ihm dazu ein, ein Preis, der naturgemäss üblicherweise nur posthum zu erlangen ist, zum Beispiel durch Absturz wegen falschem Tragen von Rucksäcken.
Bedingung für diesen Preis ist allgemein das möglichst dümmliche, vor allem aber definitive Ausscheiden aus dem menschlichen Genpool. Bewerben für diesen Preis kann man sich zu Lebzeiten ausschliesslich durch eine dumme Tat mit den entsprechenden Folgen. Je dümmer die Tat ist, umso höher steigt man im Ranking. Für Interessenten: schon Beerdigte werden für die Preisverleihung nicht wieder ausgebuddelt und die Tat muss schon ausserordentlich sein -ausserordentlich dumm. Ein ganz berühmtes Beispiel für sowas Saudummes ist, wie könnte es anders sein, ein Anwalt, der in einem Hochhaus im 24ten Stock seinen Gästen die Stabilität der eingebauten Fenster vorführen wollte und sich dagegen warf. And the winner is …
Der Hund verfolgte aufmerksam jede Bewegung. Sicherlich vermutete er irgendwas Essbares im Rucksack und war schon voller Erwartung. Sein Schwanzwedeln war verräterisch. Der hatte da sicher schon lange was gerochen. Dafür sind diese Tiere ja bekannt. Tatsächlich hatte Jelatos Frau in einer kleinen Plastiktüte ein paar Hundeleckerli dabei und fragte: „Darf er?“
„Ja, machen Sie nur.“
Sie warf dem Hund ein Leckerli hin, aber aus Respekt vor dem Hund warf sie es nicht auf ihn zu, sondern rücksichtsvoll neben ihn. Wie schnell das träge Tier doch zuschnappte! Eben noch scheintot und jetzt plötzlich quicklebendig.
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