Название: Weltreligion versus Sexualität
Автор: Gerd Wange
Издательство: Автор
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783961450435
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In der Realität gibt es sehr wenige Einschränkungen, was die konkreten Spielarten der Sexualität betrifft. Vorzuziehen ist zwar, dass Mann und Frau sich während der Vereinigung anschauen können. Aber es ist kein Zwang, sondern zwischendurch können Mann und Frau auch vollkommen anders zu Werke gehen und die Stellungen durchaus wechseln. Überhaupt gehört Sexualität im Judentum zum menschlichen Leben und ist kein Tabuthema. Lust ist ein völlig legitimer Bestandteil der Sexualität. Der Schabbat, genauer genommen, der Freitagabend gilt gemeinhin als besonders guter Zeitpunkt für sexuelle Aktivitäten. Man kann sogar sagen, es sei eine Mitzwah, am Freitagabend Sex zu haben. Der eheliche Verkehr gehört damit zur Schabbatfreude. Die ultraorthodoxen Juden, von denen eine überwiegende Mehrheit in Jerusalem lebt, ist immer noch eine befremdlich verschlossene Gesellschaft mit Regeln und Ritualen aus uralten Zeiten. Es ist ein Stück Israel, Lichtjahre entfernt vom lockeren Strandleben am Mittelmeer und einer zum Westen hin orientierten Jugend. Hier begegnet man häufig Männern mit langen, geringelten Schläfenlocken, bekleidet mit einem schwarzen Kaftan. Frauen spielen, wie im Islam, eine untergeordnete Rolle. Sie müssen in der Öffentlichkeit ein Kopftuch oder eine Perücke tragen und im Bus stets hinten sitzen. Die Einwohner des alten Judenviertels von Jerusalem sind stets von einer dichten Schar Kinder umgeben, die die rituellen Kleidersitten ihrer Eltern bereits eifrig nachahmen. Die verheirateten, jüngeren Frauen sind – falls sie nicht gerade einen Säugling auf dem Arm tragen – ausnahmslos schwanger. Die laizistischen Israeli haben nur Spott übrig für diese streng religiösen Familien, bei denen die Zahl der direkten Nachkommenschaft nicht selten zwischen zehn und fünfzehn schwankt. Da sie kein Fernsehen einschalten dürfen und jeder weltlichen Vergnügung aus dem Weg gehen, bleibt ihnen wohl nur die Freude der Zeugung. Aber beim Anblick dieser in sich gekehrten Gemeinde kommt der Verdacht auf, dass sogar die Fortpflanzung von ihnen eher als eine heilige Pflicht denn als Fleischeslust empfunden wird. Die Fundamentalisten haben das Sagen in dieser überholten Lebensform. Sie maßregeln das Leben mit ihrer mittelalterlichen Ideologie und versuchen denselben Lebensstil zu pflegen wie vor tausend Jahren. Die Regel zu ändern, ist für sie undenkbar.
Jerusalem, die Heilige Stadt von Juden, Muslimen und Christen hat wenig Platz für Andersartige. Denn dort gewinnen die ultra-orthodoxen Juden immer mehr Einfluss. Der Journalist und Publizist Peter Scholl-Latour behauptet in seinem Buch „Lügen im Heiligen Land”, dass viele der säkular eingestellten Bewohner Jerusalems erwägen, in eine andere Stadt umzusiedeln, um der Intoleranz der Ultra-Orthodoxen und deren Selbstgerechtigkeit zu entgehen. Es graut vielen vor der Sabbat-Polizei (Religionswächter) den „Mutawa“ Saudi-Arabiens durchaus verwandt, die die Schließung aller Geschäfte zwischen Freitag und Samstagabend kontrollieren. „Sabbat-Schänder” werden mit Strafzettel belegt. Sie sind gegen Discos, in denen angeblich die enthemmte Lebensfreude einer neuen, vorurteilsfreien, ja hedonistischen Generation explodiert. Gegen Jüdinnen, die sich mit nacktem Busen der Sonne aussetzen, gegen Prostitution, gegen Homo-Treffs. In Tel Aviv – so heißt es bei den Eiferern der Thora – seien Sodom und Gomorrha aus ihrer Asche auferstanden. Der heidnische „Hellenismus“ der Neuzeit habe in Tel Aviv seine zentrale Bastion bezogen und kontrastiert mit der heiligen Reinheit Jerusalems. Dieses sei das neue Samaria, so klagen die Frommen. Hier steht – in historische Erbfolge – Israel gegen Juda.
Der Zölibat, wie ihn die katholische Kirche seit der Reformkrise unter Papst Gregor VII. im 11. Jahrhundert vorsieht, existiert im Judentum nicht. Ebenfalls wurde das Mönchtum von jeher abgelehnt. Trotzdem gibt es besonders asketisch lebende Kabbalisten (mystische Traditionalisten des Judentums), für die beharrliche Enthaltsamkeit eine große Rolle spielt. Sie versuchen sexuell asketisch zu leben. Das heißt aber nicht, dass sie Sex generell meiden. Das widerspräche der Lehre der Thora. Vielmehr versuchen sie beim Sex keine erotischen Gedanken zu entwickeln, der Verkehr soll lediglich der Fortpflanzung dienen. Scheidung und Wiederheirat sind im Judentum übrigens möglich, ebenso wie die Empfängnisverhütung. Jedoch verbietet die jüdische Religion entschieden die Homosexualität.
Das Ausleben sexueller Bedürfnisse innerhalb einer Ehe gilt aus jüdischer Sicht als wichtiger Bestandteil jenes „geheiligten Bündnisses“. Schließlich geht das Judentum davon aus, dass jeder erwachsene Mensch ein natürliches Bedürfnis nach Sexualität verspürt. Der Talmud sieht daher neben der materiellen Fürsorge für die Familie die Sexualität als grundlegende Pflicht des Ehemannes gegenüber der Ehepartnerin, ja berechtigt darüber hinaus, ehelichen Sex einzufordern. Das biblische Gebot „Seid fruchtbar und mehret Euch“ verpflichtet den Mann zur Zeugung von mindestens zwei Kindern, möglichst einem Jungen und einem Mädchen.
Fruchtbar sein und Nachwuchs zeugen ist im Judentum keine Frage des impulsgesteuerten Triebes, sondern Gottes Auftrag. Allerdings ist der allgemeine Körperkontakt und das Ausleben der Sexualität zwischen Ehemann und Frau auf bestimmte Tage beschränkt. Das Gesetz der Familienreinheit verbietet während der Menstruationszeit den körperlichen Kontakt. Diese Zeit wird durch einen Besuch der Frau in der „Mikwa“, dem rituellen Tauchbad, beendet.
Zahlreiche Juden interpretieren eine Vielzahl religiöser Gesetze auf ihre Art. Für sie gibt es Gebote, die in der Bibel stehen, und solche, die später geschrieben und jeweils auf eine gewisse Weise interpretiert werden. Das jüdische Gesetz hat viel Flexibilität und Raum für Kreativität, wenn die Gesellschaft danach verlangt Und nicht wenige Juden, auch die religiösesten, haben ihre Auslegung, die neu ist und mit gewissen Problemen auf gewisse Weise umgeht. So haben sie beispielsweise ihre Art, mit Gesetzen über die Homosexualität umzugehen. Es gibt eigentlich kein Gesetz dagegen, schwul zu sein, es gibt aber Vorschriften gegen spezifische Akte und Handlungen, und es gibt die Möglichkeit, das zu interpretieren.
Die Rolle der Frau im Judentum
Wie auch in anderen Religionen hatte die Frau im Judentum von Beginn an eine untergeordnete Rolle. Das System des Judentums begünstigte die Männer gegenüber den Frauen. Sie lebten streng nach der Thora, in der steht, dass Frauen sich den Männern unterordnen, Kinder gebären und erziehen sollen. Diese Grundlage der traditionellen jüdischen Sicht zur Stellung der Frauen in Familie und Gesellschaft entspringt einer patriarchalischen Kultur biblischer und talmudischer Zeiten.
Macht und Autorität waren männliche Monopole und während Söhne vom frühen Alter an eine (religiöse) Ausbildung erhielten, wurden Mädchen so gut wie gar nicht unterrichtet. Den Frauen blieb auch weitgehend die Beteiligung am aktiven religiösen Leben der Synagoge verwehrt. Es ist heute nicht genau bekannt, ab wann die Absonderung der Frauen von den Männern erfolgte, doch schon mittelalterliche Synagogen hatten separate Räumlichkeiten, den Frauenbereich. Der Frauenbereich wurde als weniger heilig, als der Männerbereich betrachtet. Lange Zeit wurde eine Abteilung für Frauen erst nach dem eigentlichen Bau der Synagoge in Betracht gezogen, denn verhältnismäßig wenige weibliche Gemeindemitglieder besuchten den Gottesdienst. Das jüdische Gesetz legte bei Frauen eine Sonderregelung fest, die es gestattete, Verpflichtungen des Gottesdienstes zu vernachlässigen, weil ihnen die häuslichen Pflichten oblagen. Wenn sie am Gottesdienst teilnahmen, dann hatten sie sich hinter einem Gitter oder einem Vorhang zu verstecken. Dort leitete eine Vorbeterin das Gebet, wobei es den Frauen untersagt war, von den Thorarollen zu lesen. Auch das Amt als Rabbiner oder Kantor, sowie das Lernen von Hebräisch, wurde verboten und so besaß der Frauenbereich der Synagoge weder eine heilige Lade (beherbergt die Thora Rolle) noch einen Almemor (Altar). Oftmals war es den Frauen nicht möglich, den Gottesdienst der Männer zu verstehen. Man erreichte somit, dass die Predigten allein den Männern vorbehalten waren. Der Gottesdienst wurde zu einem sogenannten „Männerklub“. Während die Männer früher also beteten und sich dem religiösen Leben hingaben, konnten die Frauen ihre Erfahrungen in Sachen Mode austauschen СКАЧАТЬ