Название: Mörderisches Bayreuth
Автор: Werner Rosenzweig
Издательство: Автор
Жанр: Триллеры
isbn: 9783862223695
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Nun, kurz vor dem Abschluss, überlegte sie, ob sie noch zwei Jahre für den Master dranhängen sollte, vielleicht in Biodiversität und Ökologie? Oder Global Change Ecology? Ja, sie spielte mit dem Gedanken, hatte sich aber noch nicht endgültig entschieden. Zuerst wollte sie ihre Bachelorarbeit mit bestmöglichem Ergebnis hinkriegen. Ihre Ansprüche waren hoch, wofür aber mehr ihre Leidenschaft als der Drang nach einer Karriere verantwortlich war. Finanziell ging es ihr jetzt schon gut.
Ihre verstorbene Mutter hatte ihr und ihren Brüdern neben der Hotelanlage auch ein kleines Erbe an Barmitteln hinterlassen. Aus dem Verkauf des alten Wohnhauses, auf den sie sich mit ihren Brüdern geeinigt hatte, war dazu eine ordentliche Summe für sie abgefallen. Ein Vermögen hatten sie dafür nicht bekommen, das Haus war wirklich uralt, reparaturbedürftig und im Grunde genommen abbruchreif gewesen. Den eigentlichen Wert hatten die rund 800 Quadratmeter Grund am Rand der Stadt ausgemacht – ihre Brüder verwendeten die kompletten Einnahmen für die Renovierung des Hotels. Obendrein war da auch noch dieses nicht unbeträchtliche Aktienpaket, das ihre Mutter vor langen Jahren angelegt hatte.
Von ihrem Erbanteil konnte Laila easy ihr Studium und ihren derzeitigen Lebensunterhalt finanzieren. Anders als ihre Brüder ließ sie den ihr zustehenden Anteil der Aktien unangetastet in ihrem Bankdepot. Für eine profitable Anlage musste man Zeit und Geduld mitbringen, hatte sie einmal gelesen. Und was brauchte sie schon in der kleinen Studenten-WG am Eichendorffring? 280 Euro Miete zahlte sie monatlich für ein 20-Quadratmeter-Zimmer. Die Uni lag so nah, da kam sie mit dem Fahrrad hin. Bei schlechtem Wetter packte sie den Regenschirm aus und lief. Essen konnte sie kostenlos im Hotelrestaurant ihrer Brüder und einen sicheren Nebenjob hatte sie dort auch. Wann immer sie eine größere Anschaffung oder eine Reise plante, ließ Manfred sie als Zimmermädchen, Bedienung oder Aushilfe in der Küche einspringen und bezahlte einen brüderlichfürstlichen Stundenlohn. Das Geld selbst zu verdienen, anstatt ihr Bankkonto dafür anzuzapfen, gab Laila ein gutes Gefühl. Und es tat von Zeit zu Zeit auch gut, das Hotel der Eltern wiederzusehen, selbst wenn sie es sich nie hatte vorstellen können, in den Betrieb einzusteigen – eine Entscheidung, die sich mit jedem vergangenen Jahr ihres Studiums mehr bestätigte.
Sie ging ihren eigenen Weg. Sich finanziell derzeit wirklich keine Sorgen machen zu müssen, gab ihr zusätzlichen Rückenwind. Auch ein Auto besaß Laila nicht. Wenn sie unbedingt mobil sein musste, nahm sie die Bahn oder den alten Nissan Qashqai, den ihr der Kommilitone und Parteifreund Lorenz Kutscher meist problemlos überließ, sofern er das Fahrzeug nicht selbst brauchte. Nächstes Jahr, wenn sie 28 wurde, warteten 250.000 Euro auf sie. Eine Menge Geld, das sie auch schon früher hätte beanspruchen können, aber dann wäre es Manfred und den Zwillingen wohl unmöglich gewesen, die Modernisierung des Hotels anzugehen.
Laila war absolut dafür, dass ihre Brüder das Erbe erfolgreich fortführten. Deshalb stundete sie ihnen die Auszahlung der Viertelmillion um knapp drei Jahre. Wenn sie sich das heute so überlegte … wer verfügte schon mit 28 über so ein großzügiges finanzielles Polster? Aus dieser Sicht sprach auch nichts dagegen, mit dem Master weiterzumachen. Absolut gar nichts!
Laila hatte sich zum Ziel gesetzt, ihren persönlichen Beitrag für eine saubere Umwelt zu leisten. Ein anspruchsvoller Job in der Abfallwirtschaft, der Recycling- und Entsorgungsindustrie oder auch etwas Naturnahes, das könnte sie sich gut vorstellen. Laila konnte sehr wütend werden, wenn sie über den weltweiten Plastikmüll nachdachte, der die Weltmeere verseuchte und für den Tod so vieler kleiner und großer Meereslebewesen verantwortlich war. Auch der Wald litt. Das merkte sie, wenn sie im nahen Fichtelgebirge unterwegs war; immer mehr Fichten waren geschädigt, starben einfach ab. Laila liebte eine intakte Natur, kämpfte dafür, dass mehr Laubbäume wie Buchen und Eichen in den einheimischen Gefilden ihren erneuten Platz fanden. Sie waren einfach strapazierfähiger als Fichten, die in zu trockenen Sommern hohen Schaden nahmen. Und es wurde immer wärmer. Wer das nicht begriffen hatte, dem war nicht zu helfen. Die verlogene und betrügerische Autoindustrie hätte sie dazu so gerne an den Pranger gestellt. Sie verstand die machthabenden Politiker nicht. Dass die nicht härter gegen die ganzen Lobbyisten und Vorstände der betroffenen DAXUnternehmen vorgingen! Eine einzige Mauschelei. Beschämend. Wenn sie Bundeskanzlerin wäre … Verkehrsministerin täte es für den Anfang auch …
Aber erst kam die Bachelorarbeit. Hervorragend müsste sie werden. Wie immer hatte Laila alles perfekt geplant und rechtzeitig vorbereitet. Als erstes hatte sie sich die Zusage ihrer Lieblingsprofessorin eingeholt, ihre Arbeit zu betreuen, dann hatten sie zusammen das Thema besprochen und festgelegt: „Der Einfluss der Klimaerwärmung auf den deutschen Wald“. Als Laila das Inhaltsverzeichnis ihrer Abschlussarbeit zu Papier gebracht hatte, stimmte sie sich erneut mit ihrer Betreuerin ab. Die gab ihr noch den ein oder anderen wertvollen Hinweis, mit welcher Literatur sie sich auf jeden Fall befassen sollte. Mit „Mischwälder in Deutschland“
Wer Laila nicht kannte, hätte sie nun vielleicht für eine Streberin halten können, die nur ihr Studium im Kopf hatte. Dabei war sie nur sehr gut darin, Prioritäten zu setzen. Nie hatte man sie in den letzten Jahren mit jungen Männern angetroffen, obwohl die meisten von ihnen sich öfter als einmal nach ihr umdrehten, wenn sie in Bayreuth unterwegs war. Sie war eine außerordentlich hübsche junge Frau mit einer langen, glatten blonden Mähne, die ihr bis weit in den Rücken fiel. Ihre intelligenten grünen Augen versprühten Lebenslust und wenn sie lachte, bildeten sich links und rechts auf ihren Wangen kleine Grübchen, die sie auf Anhieb sympathisch wirken ließen. Mit schlanken ein Meter 75 besaß Laila eine Topfigur, an der kein einziges Gramm Fett störte.
Im Grunde waren ihre drei Brüder der Auslöser, weshalb ihr so selten der Sinn nach männlicher Bekanntschaft stand – beziehungsweise die Art, wie sie mit ihr in der Kindheit umgesprungen waren. Nicht, dass Manfred, Günther oder Karl sie je misshandelt hätten, niemals! Es war schlicht das überhebliche, chauvinistische Gehabe der älteren Brüder, das sich bei Laila übel eingeprägt hatte. Immer war sie die Kleine. Nie nahmen sie sie mit auf ihre abenteuerlichen Eskapaden. Sie störte nur. Sobald sie alt genug war, um im Haushalt mitzuhelfen, blieb alle Drecksarbeit an ihr hängen. Abspülen, Putzen, Einkaufen gehen und so weiter und so fort. Die Herren drückten sich, wo es nur ging. Nie hatten sie ein Lob für sie übrig, nie ein gutes Wort der Anerkennung. Wenn sie für jede herablassende Bemerkung, jede gemeine Stichelei und jeden schlechten Witz auf ihre Kosten einen Cent bekommen hätte, müssten Manfred und die Zwillinge ihr nächstes Jahr keine 250.000 Euro mehr zahlen, das wäre längst erledigt.
Auf solche Typen konnte sie verzichten. Leider liefen von dieser Sorte überall genug herum. Außerdem – sie hatte neben dem Studium und ihrer politischen Arbeit gar keine Zeit für das andere Geschlecht. Und dann war da ja noch ihre Aushilfsstelle im Hotel. Zum Glück hatte sich der Ton ihrer Brüder ihr gegenüber in den letzten Jahren deutlich verändert. Mochte sein, dass das früher wenig geschwisterliche СКАЧАТЬ