Название: Das Kreuz
Автор: Astrid Seehaus
Издательство: Автор
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783940002419
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Ihre Gastgeber hatten ihr das Blumencafé Fiora in Worbis nicht nur wegen des einladenden Interieurs und des guten Kaffees und Kuchens empfohlen (und ein Frühstück dort wäre wirklich ein Augenschmaus), sondern auch wegen des Blumengeschäftes.
Mit dem Gedanken, ihrer Gastgeberin als Dank ein paar Blumen mitzubringen, betrat sie den Blumenladen. Die Verkäuferin hinter der Theke band gerade einen großartigen Strauß, der sogar Lizzy beeindruckte. Lizzy grüßte und schlenderte die Stufen zu den Räumlichkeiten des Cafés hinauf. Im vorderen Raum waren drei Frauen in ein Gespräch vertieft, die sich für ein Frühstück getroffen hatten, im hinteren Zimmer saß ein Mann am Fenster, der die Stellplätze beobachtete.
Soso, dachte Connolly, ihm müsste mein Divenauftritt gefallen haben, so wie ich mit dem Hintern gewackelt habe. Sie warf ihm ein charmantes Lächeln zu. Er musterte sie. Sie war es gewohnt, gemustert zu werden, und dieser Mann tat es ausgiebig. Ohne ein Lächeln. Das war typisch für das Eichsfeld. Dieses fehlende Lächeln. So etwas vergaß man nicht, auch wenn man der Heimat jahrelang den Rücken gekehrt hatte. Sie ließ sich nicht anmerken, dass sie ihn für ein Prachtexemplar von Mann hielt. Da er saß, schätzte sie seine Größe auf über eins achtzig, er war sportlich, geschmackvoll gekleidet. Sein Gesicht war nicht glatt, nicht perfekt, aber hatte die richtige Mischung aus Attraktivität und herber Männlichkeit.
Betont gelangweilt ließ sie ihren Blick durch den hübschen Raum schweifen und stellte fest, dass der Kommissar nicht auf sie gewartet hatte. Er schien, so wie erhofft, die Geduld verloren zu haben.
Uups, war sie ein böses Mädchen?
In sich hineinlächelnd überlegte sie, was sie als Nächstes tun sollte und entschied, die Blumen zu kaufen.
Er hatte sie nicht aus den Augen gelassen. Als sie das Fahrzeug parkte, ausstieg und dabei ihre wohlgeformten Beine zeigte, musste er sich bezähmen, sie nicht gedanklich zu entkleiden. Sogar in Thüringens Hauptstadt wäre sie eine auffallende Erscheinung gewesen. Ihr Auftreten zeugte von Kopf bis Fuß von Klasse. Das tiefrote Kostüm mit einem knielangen Bleistiftrock umschmeichelte eine perfekte Figur. Er zwang sich, sich nichts von seinen Gedanken anmerken zu lassen und stellte sich auf die Begrüßung ein. Doch sie warf ihm nur einen knappen Blick zu, lächelte vage und – ging?
Er hatte Jessis Kommentar zu seinem Telefonausraster noch im Ohr („Das wird sie natürlich total überzeugt haben, mit dir zusammenzuarbeiten.“). Und als er ihr erklärt hatte, warum er Druck ausüben müsse, hatte sie gemeint, er sei so charmant wie ein Reibeisen. Er solle doch mal an den Film mit Kevin Costner und Whitney Houston denken – der Bodyguard und die Sängerin. Da hätte es vor Erotik geknistert, und das ganz bestimmt nicht, weil Costner herumgeschnauzt hätte. Sie sei Schriftstellerin, hatte er sich zu verteidigen versucht, und man wisse doch, dass alle Schriftstellerinnen dick seien, weil sie zu viel säßen, zu wenig Sport trieben und ständig Gummibärchen in sich hineinstopften. Abgesehen davon brächte diese Nervensäge von Frau ihn an den Rand des Wahnsinns.
Und nun saß er hier und starrte einer Frau nach, die eine Figur zum Niederknien hatte und ein Gesicht mit einem Mund, der nach Küssen schrie. Die Fotos, die er aus dem Internet hatte, wurden ihr nicht im Mindesten gerecht.
„Ihre Verabredung wartet bereits auf Sie“, sagte die Ladeninhaberin, halb verdeckt von einem prächtigen Blumenstrauß.
Die Mischung aus Freesien und Gerbera in ihren Lieblingsfarben gefiel Lizzy. Sie war so sehr in die Betrachtung der Blumen vertieft, dass die Worte an ihr vorüberzogen, ohne dass sie den Inhalt begriff. Verwirrt wandte sie den Blick vom Strauß ab und starrte die Frau fragend an.
„Der Gast, den Sie suchen, wartet am Fenster auf Sie. Hinten in der zweiten Stube. Vielleicht möchten Sie mitkommen, er hat auch den Strauß bestellt.“
Es dauerte einen Moment, ehe Lizzy begriff, von wem sie gesprochen hatte.
Als sie den Raum ein zweites Mal betrat, hatte sich Frank Rothe bereits vom Stuhl erhoben, hielt den Strauß in der Hand und überreichte ihn ihr mit den Worten: „Ich hoffe, Sie nehmen meine Entschuldigung an.“
Lizzy versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie peinlich ihr die Situation war. Ihr Mund verzog sich zu einem kleinen Lächeln. Sie nahm den Strauß entgegen und verbarg ihr Gesicht in den Blumen, vor allem auch, um ihre Verlegenheit zu kaschieren. Dann stellte sie die Blumen in die Vase, die vorausschauend auf einem Nebentisch platziert worden war. Ihr Zuspätkommen entschuldigte sie nicht. Das tat sie nie. Ihrer Meinung nach bedeutete jede Entschuldigung ein Schuldeingeständnis. Davon abgesehen hatte es ihr tatsächlich die Sprache verschlagen.
Er betrachtete sie schweigend. Ihm entging nicht die feine Röte auf ihren Wangen. Er war so sehr gefangen von ihrem Äußeren, dass er seinerseits noch nicht einmal das Bedürfnis verspürte zu reden. Es schien ihm durchaus zu genügen, sich an ihrem Anblick zu erfreuen und dann, irgendwann, zu gehen. Bis sie ihn aus seinem Tagtraum riss.
„Ich habe nicht sehr viel Zeit. Ich muss noch arbeiten“, sagte sie kühl und seine wohlwollende Haltung ihr gegenüber war wie weggeblasen. Sie sah sich interessiert um, ließ ihren Blick schweifen, tat so, als ob es sie überhaupt nicht beeindruckte, was er von ihr wollte oder dachte oder tat, und blickte ihm schließlich direkt ins Gesicht. „Wie geht es jetzt weiter?“
„Was darf ich für Sie bestellen? Kaffee? Oder lieber Tee? Einen Cappuccino?“
„Einen Cappuccino bitte“, antwortete sie gestelzt.
Routiniert bestellte Rothe zwei Cappuccini und vertiefte sich wieder in ihr Gesicht. Er versuchte herauszufinden, was genau dessen Attraktivität ausmachte. Die Fülle ihrer kastanienbraunen Haare? Oder ihre fein gemeißelten Wangenknochen? Die sorgsam gezupften Augenbrauen, die dunkler und breiter waren, als man sie üblicherweise bei den Frauen sah. Connollys Augen vermittelten etwas Raubtierhaftes. Das war ihm bereits durch die Fotos in der Presse aufgefallen, aber das waren unvorteilhafte Schnappschüsse von einer Frau, die vor den Fotografen floh, weil sie nicht abgelichtet werden wollte, und dabei höchst unsympathisch wirkte. Ihm gegenüber gab sie sich reserviert, fast schon arrogant. Sein Instinkt sagte ihm, dass sie mit ihm spielte und es ihre Art war zu provozieren. Es war nur die Frage, ob er sich provozieren ließe. Die Farbe ihrer Augen hätte er bei Aufforderung mit hellem Bernstein beschrieben, nicht unbedingt stechend, aber durchdringend, fast so, als könne man ihr keine Wahrheit verheimlichen. Ihre Nase war kein niedliches Stupsnäschen, was auch nicht zu ihrem Gesicht gepasst hätte, sondern durchaus prägnant. Aber am ausdrucksstärksten war ihr Mund. Um die Illusion eines solch sinnlichen Mundes zu erschaffen, wurden bestimmt Millionen für Lippenstifte ausgegeben.
Sein Blick löste sich von ihren vollen Lippen und wanderte zurück zu ihren Augen, die nun ihrerseits sehr intensiv sein Gesicht begutachteten.
„Nennen Sie mich Frank“, bat er.
Sie zögerte, ließ ihn ein wenig zappeln. Tatsächlich die Arroganz in Person.
„Lizzy“, sagte sie schließlich.
Die Cappuccini wurden serviert. Lizzy ignorierte den Keks neben ihrer Tasse. Er zerriss die Zuckertüte und streute den Zucker auf die aufgeschäumte Milch. Seine Gedanken wanderten zu berühmten Filmszenen („Schau mir in die Augen, Kleines“, „Wir haben ein vollen Tank, eine halbe Packung Zigaretten, es ist Nacht, und wir tragen Sonnenbrillen“), und er fragte sich, warum er gerade daran denken musste. Vermutlich weil die Situation ihm vorkam wie eine Inszenierung.
Wozu sollte dieses Treffen führen? Er hätte es gerne gesehen, wenn sie ihm soweit vertraute, dass sie ihm ihr Herz ausschüttete. Ihm СКАЧАТЬ