Tödliche Zeilen. Uwe Schimunek
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Название: Tödliche Zeilen

Автор: Uwe Schimunek

Издательство: Автор

Жанр: Зарубежные детективы

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isbn: 9783955522322

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СКАЧАТЬ zum Beispiel dieser Matrose, der sich jeden Mittag eine doppelte Portion nahm. Die ganze Mannschaft war erbost über ihn. Eines Nachts hörte ich vom Achterdeck einen Schrei und dann ein Platschen … Da hatten die Fische etwas zu futtern. Niemand hat je erfahren, was genau passiert ist.«

      Kutscher lachte und nahm seinen Humpen in die Hand. »Das ist ja ein hübsches Seemannsgarn.« Er zögerte einen Moment. »Oder?«

      »Wenn ich das verraten würde«, antwortete der Neue mit einem Spitzbubenlächeln, »bräuchte ich ja keine Geschichten mehr zu erzählen.«

       Wie einfach das ist! Ich bin nicht das kräftigste Geschöpf unter Gottes Himmel. Doch ein Schlag mit dem rechten Werkzeug reicht. Schon geht ein Mensch zu Boden und steht nie wieder auf. Bis vor wenigen Stunden habe ich mir vorgestellt, wie ich wieder und wieder auf einen Kopf einhaue. In Wahrheit ist das gar nicht nötig. Es kommt nur auf die Schärfe des Hiebinstruments an.

       Bis vor Kurzem hätte ich zudem erwartet, dass mein Gewissen mich hernach quält. Doch nun verspüre ich keinerlei Schuldgefühle. Es hat den Rechten getroffen. Ich tat, was zu tun war.

       Es geht mir gut. Selten fühlte ich mich derart rechtschaffen müde. Was für ein schöner Tag!

      Mittwoch, 9. Januar 1907

      Lassen Se mich schaun«, sagte Machuntze in seinem breiten Sächsisch und blätterte die Unterlagen auf seinem Schreibtisch durch. Auch wenn der Beamte vor einem Jahr zum Polizeikommissar befördert worden war, oblag ihm weiterhin die Aufgabe, Edgar Wank mit Informationen für die Rubrik Polizeiliches aus Leipzig zu versorgen. Dafür war der Redaktionsdirektor höchstpersönlich in der Behörde vorstellig geworden. Machuntze tippte auf ein Blatt und fuhr fort: »De Welt wird immer verrüggder, mei Liebor. Hörn Se sich de Geschichte von dem Mädchen an.« Er berichtete, dass ein zwölfjähriges Mädchen in der Eisenbahnstraße kleinen Kindern das Geld abluchste, mit dem sie zum Einkaufen geschickt worden waren. »’ne Zwölfjährige! Um so was müssn mer uns nunne gümmern. Als wärn mir’n Gindergarden.«

      »Was trug die kleine Gaunerin denn für Kleidung?«, fragte Wank, während er die Fakten notierte.

      Machuntze hielt sich die Unterlagen näher vor die Augen. Eine Spitze seines gezwirbelten Schnurrbarts ragte neben dem Blatt in die Höhe. »’n graues Schagett und ’ne rote Deggelmütze, ham de Beamten vermerkt.«

      »Adrett«, murmelte Wank.

      »Dann ham wir ’nen Selbstmord von ’nem Fabrikanten, ’nen Einbruch in een Goldwarengeschäft.« Machuntze blätterte die Atkten durch. »Und schaun Se nur hier, een Arbeiter is in een Restaurant eingestiegn und wollte die Gasse klaun, sein Gumpane stand Schmiere. Ooch hier dürfn Se de Festnahme vermeldn.« Machuntze klang stolz, als hätte er die beiden eigenhändig festgesetzt.

      Wank schrieb die Informationen in sein Notizbuch und wartete darauf, dass Machuntze auf den Toten aus der Blumengasse zu sprechen kam.

      Vergebens, denn der Beamte legte den Papierstapel beiseite. »Das war’s. Mehr gibt’s erscht ema aus unsrer Behörde nisch zu vermeldn.« Machuntze erhob sich. Der Polizist war so klein, dass die Papierstapel auf seinem Schreibtisch beinahe bis zu seiner Brust reichten. Er kam hinter dem Schreibtisch hervor, tippelte zu Wank und zog zum Abschied seine Dienstmütze.

      Wank blieb auf seinem Schemel sitzen.

      »Is noch ewas unglar, mei liebor Herr Wank?«, fragte der Kommissar mit zum Gruß ausgestreckter Hand.

      »Nun ja, ich denke, Sie ahnen es, Herr Kommissar. Mir ist da ein Vorfall zu Ohren gekommen.«

      »’n Vorfall«, murmelte Machuntze. Er trat einen Schritt zurück und stützte sich mit dem Ellenbogen auf seinem Schreibtisch ab.

      »In der Blumengasse«, ergänzte Wank.

      »Ich hätt’s wissn müssn. Wenn zwee Schmier …« Machuntze verschluckte das Wort und setzte erneut an. »Wenn zwee Schlaumeier sich kenn, dann gann nüscht Gutes dabei rauskomm.«

      Wank blieb still und bemühte sich, ein Grinsen zu unterdrücken.

      Der Beamte krümmte sich, so als müsste er vor etwas zurückweichen. »Was soll’sch da sagn? Mir wissn noch überhaupt nüscht.«

      »Nun, wer da in der Blumengasse gefunden wurde, ist schon bekannt. Und dass der Herr ziemlich tot war, auch.« Wank merkte, dass er eine Spur zu sarkastisch klang.

      Machuntze zog ein missmutiges Gesicht und brummte: »Wenn Se alles scho wissn, müssn Se mich ooch nimmer frachn.«

      »Entschuldigen Sie bitte, Herr Kommissar.« Wank hob die Hände und suchte nach einem versöhnlichen Ton. »Gibt es einen Grund, warum wir über diesen Todesfall nicht berichten sollen? Es handelt sich doch immerhin um ein mutmaßliches Kapitalverbrechen.«

      »Genau das is ebn no gar ni glar. Mir untersuchn gerade noch de Leiche von dem Herrn Orlog und ooch den Ziechel. Aber de Kollechn findn nüscht.« Machuntze hob die rechte Hand und zählte die Punkte an den Fingern ab. »Keene Fingerabdrügge annen Sachen von dem Herrn. Keene Fingerabdrügge am Ziechel. Keene Spurn von ’nem Kampf oder dergleichn. Nüscht.«

      Den folgenden Vortrag über die Daktyloskopie kannte Wank schon zur Genüge. Er hörte kaum noch hin, als Machuntze ihm erzählte, dass bei der Leipziger Polizei nun auch Fachbeamte mit dem erst vor vier Jahren in Deutschland eingeführten Verfahren arbeiteten. Wank selbst hatte in einem Artikel für die Beilage darüber berichtet, wie leicht es geworden war, Personen zu identifizieren, seit der britische Forscher Edward Richard Henry die Muster der Handlinien klassifiziert hatte.

      Geduldig ertrug Wank die Ausführungen des Polizisten und wandte anschließend ein: »Es hat den ganzen Tag geschneit. Leicht nur. Aber könnte der tauende Schnee die Fingerabdrücke nicht abgewaschen haben?«

      Machuntze hielt immer noch die drei Finger der rechten Hand in die Höhe, schwieg nun aber.

      »Oder was, wenn der Täter Handschuhe getragen hätte? Es ist schließlich Winter.«

      »Wenn, wenn, wenn!« Machuntze führte die Hand zu seinem Gesicht und zwirbelte seinen Schnurrbart. »Wenn dor Däder sich bei uns gemeldet hätte, wär er schon eingesperrt. Aber so wissen mer halt nisch ema, ob’s ’ne Dad gab.«

      »Hören Sie, Herr Machuntze, ich war gestern mit Herrn Kutscher in der Blumengasse. Und da ist uns etwas aufgefallen.« Wank berichtete in kurzen Worten von ihren Flugbahnberechnungen rund um den Hut des Toten. »Aus meiner Sicht bleibt angesichts dessen kaum eine andere Möglichkeit, als dass Herr Orlog ermordet wurde.«

      »Nunne, so’n Hut kann ooch ma vom Wind een paar Meter geweht wern, wenn er offm Boden liecht, oder?« Machuntze bewegte die Hand in leichten Wellen durch die Luft.

      »Herr Kutscher hat von Windstille berichtet.«

      »Da reicht schon ma ’ne Bö. Vielleicht bevor Ihr Freund off de Straße trat.«

      »Möglicherweise. Das erklärt aber noch nicht, warum Orlog seinen Hut nicht auf dem Kopf trug, als er vom Stein erschlagen wurde. Denn wie ich hörte, war der Hut völlig ohne Schaden.«

      Machuntze СКАЧАТЬ