Das Tal der Untoten. Matthias Albrecht
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Название: Das Tal der Untoten

Автор: Matthias Albrecht

Издательство: Автор

Жанр: Зарубежная классика

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isbn: 9783961455720

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СКАЧАТЬ setzte ich mich in Bewegung, gefolgt von dem Bullterriergesicht, dem bisher noch kein Wort über die Lefzen, pardon, Lippen, gekommen war.

      „Wenn wir in Ihrer Mühle sind, rufe ich die Firma an“, sprach ich gegen Pattys Rücken und tastete nach dem Handy. „Die werden schon wissen, was zu tun ist. Es sei denn, ich kriege noch unterwegs ein Netz.“

      „Wir hamm kein Telefon“, knurrte Mello hinter mir.

      Ah, dachte ich, sprechen kann er auch. Dann stutzte ich. „Sie haben kein Telefon?“

      „Brauch ’n mar nich.“

      „Auch kein Handy?“

      „Nee.“

      Einen Augenblick lang war ich sprachlos, während ich weiterging. Dann kam mir eine Erleuchtung: „Oh, ich weiß. Sie kommunizieren lediglich übers Internet per Mail und so. Okay, geht natürlich auch. Dennoch ist es verwunderlich, dass …“

      „Hammar ooch nich“, fiel mir dieses Unikum ins Wort.

      „Ach …“ Wieder war ich sprachlos, dann kratzte ich den Rest logischen Verstandes hervor, der noch in mir schlummerte. „Aber die Reservierungen beispielsweise. Wie sollen die funktionieren? Etwa nur durch Briefpost?“

      Mello schwieg. Er schien seine Tagesration an Worten für heute aufgebraucht zu haben. Statt seiner fragte Patty, ohne sich umzudrehen: „Welche Reservierungen?“

      „Na, Sie sprachen doch von einer Mühle. Gibt es da denn keinen Gaststättenbetrieb und keine Übernachtungsmöglichkeiten wie in vielen anderen Mühlen auch?“

      „Ah, jetzt versteh ich“, lachte Patty und ich atmete auf. „Sie meinen die Gastwirtschaften im Mühltal.“

      „Ja. Klar.“

      „Da muss ich Sie enttäuschen. Mit denen haben wir nichts zu tun.“

      Zu früh aufgeatmet, Walter!

      „Ich dachte, Sie wären in einer der Mühlen angestellt, und …“

      „Wir sann net angestellt. Die Mühle gehört uns selbst. Sie werden sie gleich sehen. Ist net mehr weit!“

      Ich beschloss, es dem stumpfsinnig hinter mir her trottenden Mello gleichzutun und zu schweigen. Mir wären auch keine Fragen mehr eingefallen, auf die ich befriedigende Antworten hätte erhalten können.

      Auf unserem Weg durch den Forst berührten wir weder Straßen noch regelrechte Wege. Nur ausgetretene Pfade und mitunter kleine Lichtungen. Ich blieb meinem Vorsatz treu und äußerte mich nicht dazu. Sicherlich handelte es sich um eine Abkürzung, deren Richtung der Hund vorgab. Und der sollte ja nun weit davon entfernt sein, sich zu verlaufen. Selbst wenn ihm, wie sich Patty ausdrücken würde, „ein interessantes Wild“ in die Quere käme.

      Apropos: weit entfernt. Ich traute weder Patty noch Mello zu, etwas mit Einsteins Relativitätstheorie anfangen zu können; deren Prinzip indes schienen beide unterbewusst verinnerlicht zu haben: Es bedeutete noch eine geschlagene halbe Stunde Fußmarsch durch den Wald, bis sich die Worte Pattys „… net mehr weit!“ erfüllten.

      Ich weiß nicht, ob die Aufregung der letzten Stunden oder mein leerer Magen schuld waren – mir wurde plötzlich übel. Das Unwohlsein ging jedoch schnell vorüber; innerhalb von Sekunden. Dafür wollten mich meine Beine im Stich lassen. Sie fühlten sich an, als seien sie aus Gummi. Ich bekam es mit einer unerklärlichen Angst zu tun. Angst, weiterzugehen.

      „Is’ ’n los?“, fragte Mello hinter mir, der mein Zögern bemerkte und ebenfalls stehenblieb.

      „Ich – ich weiß nicht“, antwortete ich. „Ich würde am liebsten wieder umkehren.“

      Patty wendete sich nach mir um, tauschte einen Blick mit ihrem Bruder und nickte verstehend. „Glauben Sie mir, Ihr Fahrzeug ist gut aufgehoben, dort, wo es steht.“

      „Darum geht es nicht. Irgendwie ist mir flau im Magen. Und ich habe …“ Ich traute mich nicht, zuzugeben, Angst zu haben. Ich hätte nicht begründen können, wovor.

      „Sie haben lange nichts gegessen und getrunken, nicht?“

      Ich nickte.

      „Okay. Machen wir ’ne Pause.“ Sie nestelte an ihrer Umhängetasche herum, öffnete sie und holte eine kleine Flasche hervor. „’n Schluck Cola? Was anderes hab ich leider nicht.“

      Ich schüttelte den Kopf.

      „Oder ’ne Zigarette?“ Sie hielt mir ein Plastiketui hin. „Beruhigt den Magen.“

      Ein Internist hätte ob dieser im Brustton der Überzeugung hervorgebrachten Behauptung die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, doch Patty meinte es gut, und mir waren die Zigaretten ohnehin ausgegangen, also griff ich zu.

      „Danke. Oh, das ist die letzte, wie ich sehe.“

      „Macht nichts, hab noch ’n Päckchen.“

      Wir setzten uns auf einen liegenden Baumstamm und rauchten. Mello hockte abseits, spielte mit seiner Gürtelschnalle, kraulte Harris und warf dann und wann einen Blick zu uns herüber.

      Bereits nach den ersten drei Zügen wich der Druck in mir, und ich fühlte mich mit jeder Sekunde etwas besser.

      „Okay“, sagte ich schließlich und erhob mich. „Ich glaube, wir können weiter. Keine Ahnung, was mit mir los war.“

      Sofort setzte sich Harris, als hätte er meine Worte verstanden, wieder an die Spitze unserer Gruppe.

      „Wahrscheinlich nur Nikotinentzug“, schmunzelte Patty. „In der Mühle können Sie sich mit Zigaretten versorgen.“

      „Haben Sie da auch was zu essen? Bezahl ich natürlich.“

      „Sie werden bald was Kräftigendes bekommen. Da vorn ist schon das Teufelstal.“ Sie nickte mit dem Kopf in die Richtung. „Keine zweihundert Meter mehr.“

      Sie hakte sich bei mir ein und zog mich mit sich. Dabei redete sie ununterbrochen auf mich ein. Das unerklärliche Gefühl der Angst war vollständig gewichen. Ich fühlte mich zwar noch immer mau, doch wollte ich mir vor einer jungen Frau keine Blöße geben und nicht als Schlappschwanz dastehen. Also riss ich mich zusammen. In meinem Rücken hörte ich Mello grunzen.

      Der dichte, kalte Nebel, der das Tal – von der Anhöhe aus betrachtet – wie ein breiter, milchiger Fluss durchzog, lichtete sich zusehends, und als wir die Sohle erreichten, war er fast völlig verschwunden. Der Anblick, der sich mir jetzt bot, ließ mich den Schritt verhalten und die Hand mitsamt des – noch immer kein Netz findenden – Handys senken: Mittelalterlich wirkende Holzhütten und langgestreckte, einstöckige Blockhäuser zogen sich wie eine Kette durch den engen Grund, hier und da von Gattern und Gehegen unterbrochen, in denen sowohl Ziegen als auch andere Nutztiere gehalten wurden. Aus der Mitte der Dächer vieler größerer Häuser – Schornsteine im eigentlichen Sinne sah ich keine – quoll dünner Rauch und mischte sich in der Höhe mit dem Nebel. Unsere Sonne sah ich als matten Fleck am Himmel prangen, welcher das Auge nicht blendete. Die Lichtverhältnisse hier unten ähnelten somit denen, wie sie eine Morgendämmerung bei leichtbewölktem Firmament hervorzubringen imstande СКАЧАТЬ