Название: Gewalt
Автор: Frank Rudolph
Издательство: Автор
Жанр: Спорт, фитнес
isbn: 9783938305799
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Um sich selbst zu schützen, benötigt man eigentlich keine gezielte Ausbildung. Jeder Mensch hat das Rüstzeug für die Verteidigung und den Angriff von der Natur mitbekommen. Aber aufgrund der vielen Bequemlichkeiten im Alltag hat sich der moderne Mensch vom »Normalfall« weit entfernt. In diversen Selbstverteidigungskursen wird suggeriert, dass jeder, wenn er nur ein paar einfache Tricks lernt, sich wirksam verteidigen könne. Das ist leider ein Wunschtraum.
Vor einiger Zeit besuchten wir einen Lehrgang für Behinderten-Selbstverteidigung. Den Teilnehmern, meist Rollstuhlfahrer, wurde gezeigt, wie sie sich im Falle eines Überfalls zu wehren hätten. Die vorgegebenen Beispiele funktionierten aber nur, wenn der potentielle Angreifer von vorn kommt und als solcher zu erkennen ist. Solche Angreifer gibt es nicht. Das ist nicht realistisch. Auch wenn es unangenehm ist, so etwas gesagt zu bekommen: Ein entschlossener Gewalttäter überrumpelt schon die meisten gesunden Menschen. Ein Rollstuhlfahrer hat außer lautem Schreien so gut wie keine Möglichkeit, sich vor einem Überfall zu schützen. Es sei denn, er besitzt eine Schusswaffe, kann mit dieser umgehen, hat die Waffe auch rechtzeitig zur Hand und, vor allem, erkennt den Angreifer früh genug als solchen …
Foto 1
Foto 2
Foto 3
Fotos 1 bis 3: In einem für Sie aussichtslosen scheinenden Kampf mit einem körperlich überlegenen Gegner, in dem ihr Leben bedroht ist, greifen Sie mit aller Macht einen letalen Punkt (zum Beispiel Kehlkopf oder Genick) an. Die Bilder zeigen einen Angriff von zwei Seiten auf den Hals. Aus dem gegenläufigen Zug und Druck kann der Angreifer nur schwer entkommen. Seien Sie sich bewusst, dass Sie in einer solchen Situation höchstwahrscheinlich selbst schwere Schäden erleiden werden, da der Angreifer Sie hemmungslos attackiert.
Foto 4
Foto 5
Foto 6
Foto 7
Fotos 4 bis 7: In den Formen der traditionellen Kampfkünste sind viele Techniken enthalten, die Anwendungen, wie sie auf Fotos 1 bis 3 gezeigt werden, entsprechen. Hier ein Beispiel aus dem chinesischen Kampfstil bāguàzhǎng.
Das Prinzip der Biene soll verdeutlichen, dass Entschlossenheit in einem Kampf überlebenswichtig ist. Wir hätten das Kapitel auch »Prinzip der Ameise« nennen können; im Buch »Walden« von Henry David Thoreau2 beschreibt dieser einen sehr interessanten Kampf, den wir hier wiedergeben:
Als ich eines Tages zu meinem Holzstoß, vielmehr zu meinem Stoß von Baumstümpfen ging, beobachtete ich zwei große Ameisen. Die eine war rot, die andere schwarz und fast einen Zoll lang. Sie kämpften erbittert miteinander. Hatten sie sich einmal festgebissen, dann ließen sie nicht wieder los, sondern kämpften, rangen und rollten unentwegt auf den Hobelspänen umher. Mit Erstaunen entdeckte ich überall auf den Spänen solche Kämpfer. Also war es nicht ein duellum, sondern ein bellum3; zwei Ameisenrassen bekämpften einander. Überall stellten sich die Roten gegen die Schwarzen, häufig zwei gegen eine. Die Legionen dieser Myrmidonen4 bedeckten alle Hügel und Täler meines Waldplatzes; der Boden war mit Toten und Sterbenden beider Parteien bedeckt. Das war die einzige Schlacht, der ich je beiwohnte, das einzige Schlachtfeld, das ich während der Schlacht betrat. Vernichtungskampf. Auf der einen Seite die roten Republikaner, auf der anderen Seite die schwarzen Imperialisten. Beide Seiten waren in den tödlichen Kampf verstrickt. Ich konnte jedoch keinerlei Geräusch vernehmen. Niemals kämpften menschliche Soldaten verbissener.
Ich beobachtete ein eng miteinander verflochtenes Kämpferpaar in einem kleinen sonnigen Tal zwischen den Spänen. Jetzt unter Mittag schickten sie sich an, bis Sonnenuntergang oder bis zum letzten Atemzug zu kämpfen. Der kleinere rote Soldat hielt wie ein Schraubstock des Gegners Vorderseite fest umklammert. Bei allem Hin und Her auf diesem Feld ließ er niemals davon ab, den einen Fühler des Gegners nahe der Wurzel zu benagen; den anderen hatte er schon kleinbekommen. Der stärkere Schwarze schleuderte den Gegner von einer Seite zur anderen. Wie ich bei näherem Hinschauen bemerkte, hatte er ihm schon mehrere Glieder abgerissen. Sie kämpften hartnäckiger als Bulldoggen. Offensichtlich war ihr Schlachtruf: »Sieg oder Tod!« Unterdessen kam ein einzelner roter Krieger mit allen Zeichen der Aufregung am Hang des Tales daher. Entweder hatte er seinen Feind schon erledigt oder sich bisher noch nicht an der Schlacht beteiligt. Das letztere war wohl der Fall, denn er hatte noch keines seiner Glieder eingebüßt. Sicher hatte die Mutter ihm aufgetragen, entweder mit seinem Schild oder darauf zurückzukehren. Vielleicht war er auch ein Achill und hatte abseits seinen Groll genährt, kam aber nun, um Patroklos5 zu retten oder zu rächen. Dieser Krieger sah den ungleichen Kampf von ferne. Denn die Schwarzen waren fast doppelt so groß wie die Roten. Mit schnellem Schritt kam der rote Soldat heran und blieb einen halben Zoll von den Kämpfenden entfernt im Hinterhalt. Dann sprang er im günstigsten Moment auf den schwarzen Krieger los und begann seine Operationen im Ansatz von dessen rechten Vorderbein. Mochte der Feind unter seinen eigenen Gliedmaßen wählen! So waren diese drei fürs Leben verkettet, als hätte man eine neue Befestigungsart erfunden, die alle Schlösser und jeden Zement in den Schatten stellte. Mich hätte es nicht gewundert, die jeweiligen Musikkapellen der beiden Armeen auf einem hochgestellten Span aufgestellt zu finden, wo sie unterdessen die Nationalhymnen spielten, um die Zögernden anzufeuern und die Sterbenden zu trösten. Ich selbst war fast so aufgeregt, als kämpften hier Menschen. Je mehr man darüber nachdenkt, desto geringer wird der Unterschied. Ganz gewiss liest man weder in der Geschichte Amerikas noch in den Annalen Concords6 von einer Schlacht, die auch nur einen Augenblick den Vergleich mit dieser aushält, weder was die Zahl der Kämpfenden anlangt, noch den entfalteten Patriotismus und Heroismus. Nach Zahlen und Gemetzel war dies ein Austerlitz oder Dresden7. Was ist dagegen die Schlacht bei Concord? Zwei Tote bei den Vaterlandstreuen und Luther Blanchard8 verwundet. Nun, hier war jede Ameise Buttrick: »Feuert, um Gottes willen feuert!« …9 Nicht einen Söldner gab es hier. Für mich besteht kein Zweifel, dass diese Ameisen genauso für eine Idee kämpften wie unsere Vorfahren, freilich nicht, um einer geringen Steuer für ihren Tee zu entgehen. Die Ergebnisse dieser Schlacht werden für die, die es anging, mindestens ebenso bedeutsam und denkwürdig sein wie die Schlacht am Bunker Hill.10
Ich nahm den Span mit den drei beschriebenen Kämpfern auf und trug ihn in mein Haus. Dort stülpte ich auf dem Fensterbrett ein Glas darüber, um den Ausgang des Kampfes zu sehen. Durch die Lupe sah ich, dass der Leib der roten Ameise ganz aufgerissen war und die Eingeweide unter den Zangen des Schwarzen bloßlagen. Trotzdem nagte die Rote eifrig am Vorderbein des Feindes, dem sie beide Fühler schon abgerissen hatte. Die Brustplatte des Schwarzen war offenbar zu dick, der rote Kämpfer konnte sie nicht durchdringen. Die dunklen Karfunkelaugen des Leidenden glänzten in einer Wildheit, die nur der Krieg entfachen kann. Länger als eine halbe Stunde kämpften СКАЧАТЬ