Weltreligion versus Sexualität. Gerd Wange
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Название: Weltreligion versus Sexualität

Автор: Gerd Wange

Издательство: Автор

Жанр: Религия: прочее

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isbn: 9783961450435

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СКАЧАТЬ ihres sündigen Treibens für ein von Gott geschicktes Erdbeben verantwortlich, und Eli Jischai, der frühere Innenminister, nannte sie eine „Minderheit mit Normdefekt“. Noch immer gibt es homophobe Angriffe und Fälle, in denen Familie ihre Kinder aus dem Haus werfen. Selbst in säkularen Kreisen ist das traditionelle Familienleben, also Mutter, Vater und Kinder, richtungweisend.

      Der Rabbiner der US-Gemeinde „Temple Aliyah“ in Needham, Massachusetts, Carl M. Perkins, bringt in seinem Artikel „Kann denn Liebe Sünde sein?“ (veröffentlicht in der „Jüdischen Allgemeine“ im Juni 2011), die Problematik auf den Punkt:

       „Die Bibel, der Chumasch, war im Laufe der Jahrhunderte für viele Menschen eine Quelle der Inspiration. Sie half ihnen in ihrem Streben nach Anstand, Güte und Gerechtigkeit. Sie diente aber auch als Vorwand für Grausamkeit und Gewalt und brachte viel Leid und Verzweiflung. Im Namen dieses Buches haben viele Menschen großartige Dinge vollbracht. Andere vollbrachten schändliche Taten in seinem Namen. Im 1. Buch Moses, in der Parascha Wajera, lernen wir die Stadt Sodom kennen, einen Ort großer Niedertracht und Verdorbenheit. Wir erfahren aus dem Teil der Parascha nicht, worin genau die Verdorbenheit der Stadt bestand, doch wird uns später mitgeteilt, dass die Männer Sodoms nicht nur ungastlich, brutal und grausam waren – sondern auch homosexuell.

       Nun, wir haben es hier mit der Bibel zu tun. Sie verfügt über große Autorität. Und indem sie eine Metropole der Niedertracht und Verdorbenheit, einen Ort, der so schrecklich ist, dass er die absichtsvolle Zerstörung durch Gott verdient, mit Homosexualität in Zusammenhang bringt, macht die Bibel deutlich, was sie über Menschen denkt, die sich eines solchen Verhaltens schuldig machen. Sie sind es nicht wert, zu leben. Es gibt nicht sehr viele Texte in der Bibel, die Homosexualität erwähnen oder darauf Bezug nehmen, doch wie der hier vorliegende scheint jeder einzelne von ihnen sie zu verdammen. So überrascht es nicht, dass jeder, der in einem auf der Bibel beruhenden religiösen Glauben erzogen wurde, egal ob es sich um das Judentum, Christentum oder den Islam handelt, die eindeutige Botschaft hört: Homosexualität ist böse. Nicht nur böse, sondern wirklich böse. Man denke an das Leid und die Verzweiflung, die diese Verdammung über die Jahrhunderte hervorgerufen hat. Männer und Frauen, die sich von Menschen ihres eigenen Geschlechts und nicht von solchen des anderen Geschlechts angezogen fühlten – ansonsten anständige, liebenswürdige und moralische Individuen -, wurden verspottet, verleumdet und verfolgt. Und es geschieht auch noch in unserer heutigen Zeit.

       Vor Kurzem fand ein junger homosexueller Student an der Rutgers University, der sich nicht als homosexuell geoutet hatte, heraus, dass sein Mitbewohner ihn heimlich in seinem Zimmer gefilmt hatte. Er sprang später von der George-Washington-Brücke in den Tod. Selbstmorde junger Männer und Frauen, die entdecken, dass sie homosexuell sind, kommen häufiger vor, als man glaubt – in manchen Fällen ist es die traditionelle Verurteilung durch ihre Religion, was die jungen Leute in den Selbstmord treibt. Steven Greenberg, ein bekennender homosexueller orthodoxer Rabbiner, diskutierte vor einiger Zeit mit einem bekannten und respektierten jüdischen Religionsführer. Greenberg sprach von den vielen jüdischen homosexuellen Männern und Frauen, die der Thora ergeben seien und denen großes Leid widerfahre. „Viele verlassen die Gemeinde“, sagte er. „Einige junge homosexuelle Menschen“, fuhr er fort, „sind so verzweifelt, dass sie sich umzubringen versuchen.“ Und was erwiderte der Rabbiner? „Vielleicht vollbringen sie damit eine Mitzwa“ (Einhaltung der jüdischen Gebote) Nun ist diese Reaktion sicherlich extrem. Aber sie enthüllt auch eine einfache Wahrheit. In Greenbergs Worten wäre es vielen Religiösen am liebsten, wenn Homosexuelle auf die eine oder andere Art und Weise einfach verschwinden würden. Die Reaktion auf diese Antipathie liegt auf der Hand: Wenn junge Homosexuelle allmählich begreifen, wie intensiv der Wunsch der Gemeinde ist, dass sie verschwinden, wie brutal es sein kann, scheint der Freitod ein letzter, verzweifelter Ausweg, wie wir es allein im letzten Monat einige Male erlebt haben.

       Das Unbehagen, das Homosexualität in vielen religiösen Menschen hervorruft, hat eine erstaunliche Macht über sie. Es wird niemanden überraschen, dass in Israel, dem Zentrum der drei abrahamitischen Religionen, interreligiöse Gefälligkeiten nicht gerade an der Tagesordnung sind. In Jerusalem gehen religiöse Christen, Muslime und Juden auf der Straße aneinander vorbei, ohne dass ein Kontakt zwischen ihnen stattfindet, von einem konstruktiven Gespräch ganz zu schweigen. Doch vor einigen Jahren gelang es Vertretern der jüdischen, christlichen und muslimischen Glaubensgemeinschaft sich zu verständigen, darauf nämlich, dass es in den Straßen Jerusalems keine Gay-Pride-Parade geben darf. Die säkulare Gesellschaft, zu der wir gehören, ist sich des intensiven religiösen Widerstands gegen Homosexualität bewusst. Er beeinflusst uns alle. Innerhalb der Gesellschaft als Ganzes hat es in den letzten Jahren enorme Fortschritte gegeben. Immer mehr Menschen begreifen, dass es keine Sünde ist, homosexuell zu sein; dass Homosexualität (wie in der Erzählung von der Stadt Sodom) genauso wenig mit Verdorbenheit in Verbindung gebracht werden darf wie Heterosexualität. Nichtsdestoweniger bestehen das hergebrachte Misstrauen und die alte Feindschaft weiter fort.

       Homosexuelle werden noch immer verleumdet und verurteilt und verfolgt. Wir müssen laut und deutlich aussprechen, dass wir glauben, die Bigotterie der Vergangenheit sollte eine Sache der Vergangenheit bleiben; dass wir glauben, andere Botschaften, die unsere religiöse Tradition ebenso betont, nämlich Botschaften des Respekts vor dem Anderen und der Liebe zum Anderen, müssten unangefochten an erster Stelle stehen. Wir alle, die sich Sorgen machen, welche Rolle die Religion in unserer Gesellschaft spielen soll, müssen mit offenen Karten spielen. Es ist nicht länger annehmbar zu sagen: „Es steht nun mal so in der Bibel. Es gibt nichts, was ich dagegen tun kann!“ Wir müssen es explizit aussprechen: Homosexualität ist keine Sünde. Wir können nicht herumlavieren, nicht wenn es um das Leben anständiger und ernsthafter Männer und Frauen geht. Es ist einfach eine Schande, Menschen weiterhin wegen eines unabänderlichen Aspekts ihrer Persönlichkeit zu verdammen, dem kein moralischer Makel anhaftet.“

      Dessen ungeachtet ist Israel mit Abstand das LGBT-freundlichste und fortschrittlichste Land im Nahen Osten (LGBT ist die Abkürzung für Lesbian, Gay, Bisexual und Transgender), wo Schwule und Lesben ungehindert jeden Posten im öffentlichen Leben bekleiden können. Bedauerlicherweise ist jedoch der gut acht Millionen Einwohner zählende Staat, der gerade einmal so groß ist wie Hessen, wegen seiner Politik gegenüber Palästinensern auch in der LGBT-Szene umstritten. Zuletzt gab es in der LGBT-Gruppe der Linkspartei einen Streit, weil Parteimitglieder mit Antisemiten und Homo-Hassern gemeinsam gegen die Politik Israels protestiert hatten.

      Israel kokettiert mit dem Image einer liberalen und weltoffenen Gesellschaft. In einer Region, in der Frauen gesteinigt, Schwule aufgehängt und Christen verfolgt werden, genießt die Homosexuellencommunity mehr politische Freiheit als in jedem anderen Nahoststaat, Schwule und Lesben verstoßen mit ihrer gleichgeschlechtlichen Liebe nicht mehr gegen die Gesetze des Landes. Die Adoption der Kinder von Partner oder Partnerin ist wie die Anerkennung der im Ausland geschlossenen Ehen fast schon Routine, und zahlreiche Lesben erfüllen sich ihren Kinderwunsch mit Spendersamen, denn mit künstlicher Befruchtung haben Israelis kaum Probleme. Israel ist somit progressiver als mancher europäische Staat. Was die Gesetze für Paare gleichen Geschlechts betrifft, dürfen sie in Israel selbst nur eine Art Ehevertrag schließen, der sie gesetzlich mit verheirateten Paaren beinahe gleichstellt. Es ist allerdings nicht möglich zu heiraten, da keine Zivilehe angeboten wird, sondern Eheschließungen nur von Religionsgemeinschaften durchgeführt werden dürfen. Heterosexuelle Paare mit unterschiedlicher Religionszugehörigkeit oder Nichtgläubige können ebenfalls nur im Ausland heiraten. Dabei ist das nahegelegene Zypern besonders beliebt für den Ehetourismus. Es gibt im Land derzeit eine Debatte über die Einführung einer Zivilehe, die sowohl Hetero- als auch Homosexuellen geöffnet sein soll.

      Viele Schwule und Lesben in Israel wollen Kinder. Von einem regelrechten „Gayby-Boom“ ist die Rede. Viele Männer nehmen Leihmütter im Ausland in Anspruch – etwa in Indien. Doch die Leihmutterschaft im Ausland wirft religionsgesetzliche Probleme auf. Erstens ist es noch nicht erlaubt, das Kind von einer anderen Mutter austragen zu lassen und СКАЧАТЬ