Название: Gewalt
Автор: Frank Rudolph
Издательство: Автор
Жанр: Спорт, фитнес
isbn: 9783938305799
isbn:
Viele Kämpfer bleiben weit unter ihren Möglichkeiten, weil sie nicht annähernd so aggressiv vorgehen, wie es für einige Situationen angebracht ist. Bei Kämpfen, die unser Leben bedrohen und bei denen wir keine Rückzugsmöglichkeit haben, sollten wir von den obigen Beispielen lernen. Dabei ist das Kämpfen eine einfache Sache. Wir können es uns nicht erlauben, dass die Begleitumstände unsere kämpferischen Fähigkeiten einschränken. Wir sollten uns immer an die Fakten halten, d. h., an die reale Bedrohung. Werden wir angegriffen, folgen wir dem Prinzip der Biene. Wir greifen dann an, wenn wir bedroht bzw. angegriffen werden. Da wir nicht nur »ein bisschen« angegriffen werden, schützen wir uns auch nicht nur ein bisschen. Wir schützen uns mit allen Mitteln.
Ein erfahrener Kämpfer weiß oft bereits vor dem eigentlichen Kampf, ob er gewinnt oder nicht. Egal, ob es sich um einen Straßenkampf oder um einen Duellkampf handelt. Das ist ein Dilemma, denn wenn Sie erkennen, dass Sie den Kampf nicht gewinnen können, ihn aber auch nicht mehr zu verhindern vermögen, dann bleibt Ihnen nur der Fatalismus der Biene oder der von Thoreaus Ameisen.
Wer eine ernsthafte Chance im Kampf gegen geübte Schläger haben will, muss sich kontinuierlich körperlich und geistig darauf vorbereiten. Die Chinesen drücken das mit dem Spruch aus: »Der Staat ernährt (trainiert) seine Soldaten tausend Tage, um sie einen Augenblick zu gebrauchen.« Das gilt für uns ebenso. Abgesehen davon, dass ein in Kampfesdingen unerfahrener, doch gut trainierter Mensch im Kampf ebenso effektiv sein kann, wie ein erfahrener Kämpfer, schützt ein regelmäßiges Training auch vor Krankheiten und hält den Körper lange leistungsfähig. Das Prinzip der Biene besagt nicht nur, dass Sie sich mit allen Mitteln schützen sollen, sondern auch, dass Sie ein gewisses Maß an Fleiß aufbringen müssen, um sich vorzubereiten. Wir reden hier aber nicht von Sport und schon gar nicht von Leistungssport. Es geht um wissenschaftlich fundierten Trainingsmethoden, die möglichst täglich absolviert werden sollten, jedoch für den ganz normalen »Durchschnittsmenschen« geeignet und durchführbar sind.12 Ein bis zwei Stunden Training reichen aus – die Zeit eines Spielfilms im Fernsehen … Gewisse physische Fähigkeiten sind einfach notwendig, um wenigstens eine minimale Grundlage zu haben, die in extremen Situationen von Nutzen sein kann. Diese Trainingsmethoden werden immer im Zusammenhang mit anwendbaren Techniken stehen, welche wiederum aus bewährten Kampfkünsten stammen. Diese haben sich in einer Zeit entwickelt, in der es noch keine Feuerwaffen gab, man jedoch darauf angewiesen war, sich jederzeit schützen zu können. Diese Techniken sind direkt, einfach und für den Alltag geschaffen. Sie wurden in der Vergangenheit in gefährlichen Gewaltsituationen wieder und wieder erfolgreich angewandt. Dies ist der Grund, weshalb sie überhaupt überliefert werden konnten.
Auch dieses Buch kann Ihnen keine allgemeingültigen Tipps geben, die für jede Situation passen. Es geht u. a. darum, Ihnen ein Gefühl für Gefahrensituationen zu vermitteln und eine mögliche Herangehensweise. In einem Buch werden immer Idealfälle dargestellt, die nur schwer in die Realität übertragbar sind. Wenn dieses Buch es vollbringt, Ihnen ein gewisses Grundverständnis für die komplexe Realität des Kampfes zu vermitteln, ist schon einiges erreicht.
Kampfgeist
Jemand sagte einmal: »In einem Messerkampf ist Kampfgeist wichtiger als Technik.« Das ist wahr, und zwar so sehr, dass man diese Aussage nicht allein auf den Messerkampf beschränken sollte. Vielmehr gilt sie für fast alle Auseinandersetzungen. Nur wenige Kämpfe sind wirklich aussichtslos. Schon recht häufig haben scheinbar Unterlegene, als typisches Opfer angesehene oder auch körperlich Schwächere ihren Angreifern deutlich zeigen können, dass bei annähernd gleichen Voraussetzungen ein unerschütterlicher Wille mehr vermag als Kraft, selbst wenn sie den Kampf nicht überlebten. Im Laufe der Geschichte hat es hierfür immer wieder Beispiele gegeben. So haben die Griechen in dem berühmten Kampf bei den Thermopylen im Jahre 480 v. u. Z. letzten Endes zwar gegen die Perser verloren, aber erst, nachdem sie sich lange gegen eine Übermacht behauptet hatten und auf diese Weise ihren Landsleuten zeigen konnten, dass die Perser nicht unbesiegbar waren.1
Es gibt Menschen, die in ihrem Leben keinen anderen Sinn sehen, als ständig zu kämpfen. Einige von ihnen sind einfach Meister auf ihrem Gebiet, die immer wieder die Herausforderung suchen, andere sind vielleicht einfach nur verrückt.
Der Herr auf Bothkamp, Josias Rantzau (1609 - 1650), war solch ein Geselle. Er kannte nichts anderes als den Krieg und brauchte ihn anscheinend wie die Luft zum Atmen. Sein Vater brachte ihm das Kriegshandwerk nahe, und Josias dankte es ihm, indem er in dessen Fußstapfen trat. Er wurde dänischer Heerführer und französischer Marschall.
Das einzig Stete im Leben des Herrn Rantzau war der Kampf. Es schien für ihn keine Rolle zu spielen, für wen er sich schlug. Er kämpfte für Dänemark, Schweden, den Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, wieder für die Schweden, und 1635 trat er schließlich in den Dienst Frankreichs.
Obwohl es der »blonde Abenteurer«, wie er mitunter genannt wurde, bis zum Marschall von Frankreich brachte, schien er mehr Kampfgeist als Feldherrenkunst besessen zu haben. Zwar konnte Rantzau einige Erfolge vorweisen, doch zahlte er dafür eine Menge Blutzoll. »Von allen Organen, die bei einem Menschen doppelt sind, hatte er nur eines«, schrieb sein Zeitgenosse Guillaume Bautru (1588 - 1655). Und in der Tat wurde er 60 Mal verwundet. Er verlor ein Auge, ein Ohr, einen Arm und ein Bein. Seine Grabinschrift lautet:
Du corps du grand Rantzau, tu n’es qu’une des parts,
l‘autre moitié reste dans les places de Mars.
Il dispersa partout ses membres et sa gloire,
tout abattu qu’il fut, il demeura vainqueur
son sang fut en cent lieux le prix de la victoire
et Mars ne lui laissa rien d’entier que le cœur.
Vom Leib des großen Rantzau bist du nur ein Teil.
Die andere Hälfte liegt auf den Feldern des Mars.
Er verstreute überall seine Glieder und seinen Ruhm.
So wie er auch niedergeschlagen wurde, blieb er doch Sieger.
Sein Blut war der Preis des Sieges an hundert Orten,
und Mars ließ heil ihm nichts als nur sein Herz.
Der zweite »Verrückte« war auf dem Höhepunkt seiner Macht ebenfalls Marschall von Frankreich, wenngleich einige Jahrzehnte früher: Blaise de Montesquiou de Lasseran de Massencome, Seigneur de Montluc, kurz Blaise de Montluc (1502 - 1577), entstammte einer Adelsfamilie aus der Gascogne. Er begann sich früh für alles Militärische zu interessieren und erhielt seine Feuertaufe im Dienst von Pierre du Terrail, Chevalier de Bayard (1476 - 1524).
Anders als der Herr auf Bothkamp besaß Blaise de Montluc neben seinem Draufgängertum auch eine Menge militärisches Verständnis, was er bei der Verteidigung von Siena bewies. Abgesehen davon ähneln sich die Biographien der beiden Marschälle in einigen Punkten. Auch Monsieur de Montluc bekam vom Militär nicht genug. СКАЧАТЬ