Abenddämmerung im Westen. Wieland Becker
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Название: Abenddämmerung im Westen

Автор: Wieland Becker

Издательство: Автор

Жанр: Философия

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isbn: 9783957448095

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СКАЧАТЬ mehr verdient hätten, als mancher andere Preisträger.

      Der eine, Wassili Archipow, war während der Kubakrise leitender Offizier auf einem mit Nuklearwaffen ausgerüsteten U-Boot, das vor Kuba im Einsatz war, als es von einem US-Kriegsschiff zum Auftauchen gezwungen wurde. Für diesen Fall galt der Befehl, die Atomraketen Richtung USA abzufeuern. Archipow gelang es, den Politoffizier Maslennikow auf seine Seite zu ziehen, während der Kommandant des U-Bootes glaubte, es sei schon Krieg, und feuern lassen wollte. Das wäre aber nur bei einem einstimmigen Beschluss möglich gewesen. Das U-Boot tauchte also auf, und die US-Marine verzichtete auf das Aufbringen des Bootes, sodass sie nicht feststellen musste, dass dieses mit Nuklearwaffen ausgerüstet war.*

      Der zweite Offizier war der Oberstleutnant Stanislaw Petrow. In der Zeit der Präsidentschaft Reagans verschärften sich die Spannungen zwischen den beiden Großmächten immens. Das lag weniger an Reagans Definition vom „Reich des Bösen“, als vielmehr daran, dass Marine und Luftwaffe der USA sowohl im Nordmeer als auch vor Wladiwostok Manöver durchführten, mit denen die sowjetische Aufklärung „getestet“ werden sollte. In Moskau wuchs die Besorgnis, dass es sich um die Vorbereitung eines Angriffes der USA handeln könnte. Ausgerechnet in dieser angespannten Situation erschienen auf dem Satellitenbild zuerst eine, danach noch weitere US-Atom-Raketen, die sich auf die Sowjetunion zu bewegten. Petrow wusste, dass für eine derartige Lage der Befehl zum atomaren Gegenschlag galt. Was ihn zweifeln ließ, war die geringe Zahl der anfliegenden Atomraketen. Aus eigenem Entschluss und mit hohem Risiko meldete er der militärischen Führung einen Fehlalarm und blieb bei seiner Einschätzung. Der Gegenschlag, der das atomare Inferno ausgelöst hätte, wurde deshalb nicht eingeleitet. Am Morgen darauf erhielt Petrow dann die endgültige Bestätigung, dass ein Fehler des Überwachungssatelliten den falschen Alarm ausgelöst hatte. Angesichts der ohnehin äußerst kritischen Situation muss man davon ausgehen, dass – bei einer Meldung, dass US-Raketen im Anflug seien – der Befehl zum Gegenschlag unvermeidlich gegeben worden wäre.

      Beide Männer nahmen ein hohes persönliches Risiko auf sich. Archipow hätte vor ein Militärgericht gestellt werden können und Petrow gab – im Unterschied zu vielen anderen – die Verantwortung nicht „nach oben“ weiter, sondern entschied in seiner kaum vorstellbaren Extremsituation aus eigener Verantwortung.

      Seit 1945 hat sich die Kriegsführung stetig und radikal verändert. Aus den Kriegen mit operativer Führung und relativ klaren Fronten, sind längst Kriege ohne Fronten geworden. Erstmals in dieser krassen Form im Indochina- und im Vietnamkrieg. Vietminh und Vietcong operierten unsichtbar, sie trugen oftmals keine Uniformen, schlugen zu und verschwanden im undurchdringlichen Regenwald.

      In den zahllosen Bürgerkriegen kämpfen reguläre Armeen und paramilitärische Verbände, Milizen und Bürgerwehren, deren Kriegsführung nicht allein auf den Sieg über den militärischen Gegner ausgerichtet ist, sondern gleichermaßen auf die Vernichtung seiner Anhänger, also Stammesangehöriger oder religiöser Gemeinschaften. Diese Massaker unter der Zivilbevölkerung, an wehrlosen Frauen, Kindern, Männern, sind Teil der Kriegsführung geworden.

      Gänzlich andere Kriegsschauplätze ohne Fronten sind seit Jahrzehnten die Städte, in denen Kommandos von Terroristen oder so genannte Selbstmordattentäter Bomben zünden, Gebäude erstürmen und wahllos Zivilisten töten…

      Seit Jahren preisen Militärs und unbedarfte Politiker angeblich „intelligente“ Waffen, die mit tödlicher Sicherheit ihre Ziele träfen. So, als würden diese Waffen „saubere“ Kriege ermöglichen. In Wahrheit ist genau das Gegenteil zutreffend. Kam im I. Weltkrieg auf acht gefallene Soldaten ein getöteter Zivilist (im II: Weltkrieg kamen noch vier Soldaten auf einen toten Zivilisten) so ist das Verhältnis heute – im Zeichen „intelligenter“ Waffen – genau entgegengesetzt: auf einen gefallenen Soldaten kommen nunmehr acht getötete Zivilisten.

      Einen weiteren tiefgreifenden Wandel erfuhren auch die Ziele von Kriegen. Die letzten großen Eroberungskriege führte Deutschland im II. Weltkrieg in Europa und Japan im Pazifik. Insbesondere der NS-Staat verband bereits seine Eroberungsfeldzüge mit einem Weltanschauungskrieg, der sich gegen die europäischen Juden und gegen die slawischen „Untermenschen“ richtete.

      Auch wenn es in den Kriegen der zurückliegenden Jahrzehnte um Macht, Einflusssphären, Sicherung von Rohstoffquellen u. a. ging, so wurden sie primär als Weltanschauungskriege begründet und geführt, deren Ziel nicht die Besetzung fremder Territorien war. Der Einsatz von hochtechnologischen und immer teureren Waffensystemen ließ die Kosten solcher Kriege ins Unermessliche steigen. Gewinne machte naturgemäß vor allem die Rüstungsindustrie. Alle Versuche, in diesen Kriegen den jeweiligen Gegner vollständig zu unterwerfen, waren bislang zum Scheitern verurteilt.

      Die Mehrzahl der Bürgerkriege der zurückliegenden Jahrzehnte waren erbitterte „Verteilungskämpfe“. Selten ging es um eine progressive Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse. Es war oft der existentielle Mangel an Versorgungsgütern, Verarmung breiter Schichten, Hungersnöte und Krankheiten, die, da es nirgends für alle reichte, zum Bürgerkrieg führten, sowie die diktatorische Herrschaft einer Bevölkerungsgruppe über alle anderen. Siegten die Aufständischen, so entstand in der Regel eine neue Diktatur, deren „Herrscher“ und ihre Anhänger sich jegliche Privilegien zusprachen und diese zur persönlichen Bereicherung nutzten, wie die Herrschenden zuvor. Gab es keinen „Sieger“, dann zogen sich diese Bürgerkriege über Jahre hin, bis das ganze Land zerstört und entvölkert war.

      Nach der Niederlage begann der Horror für die Zivilbevölkerung der Besiegten – die Sieger mordeten und brandschatzten mit hemmungsloser Brutalität und Gier nach allem, was sie an Beute an sich reißen konnten.

      Am Ende des II. Weltkrieges im Pazifik wurde die Welt durch die Zerstörung Hiroshimas am 6. und Nagasakis am 8. August 1945 durch Atombomben erschüttert. Der erstmalige und bislang einzige Einsatz einer neuen Massenvernichtungswaffe von ungeheurer Zerstörungskraft, die noch Jahrzehnte danach jährlich Opfer forderte.

      Angesichts von Abertausenden toten oder verstrahlten Einwohnern beider Städte ist es erschreckend und abstoßend, wenn in einer deutschen Zeitschrift* unter der obskuren Rubrik „Die dunklen Geheimnisse der Geschichte“ eine in wesentlichen Passagen zynische Rechtfertigung unter der unsinnigen Fragestellung „Bewahrten die Atombomben auf Japan die Welt vor dem Untergang?“ publiziert wird.

      Unter Berufung auf einen Militärhistoriker namens Richard B. Frank werden folgende Überlegungen angestellt: Japan kapitulierte nach dem Abwurf der Atombomben. Infolgedessen wurde verhindert, dass die Weiterführung des Krieges Hunderttausende von Toten – darunter auch 800.000 US-Soldaten – auf dem Schlachtfeld zur Folge gehabt hätte. Und man kommt schließlich zu dem Schluss, dass der Krieg noch weitere fünf Jahre angedauert hätte, mit weiteren Millionen Toten. Diese Begründungen, mit denen die Toten von Hiroshima und Nagasaki als notwendig begründet und gleichermaßen marginalisiert werden, sind nichts anderes als absurde Spekulationen zur Rechtfertigung der Abwürfe beider Atombomben. Da bewusst von einer Darstellung der realen militärischen und politischen Weltlage „abgesehen“ wird, sind sie nichts anderes als eine substanzlose und zynisch anmutende Abstraktion. Da Hitlerdeutschland am 8. Mai 1945 kapituliert hatte, stand Japan endgültig allein. Dass die Sowjetunion bereitstand, an der Seite der USA in den Pazifikkrieg einzugreifen, war bekannt. Ob die Amerikaner vorsätzlich die Atombomben einsetzten, bevor die Sowjetunion am 8. August 1945 Japan den Krieg erklärte, kann bis heute nicht beantwortet werden; auszuschließen ist es keineswegs. Gesetzt den Fall, die japanische Armee hätte noch über die vermutete Kampfkraft verfügt, warum nutzte die militärische Führung die Zerstörung Hiroshimas nicht zu einem von Hass getragenen Gegenschlag? Harakiri hatte in Japan eine lange Tradition. Umso größer ist dagegen die Wahrscheinlichkeit, dass Japan schon zu diesem Zeitpunkt zur Kapitulation bereit war. Und schließlich wird ein gravierendes СКАЧАТЬ