Название: Mörderisches Bayreuth
Автор: Werner Rosenzweig
Издательство: Автор
Жанр: Триллеры
isbn: 9783862223695
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„Was willst du uns damit sagen?“, fragte Dieter über seine verschränkten Arme hinweg. „Sollen wir ihn um finanzielle Unterstützung angehen, vielleicht nach einem Privatkredit fragen?“
„Wie – Privatkredit?“, wurde Manfred hellhörig.
„Davon würde ich abraten“, sagte Dieter streng. „Finanzberater … solche Leute sind doch die reinsten Halsabschneider.“
„Nein, nein, das meine ich nicht“, fuhr Karl schnell fort, „aber so ein Finanzberater spekuliert doch an der Börse, legt das Geld seiner Kunden möglichst gewinnbringend an. Offenbar hat der Springer ein Händchen dafür, wenn er sich von der Provision so einen Lebensstil leisten kann.“ Karl sah seine Brüder einen nach dem anderen an. „Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir auch auf die Dienste eines Finanzdienstleisters zurückgreifen.“
„Du willst diesen Springer engagieren?“, fragte Günther skeptisch. „Nur weil dem eine Rolex am Handgelenk baumelt?“
„Nein, ich weiß nicht, vielleicht. Ich hab das noch nicht zu Ende gedacht“, entgegnete Karl mit bemühtem Lächeln. „Wir können uns auch schlau machen, wer hier in Bayreuth so eine Finanzberatung betreibt?“
„Pfft“, machte Günther.
„Bin ich der einzige, der sich fragt, mit welchem Geld unser potenzieller Finanzberater denn an der Börse für uns spekulieren soll?“, warf Dieter ein. „Ihr kennt unsere Lage. Da ist für solche Spielchen nichts übrig …“
„Hhm.“ Manfred wog den Kopf hin und her. „Vielleicht sollten wir den Burschen mal kennenlernen … Heiko Springer … Am besten laden wir ihn und seine Freundin mal zum Abendessen ein. Quasi als Aufmerksamkeit des Hauses gegenüber seinen VIP-Gästen. Je nachdem, wann es bei denen geht“, fügte er hinzu, „sie bleiben ja ein paar Tage, wenn ich es richtig verstanden habe. Vielleicht kann der Mann uns wirklich helfen.“
*
Der Bursche, der nach Geld stank und dessen Dienste möglicherweise gefragt waren, war an diesem Morgen schon allein zum Frühstück vorausgegangen. Ein Streit mit Annalena. Es ging um Nichtigkeiten. Nur weil er, wie immer, früher wach war als sie und dieses eine Mal – im Urlaub, im Hotel – nicht auf sie warten wollte.
Mit einem „Ich bin noch soooo müde“ hatte sie sich einfach auf die andere Seite gedreht und weitergeschlafen. Dabei war es schon halb neun! Gestern Abend hatten sie extra noch vereinbart, dass sie um diese Zeit ihren ersten Kaffee gemeinsam genießen wollten. Langsam ging sie ihm auf die Nerven mit ihrer Unzuverlässigkeit.
Während Heiko Annalena dabei zugesehen hatte, wie sie ihre Nase immer tiefer ins Kissen drückte, hatte er geahnt, wie das enden würde: Mindestens eine Stunde müsste er totschlagen – mucksmäuschenstill, versteht sich –, bevor sie sich dazu herablassen würde, endlich aufzustehen. Nein, irgendetwas hatte ihn heute dazu bewogen, nicht nachzugeben. Er wusste nicht, welcher Impuls genau diesen Trotz angestachelt hatte, aber er hatte sich kurz unter die Dusche gestellt, war, nachdem er sich die Zähne geputzt hatte, in seine Jeans und ein weißes T-Shirt von Hilfiger geschlüpft und hatte sich die leichten Lederslipper übergezogen. Fast hätte er es auch aus dem Bad und zur Tür hinaus geschafft, aber da hatte Annalena nun doch schon wach im Bett gesessen und gemeint, dass sie in einer halben Stunde fertig sei und er auf sie zu warten habe. Wie gesagt, heute nicht.
Es folgte ein unfreundliches Wortgefecht. Wutentbrannt verließ er die gemeinsame Suite. Seine lockigen Haare glänzten noch feucht vor sich hin.
Als er das reichhaltige Angebot in der Frühstückskuppel des „Richard Wagner“ entdeckte, das als Selbstbedienungsofferte aufgebaut war, besserte sich Heikos schlechte Laune schlagartig. An der Eierstation stand ein Hotelangestellter und nahm die Wünsche der Gäste entgegen. Die Wahl bestand aus Omelette, Rühr- und Spiegelei mit diversen Zutaten. Er entschied sich für Rührei mit Speck. An der Saftbar gab es frisch gepressten O-Saft. Für seinen Toast wählte er die Einstellung „knusprig braun“ und als er endlich einen Platz mit Blick auf das Bayreuther Festspielhaus gefunden hatte, stand plötzlich ein atemberaubendes blondes Wesen neben ihm und fragte nach seinen Tee- oder Kaffeewünschen.
Er war erst so perplex, dass er das Wort „Cappuccino“ kaum herausbrachte. „Trottel!“, schimpfte er sich in Gedanken selbst, er musste ja den Eindruck hinterlassen, als ob er stottern würde.
Kaum hatte er sich wieder einigermaßen sortiert, rauschte die blonde Bedienung mit einem vollen Haferl in der Hand wieder heran. „Wohl bekomm’s“, wünschte sie mit einer Stimme, die süßer nicht klingen konnte, stellte das Haferl auf die Tischplatte und schwebte davon.
Heiko Springer war platt. So eine Frau hatte er noch nicht erlebt. Sie war schlank, nicht zu groß und nicht zu klein geraten, blond, hatte grüne wache Augen und wenn sie lächelte, bildeten sich links und rechts auf ihren Wangen zwei entzückende Grübchen. Ihr Alter schätzte er auf Mitte, vielleicht auch Ende 20.
„Kein Vergleich zu Annalena“, war das erste, was er logischerweise feststellte, als er sich genug gesammelt hatte, um eine Gabel mit Rührei zu beladen. Er musste sie ansprechen, sie kennenlernen. Sicher kam sie noch einmal an seinen Tisch, wenn er seinen Cappuccino geleert hatte. Er nahm einen großen Schluck … Es war einfach die Weiblichkeit, die seiner derzeitigen Freundin fehlte, trotz ihres übermächtigen Busens. Irgendwie war er ihrer überdrüssig geworden. Er wollte – oder konnte – es sich nur noch nicht völlig eingestehen.
*
Rund 40 Minuten nach Heiko verließ auch Annalena die Suite. Die Zeit, die Heiko morgens mit Duschen, Zähneputzen und Ankleiden zubrachte, benötigte sie allein für ihr Make-up. Heute hatte sie es richtig krachen lassen: Ihr schwarzer Lidschatten stand im krassen Gegensatz zum bonbonrosa Lippenstift, den sie dick aufgetragen hatte. Schwer klimperten ihre getuschten Wimpern. Ihre Wangen wurden von Rouge betont, farblich passend zur Lippenfarbe. Mit dieser Kriegsbemalung und einem kleinen Schwarzen von Dolce und Gabbana, eingehüllt in eine Wolke von Dior, betrat sie mit gereckter Brust den Aufzug, in dem gerade auch Manfred und seine beiden Brüder dem Frühstücksraum entgegenschwebten; nach ihrer Morgenbesprechung mit Dieter hatten sie sich einen Kaffee mehr als verdient.
Karl konnte es nicht lassen, Manfred mit einem leichten Rempler und einem Zucken der linken Augenbraue auf die Erscheinung namens Annalena Sturm aufmerksam zu machen. Sie hatten ja gerade über das Finanzberaterpaar gesprochen. Doch zum einen verstand Manfred den finanziellen Hintergrund des Ellbogenstoßes nicht und zum anderen brauchte er keine besonderen Hinweise: Die Frau war der Hammer. Fand jedenfalls Manfred. Ein Sinnbild der Stärke. Die konnte zupacken, das sah man. Und die feminine Seite kam in seinen Augen auch nicht zu kurz. Diese Lippen …
Die Türen schlossen sich und die Aufzugskabine verwandelte sich in ein Meer von Parfüm.
Alle drei Männer, besonders Manfred, mussten einfach auf den dominanten Busen starren, der das Zentrum des engen Raums zu sein schien. Keiner sagte ein Wort.
Endlich, bevor der Aufzug im obersten Stockwerk ankam, nahm Manfred seinen ganz Mut zusammen und sprach die Frau an: „Ähem … Sie sind Gast in unserem Haus, Frau …?“
„Sturm“, wurde er von Annalena nicht gerade freundlich СКАЧАТЬ