Götterhämmerung & Walkürentritt. Olaf Schulze
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Название: Götterhämmerung & Walkürentritt

Автор: Olaf Schulze

Издательство: Автор

Жанр: Историческая фантастика

Серия:

isbn: 9783944180458

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СКАЧАТЬ Musikverlag und auch in der örtlichen Theaterleitung hätten die Verantwortlichen eventuell eine, in einigen Punkten differierende Haltung zu Kindlers Überlegungen eingenommen, aber der Zuschauerraum war dunkel und von beiden Institutionen niemand anwesend. Während das Orchester sich bravourös durch die Ouvertüre tastete, dachte der filmende Kindler mit erheblichem Respekt an die unglaubliche, blonde Sexbombe, die mit dem dicken Lehmann gekommen war. Hatte der alte Halunke also doch nicht zu dick aufgetragen. Kindler verstand nur überhaupt nicht, was eine solche Frau mit einem Typen wie Lehmann anfing.

      Noch einige Reihen dahinter massierte sich Sabrina Donath die Schläfen. Sie hatte Kopfschmerzen von der ganzen Aufregung im Kyffhäusergebirge. Körperlich erschöpft war sie auch, denn die Streitaxt hatte ein beträchtliches Gewicht und es waren gut und gerne zwei Kilometer vom Plateau bis zu ihrem kleinen Renault gewesen. Sie merkte schon in den Unterarmen, was sie da morgen für ein prächtiger Muskelkater erwartete. Die alte Axt hatte sie erst einmal in der Redaktion gelassen. Henriette wusste auch nicht zu sagen, ob das Ding wertvoll war oder nicht. So blieb ihr nichts anderes übrig, als in den nächsten Tagen den Direktor des städtischen Heimatmuseums darüber zu befragen. Eigentlich war sie ziemlich kaputt und hatte keine Lust gehabt, sich einen tonnenschweren, stundenlangen Wagner anzutun. Aber in der Wochenendausgabe war ihre Kunstkolumne fällig und andere kulturelle Ereignisse hatte es in dieser Woche einfach nicht gegeben. Neben ihr saß Enrico mit schussbereiter Kamera und großem, aufgeschraubtem Objektiv. Er selbst machte auch nicht den frischesten Eindruck, sein Kopf prallte in unregelmäßigen Abständen gegen ihre Schulter, um dann erschreckt zurückzuschnellen. Hoffentlich fängt er nicht an zu schnarchen, dachte Sabrina.

      Frieda versuchte der Handlung auf der Bühne zu folgen, was durch mehrere Aspekte erschwert wurde. Die Musik war zu laut.

      Die Texte der Sänger waren unverständlich.

      Sie spielten keine Geschichte, sondern standen steif herum, klopften sich hin und wieder auf die Brust und rollten furchterregend mit den Augen.

      Bisher hatte Frieda folgendes gesehen:

      Ein Mann kam schwankend auf die Bühne und sang auf eine Frau ein, die dort schon wartete. Dann erschien ein weiterer Mann, der viel tiefer sang und scheinbar den ersten nicht leiden konnte. Der wiederum zog, als er allein auf der Bühne war, eine Schwerterattrappe aus einer Baumattrappe und anschließend, als hätte sie darauf gewartet, kam die Frau wieder und die beiden fassten sich beim Singen an den Händen. Den weiteren Verlauf der Handlung hätte Frieda auf Nachfrage nicht mehr exakt wiedergeben können, denn ihr waren die Augen zugefallen und sie schlummerte selig.

      Ihre nächste Erinnerung war eine wohltönende und sogar verständliche Baritonstimme, die gerade sang:

      „not tut ein Held,

      der, ledig göttlichen Schutzes,

      sich löse vom Göttergesetz.

      So nur taugt er zu wirken die Tat,

      die, wie not sie den Göttern,

      dem Gott doch zu wirken verwehrt.“

      Langsam sickerte das Gehörte in Friedas Bewusstsein, ohne dass sie einen Zusammenhang zwischen den einzelnen Worten herstellen konnte. Sie dachte eine Weile nach und kam zu dem Schluss, dass der Sänger gemeint haben musste, er suche einen Helden, der irgendeinen Auftrag ausführen sollte, den die Götter nicht selbst erledigen wollten. Das erinnerte sie an ihren eigenen Auftrag, den sie hier erfüllen musste, und sie schlug vorsichtig ein Auge auf und blinzelte ins grelle Bühnenlicht. Dort standen jetzt andere Sänger und … bei Odin, das sollte der Göttervater selbst sein! Und das Weib an seiner Seite sollte wohl ihre Schwester Fricka darstellen. Frieda, die eigentlich die Fruchtbarkeitsgöttin Freya war, erschauerte. Das war Blasphemie, das war ganz eindeutig Blasphemie!

      „Oh, ihr Götter!“, stöhnte sie und rutschte auf ihrem Sitz herum. Ihr Kleid zog sich noch weiter in Richtung Bauchnabel zurück und Lehmann, von ihren Worten aus dem pompösen Kunstgenuss gerissen, war es plötzlich unmöglich, den Blick von Friedas Schoß zu wenden.

      „Jetzt reicht es aber!“, schrie Freya, die auch als Kriegsgöttin einen wohlklingenden Namen hatte. „Das brauche ich mir nicht gefallen zu lassen!“

      Als sie jetzt sah, wohin Lehmann unverwandt starrte, sprang sie auf und versetzte ihm eine schallende Ohrfeige mit ihrer kleinen, schwarzen Lederhandtasche. Ein Raunen ging durch das Publikum, der Dirigent wandte den Kopf mit verstörtem Blick.

      „Schauen Sie mich nicht so an!“, brüllte die erzürnte Göttin und zwängte sich aus ihrer Sitzreihe heraus. Kaum hatte sie das geschafft, bückte sie sich, ergriff ihren hochhackigen linken Pumps wie eine Schlachtaxt und schleuderte ihn dem verdutzten Orchesterleiter mit voller Wucht ins Gesicht. Es war ein Volltreffer. Dem Musikdirektor wurde plötzlich schwarz vor Augen. Eine Reihe goldener, ausgestanzter Weihnachtssterne drehten sich in dieser Finsternis kurzzeitig vor seinem geistigen Auge im Kreise und dann wurde es Nacht. Der Obermusiker plumpste wie ein prall gefüllter Kartoffelsack kopfüber in Richtung erste Geigen, wo er krachend auf seiner japanischen Konzertmeisterin zu liegen kam. Pling, schnarrte deren Violine und die Seelen mehrerer tausend Euro machten sich auf die Reise in das wunderbare Nirwana des Mammons. Die letzten Instrumente, die bisher tapfer den Anschein einer geordneten Wagneraufführung aufrecht erhalten hatte wollen, brachen jämmerlich mitten im Ton ab. Auf der Bühne glotzte das Sängerpärchen verdutzt in das große, schwarze Loch, aus dem jetzt ein kleiner Gegenstand herangepfiffen kam und den Wotan-Darsteller an der Schulter traf. Es war Freyas rechter Schuh. Wenig später hatte die aufgebrachte Blondine die Bühne erklettert und wäre fast in den Orchestergraben gestürzt, wo eine weinende Japanerin die Reste ihres italienischen Streichinstrumentes wie ein Baby im Arm hielt. Bei den beiden Bühnensolisten angelangt rief Freya: „Ihr jammervollen Gestalten wollt doch nicht die obersten Götter vorstellen?“

      Die beiden Gesangssolisten hatten schon eine längere Bühnenlaufbahn in der Provinz hinter sich, in deren Verlauf sie einigen unbegreiflichen Situationen ausgesetzt waren, allerdings konnten sie sich an keinen vergleichbaren Vorfall in ihrer Karriere erinnern. Völlig verunsichert wussten sie nicht, ob die Dame im schwarzen Minikleid eine wirkliche Konversation führen wollte oder die Frage rein rhetorischer Natur war. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten und war eine schmetternde Breitseite mit der Handtasche der aufgeregten Besucherin, die den verdutzten Wotan voll auf die Nase traf. Letztere rettete sich vor weiteren Angriffen durch sofortiges, heftiges Bluten. Und wirklich schien das, aus dem Riecher des Sängers schießende Blut, Freyas Angriffslust abrupt zu bremsen.

      „Und du willst meine Schwester Fricka sein?“, höhnte sie bedrohlich laut schnaubend. Die Fricka-Darstellerin war vor Entsetzen erstarrt und wimmerte leise vor sich hin: „Tun Sie mir nichts, um Gottes willen, tun Sie mir nichts.“

      „Und um wessen Willen?“, wollte Freya wissen. Die Fricka-Frau glotzte sie verständnislos an. Mit weit geöffnetem Mund hörte sie aus der Gasse den verzweifelten Inspizienten kreischen: „Vorhang, Technik, Vorhang!“

      Freya wurde sich langsam ihrer Situation bewusst und es tröpfelte die Erkenntnis in ihren Verstand, dass sie gerade einen großen Fehler beging. Sie schaute sich verwirrt auf der Bühne um. Was hatte sie geritten und wie kam sie hierher? Da erblickte sie plötzlich am Kostüm Wotans ein Detail, das ihr bisher nicht ins Auge gefallen war. Sie fürchtete ernsthaft um ihren Verstand. Dort hing im Gürtel des schmerbäuchigen Götterdarstellers nichts anderes als Mjöllnir. Es war nicht zu fassen, Thors furcht- und segenspendender Hammer baumelte von dieser Witzfigur herab, die sich immer noch laut jammernd die Nase hielt. Freya schrie schrill auf: „Wie kommst du zu Thors Hammer, du ekle Missgeburt?“

      Sie schickte sich an, das blutverschmierte Gesicht des Sängers mit Kratzspuren ihrer frisch manikürten СКАЧАТЬ