Название: Mörderisches Bayreuth
Автор: Werner Rosenzweig
Издательство: Автор
Жанр: Триллеры
isbn: 9783862223695
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„Ich glaube, dass deine Fantasie mal wieder mit dir durchgeht“, wich Heiko immer noch gereizt aus. „Können wir das Thema nun beenden? Bitte?“
Er ging los, ohne abzuwarten, ob Annalena ihm nachkam. Welche Gefühle Laila in ihm wirklich geweckt hatte – darüber wollte er nicht sprechen.
„Immer schön den Problemen aus dem Weg gehen. Wie immer“, gab sich Annalena enttäuscht, als sie zu ihm aufschloss. „Typisch Mann, einfach alles totschweigen. Irgendwann mach ich da nicht mehr mit, das sag ich dir.“
„Willst du mir drohen?“, reagierte er schroff. „Mich verlassen? Ha! Wer hält dich denn aus? Wer bezahlt denn deine ganzen Designerklamotten?“
„Ja, bezahlen, bezahlen! Mit dem ein oder anderen schmutzig verdienten Geld!“, herrschte sie ihn an. „Du hast mich bei genug deiner kleinen Deals als Partnerin eingespannt. Meinst du, ich hab keine Augen im Kopf, keine Ohren, die verstehen, was du mit deinen ganzen halbkriminellen Geschäftspartnern am Telefon besprichst? Ich warte nur auf den Tag, an dem dich die Steuerfahnder hopsnehmen.“
„Blödsinn, was ich mache, ist vollkommen legal, das weißt du ganz genau. Ich nutze nur Gesetzeslücken. Und jetzt ist Schluss mit deinem Rumgekeife. Mach doch, was du willst!“ Heiko beschleunigte seine Schritte und verfiel in lethargisches Schweigen.
Während sich die beiden gefetzt hatten, waren sie immer näher zum Eingang des Festspielhauses gekommen. Rege Tätigkeit um sie herum lenkte sie nun von ihrem Streit ab. Arbeiter wuselten durch Türen und schleppten die letzten Bühnenaccessoires von A nach B. Andere waren an den Fahnenstangen vor dem Eingang beschäftigt und hissten diverse Flaggen: Eine zeigte das riesige Konterfei des einstigen genialen Künstlers, im Hintergrund sein Festspielhaus in der linken unteren Ecke. Auf einer anderen waren drei halbrunde, grüne Bögen, die das nahegelegene Fichtelgebirge stilisiert darstellen sollten, über dem blauen Schriftzug „BAYREUTH“ zu sehen; das offizielle Logo der Stadt. Auch das Stadtwappen, das Bayreuth 1457 von Markgraf Albrecht Achilles, damals zugleich Kurfürst von Brandenburg, verliehen worden war, wurde aufgezogen.
Heiko stand ehrfürchtig vor dem imposanten Ziegelsteinbau und zog seinen DuMont-Reiseführer zu Rate. Vom Hauptportal bis zum Ende der Hinterbühne maß das rote Gebäude 100 Meter, verriet ihm der, und dass das Festspielhaus eines der Opernhäuser mit der weltweit besten Akustik sei, weil seine Innenausstattung hauptsächlich aus Holz gebaut war. Selbst auf Sitzpolster hatte Richard Wagner bewusst verzichtet, um die Schallausbreitung nicht negativ zu beeinflussen. Er las weiter: Neben der 22 Meter tiefen Hauptbühne gab es noch die ebenso bespielbare Hinterbühne. Die Höhe des Bühnenportals betrug knapp zwölf Meter und der Dachfirst lag gar 36 Meter über dem Bühnenniveau. Heiko stahl sich an das Hauptportal heran und fragte einen der Arbeiter, wo denn die Spielpläne auslägen.
„Warten Sie hier“, antwortete der, „ich hole Ihnen einen.“ Dann verschwand er in den Tiefen der Eingangshalle, kam aber kurz darauf wieder zurück. „Bitteschön“, erbot er sich und überreichte Heiko einen Faltplan.
28 öffentliche Aufführungen und zwei geschlossene Vorstellungen für Mitglieder des Deutschen Gewerkschaftsbundes wurden zwischen dem 25. Juli und dem 28. August gegeben. Morgen würden auch Heiko und Annalena erstmals die heiligen Hallen betreten – zusammen mit den 1.972 anderen Zuschauern, die neben ihnen beiden noch in den Opernbau hineinpassten – und zweieinhalb Stunden, ohne Pause, „Rheingold“, die Vorgeschichte der Tetralogie um den Ring des Nibelungen genießen. Zweieinhalb Stunden voller Streit um Macht und Liebe, der mit dem heimtückischen Raub des Schatzes der Rheintöchter seinen Anfang nehmen würde. Heiko war Feuer und Flamme und hatte seine verbale Auseinandersetzung mit Annalena fast schon vergessen.
Nicht so seine Begleiterin. Annalena stand ein paar Schritte hinter Heiko, hatte keinen Blick für die Schönheiten um sie herum und eine Miene wie der von den Rheintöchtern verschmähte Zwerg Alberich. Sie hatte Heikos ständige Eskapaden, amourösen Abenteuer und Seitensprünge allmählich satt. Klar, ihre Beziehung war nicht gerade das, was man „konservativ“ nennen würde. Der Mensch war nicht für die Monogamie geschaffen, da waren sie sich einig. Aber es gab gewisse Grenzen. Wenn er sich mittlerweile nicht einmal mehr zu schade dafür war, im gemeinsamen Urlaub etwas mit einer anderen anzufangen und sie dabei links liegen zu lassen … Heiko würde sich nicht mehr ändern.
Es reichte, sie hatte die Schnauze wirklich voll. Geld zu haben, war zwar angenehm, aber nicht alles im Leben. Außerdem – dieser Manfred schien als Geschäftsführer und Gesellschafter des Hotels auch nicht gerade zu den Armen der Stadt zu gehören. Annalena nickte sich selbst zu. Manfred erweckte nicht den Eindruck, dass er jedem hübschen Rock hinterherjagen würde. Als er sie heute früh im Aufzug angesprochen hatte, war er sogar ein wenig rot geworden. Gefallen hatte ihr das eigentlich nicht … wobei – mit ein wenig Abstand betrachtet wirkte es doch ganz charmant.
Sie würde ihm eine Chance geben. Wer weiß, wie die Geschichte ausgehen könnte? Jedenfalls würde es nicht schaden, Heiko eine Lektion zu erteilen.
Annäherungen
27. Juli
Die hübsche Laila spukte auch einen Tag später noch in Heikos Kopf herum. Genau genommen konnte er an nichts anderes mehr denken. Was für eine tolle Frau. Graziös, feminin, sexy – ein Wesen wie aus einer anderen Welt. Von ihr ging eine faszinierende Ausstrahlung aus, die ansteckte. Heiko konnte die Superlative, die er ihr zusprach, gar nicht alle in Worte fassen. Dabei hatte er sie erst einmal gesehen. Das musste sich ändern. Er wollte sie näher kennenlernen, mit ihr ausgehen, sie zum Abendessen einladen. Nicht hier im Hotel. Nein, Annalena brauchte das nicht mitzubekommen. Ihr Gekeife von gestern klang ihm noch immer in den Ohren nach.
Wenn er ganz ehrlich war, konnte er ihren Ärger schon verstehen. Da fuhren sie gemeinsam zu den Wagner-Festspielen und dann ließ er sie gleich am ersten Tag im Zimmer sitzen. Wie viel Annalena von seiner angeregten – und anregenden – morgendlichen Unterhaltung mit Laila mitbekommen hatte, wusste er nicht. Auf jeden Fall genug, um ihren Zorn in gewaltige Höhen zu treiben.
Dieser Trampel von Weib hatte ihn mit ihren grundlosen Vorwürfen mächtig aufgeregt. Es war noch gar nichts passiert! „Bisher“, gestand er sich selbst ein. Er hatte sich vorgenommen, dies zu ändern.
Beim Frühstück hatte er umsonst auf eine zweite Begegnung gehofft, seinen Kaffee hatte er heute von einem dunkelhaarigen Kellner serviert bekommen. Aber dann war ihm auf dem Weg zur Müslistation der Küchenchef des Hotelrestaurants über den Weg gelaufen. Für einen kurzen Plausch hatte der offenbar gerade Zeit, war ausnehmend freundlich. Heiko nutzte die Gunst der Stunde, um nach Laila zu fragen.
Sie war im Haus, Laila war heute im Haus. Heute würde sie bei Kleinigkeiten im Garten und abends im Restaurant aushelfen.
Annalena war unterwegs. Geld ausgeben. Sein Geld. Heiko hatte ihr sogar das Taxi bestellt, mit dem sie in die Fußgängerzone gefahren war, sie wollte einen Bummel durch die Maximilianstraße unternehmen. Er wusste, was das bedeutete. Unter 1.000 Euro ging Annalena nie zum Shoppen. Kaum war seine Freundin zur Tür hinaus gewesen, hatte er einen simplen Entschluss gefasst, ganz ohne Schnörkel, und sich auf die Suche nach Laila begeben.
Nachdem er sie im Hotelgebäude nirgends angetroffen hatte, machte er sich auf den Weg in den Garten. Fast eine halbe Stunde lang tigerte er um die Tennisplätze, den Pool und den Biergarten, in dem sich die ersten schon ein kühles Mittagsbier gönnten. Nichts. Musste er es wohl wieder im Hotel selber versuchen. Er machte sich auf den Weg.
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