Название: Die Melodie des Mörders
Автор: Miriam Rademacher
Издательство: Автор
Жанр: Ужасы и Мистика
isbn: 9783943709315
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So schnell er konnte, rannte Jasper über den Kirchplatz. Das Pfarrhaus, der Ort, an dem es ein Telefon gegeben hätte, interessierte ihn nicht. Das, was er suchte, war dort hinter den erleuchteten Fenstern des Gemeindehauses zu finden. Dort wurde an diesem Samstagabend Salsa getanzt, und das war auch der Hauptgrund gewesen, die Probe in den Kirchraum zu verlegen.
Schon vor der Tür hörte Jasper die hektischen Rhythmen und Gelächter. Man amüsierte sich prächtig, und Jasper war nicht gekommen, um jemandem den Spaß zu verderben. Aber er würde den Tänzern ihren Lehrer entführen müssen. Seinen besten Freund und den einzigen Detektiv im ganzen Dorf, Colin Duffot.
Colin, der als Tanzlehrer im Ruhestand hierher nach Mittelengland gekommen war, hatte der Tanz hier wieder eingeholt. Zum Detektiv hatte ihn das Schicksal gemacht, das ihm in der Vergangenheit eine ganze Reihe von Mordopfern beschert hatte. Und jetzt war es wieder einmal so weit. Sein Freund musste ermitteln.
Pipes of Peace
Colin beobachtete interessiert das Treiben vor sich auf der Tanzfläche. Mary Bittner, eine attraktive Blondine und alte Bekannte von ihm, tanzte eng umschlungen mit einem Herrn, dessen Gesichtszüge eine auffällige Ähnlichkeit mit einem niedlichen Ferkel hatten. Seine Hautfarbe sah zudem nach erhöhtem Blutdruck aus, was angesichts seiner Körperfülle auch keineswegs verwunderlich war. Das ungleiche Paar genoss seine Bewegungen, die nicht einmal im Entferntesten an Salsa erinnerten, sichtlich. Colin korrigierte ihren Tanzstil nicht. Die beiden waren glücklich und zufrieden und Salsa spielte dabei gerade eine eher untergeordnete Rolle. Das rosige Ferkel erfreute sich an seiner attraktiven Eroberung und Mary schien selig. Vermutlich verfügte der kurznasige Dicke über ein ebenso dickes Bankkonto. Colin wusste, dass Mary Wert auf solche Dinge legte.
Weit weniger glücklich wirkte an diesem Abend der junge Sergeant Mike Dieber, und das ärgerte Colin. Er hatte den schlaksigen jungen Mann mit dem Bürstenschnitt zu diesem Salsa-Abend überredet, damit Mike sich mal amüsierte, hatte ihm ein Blind Date mit einer Frau namens Shelby vermittelt und war nicht weniger nervös gewesen als Mike Dieber selbst, da auch er Shelby nur vom Telefon kannte. Solche ersten Begegnungen waren immer ein bisschen heikel. Auch wenn es sicher nicht darum ging, eine Eroberung zu machen (Dieber interessierte sich in dieser Hinsicht überhaupt nicht für Frauen), so musste die Chemie trotzdem stimmen. Und niemand konnte sagen, was sich Shelby von diesem Abend versprach. Jeder Mensch kam schließlich mit gewissen Erwartungen in einen Tanzsaal, und hätte Shelby einen reifen, männlichen Typ zum Verlieben erwartet, so wäre sie beim Anblick des Sergeants bitter enttäuscht worden. Einer selbstbewussten Frau, die mit beiden Beinen im Leben stand, hätte Mike nichts zu bieten gehabt.
Doch als das zierliche Wesen mit den braunen Haaren in ihrer geblümten Bluse und dem bestimmt sehr gesunden Schuhwerk im Gemeindehaus erschienen war, hatte Colin aufgeatmet. Shelby war genau die richtige Frau und Tanzpartnerin für Mike, wenn es für den Polizisten denn überhaupt eine richtige Frau geben konnte. Sie wirkte wie das, was Colin gern ein Mäuschen nannte. Schüchtern, anspruchslos und eigentlich schon damit zufrieden, wenn man nur nett zu ihr war und ihre Gefühle nicht verletzte. Um ihr den Start in der fremden Umgebung so angenehm wie möglich zu machen, hatte Colin sie freudestrahlend begrüßt und sie mit ihrem Tanzpartner für diesen Abend bekannt gemacht.
Und dann hatte Mike es einfach versaut.
Er war nicht einmal aufgestanden, hatte kaum ein Wort der Begrüßung über die Lippen gebracht, geschweige denn gelächelt. Er hatte es sogar vermieden, das Mädchen auch nur anzusehen. Als die Musik für den ersten Tanz erklang, hatte er sich, statt Shelby aufzufordern, auf die Toilette verdrückt.
Colin hatte es übernommen, dem verunsicherten Mädchen einen Drink an der provisorischen Theke zu spendieren, und war Mike umgehend in die sanitären Anlagen gefolgt, um sich den jungen Mann vorzuknöpfen. Es waren von Colins Seite deutliche Worte wie »Höflichkeit« und »Benehmen« gefallen, und jetzt tanzte ein noch immer schamroter Mike Dieber mit einer stummen Shelby, die nicht einmal zu lächeln wagte.
Im Allgemeinen war es nicht Colins Art, seine Tanzschüler anzuschnauzen, doch Diebers Benehmen hatte auf ihn wie der klassische Auftritt des enttäuschten Mannes gewirkt, der mindestens eine Marilyn Monroe erwartet hatte, aber selbst nicht über einen Jerry Lewis hinauskam. Auch bei Shelby musste sich der Eindruck aufgedrängt haben, dass sie für Mike eine Enttäuschung darstellte. Und dabei ging es doch gerade im Falle dieser beiden ausschließlich um das gemeinsame Tanzen. Niemand erwartete von Dieber, dass er die Kleine heiratete. Colin ertappte sich seit Beginn des Abends immer wieder bei einem fassungslosen Kopfschütteln, das auch Dieber nicht entgehen konnte, obwohl er die meiste Zeit verlegen zur Decke hinaufschaute.
In diesem Moment wurde die Tür des Gemeindehauses aufgerissen und Jasper kam herein.
Auch wenn Colin ein ganz besonderes Gespür für seine Mitmenschen hatte und häufig aus ihren Bewegungen Rückschlüsse auf ihre Stimmung und die Lebensumstände ziehen konnte, brauchte er einen Moment, um Jaspers Auftritt richtig zu deuten.
Der Pfarrer schien außer Atem, seine Bewegungen wirkten fahrig, sein Blick unstet und er bewegte unablässig und anscheinend unbewusst die Lippen. Aus dem runden Gesicht mit der kleinen Nickelbrille unter dem angegrauten Kraushaar war alle Farbe gewichen.
Zu Tode erschrocken, war schließlich das erste, was Colin zum Erscheinungsbild des Pfarrers einfiel. Der Mann sah aus, als hätte er einen Schock erlitten.
In diesem Moment schien Jasper inmitten der tanzenden Paare denjenigen gefunden zu haben, nach dem er gesucht hatte. Sein Blick blieb an Colin selbst hängen. Dann begann er, wild zu gestikulieren. Colin kam seinem Freund sofort entgegen und packte ihn bei den Schultern, sobald er ihn erreicht hatte.
»Was ist los mit dir? Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen«, stellte er fest.
»Keinen Geist, genau das nicht. Colin, ich fürchte, wir haben wieder einen Mord im Dorf. Kannst du dich für einen Augenblick freimachen?«
Colin sah sich unschlüssig um. Er konnte nicht einfach alles stehen und liegen lassen und die Tanzenden sich selbst überlassen. Er musste sie zumindest irgendwie für eine Weile beschäftigen. Da kam ihm auch schon der rettende Gedanke.
So gelassen wie möglich ging er zur Musikanlage hinüber und zog den Lautstärkeregler nach unten. Dann klatschte er demonstrativ in die Hände, um sich Gehör zu verschaffen.
»Tanzmarathon. Eine Flasche Schampus und eine Privatstunde bei mir gewinnt derjenige, der am Ende noch auf der Fläche steht!«
Einige johlten, andere klatschten, ein paar Fußlahme und Konditionsschwache flüchteten sich von der Tanzfläche an die provisorische Theke, an der heute Abend Ruth bediente. Ruth Dimbridge, seit einem Sprung in unbekanntes Gewässer an den Rollstuhl gebunden, warf Colin einen fragenden Blick zu. Er legte rasch eine Salsa-CD ein und bedeutete Ruth mit einem kurzen Schulterzucken, dass er zum jetzigen Zeitpunkt selbst über mehr Fragen als Antworten verfügte. Ihre Antwort bestand aus einem kurzen Wackeln mit den Augenbrauen.
Schon im Gehen begriffen fiel Colins Blick auf Mike und Shelby. Wenn Jasper mit seiner Vermutung recht und sich wirklich ein neuer Mord ereignet hatte, würde der Tanzabend für die beiden schnell beendet sein. Colin war sich nicht ganz sicher, wer von ihnen darüber СКАЧАТЬ