Jan und Jutta. Liselotte Welskopf-Henrich
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Название: Jan und Jutta

Автор: Liselotte Welskopf-Henrich

Издательство: Автор

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9783957840141

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СКАЧАТЬ begann zu reißen, und Christoph sprang im Hof hart auf. Er landete gerade vor dem Fenster der Hauptwachstube, das unmittelbar auf den Hof ging.

      Als Jan auf dem Fensterbrett saß, bereit, als letzter zu folgen, vernahm er einen unterdrückten Schrei seiner Genossen.

      Er schaute hinunter.

      »Was ist?«

      »Alles umstellt …«, kam die hastige Antwort. »Es ist alles aus.«

      Jan zwängte seinen Körper so schnell wie möglich zwischen Gitter und Wand hindurch und hangelte sich mit Windeseile an den mürben Laken in den Hof hinab. »Was denn umstellt?« flüsterte er, als er bei seinen beiden Gefährten unten angekommen war. »Wo denn umstellt?«

      »Da, siehst du nicht? Posten!« Franz und Christoph deuteten auf mannsgroße schlanke schwarze Schatten, die regungslos im Mondlicht standen.

      »Was?! … Das sind doch die Zaunpfähle! Also kommt!« Jan zog bei seinen Worten die Laken herunter und warf sie in die Regentonne. Dann lief er voran über den Hof.

      Die Gefangenen wußten, daß das Haus auch des Nachts von außen nicht bewacht wurde. Die Zuchthausverwaltung verließ sich auf die Aufmerksamkeit der Wachtmeister im Gebäude selbst. Da nur die besonders zuverlässig und in keiner Weise fluchtverdächtig erscheinenden Gefangenen zur Arbeit im Moor abkommandiert wurden, hatten die Vorsichtsmaßnahmen bis dahin auch immer genügt. Mit politischen Gefangenen hatte man noch wenig Erfahrungen.

      Die drei Männer überkletterten den Stacheldrahtzaun an der ausgemachten Stelle. Dann rannten sie wie flüchtiges Wild querfeldein, bis das Arbeitslager außer Sicht war. Jan führte. Von Anfang an hielt er genau nordwärts, und die Sterne wiesen ihm den Weg.

      Als Hinrich Vürmann, der Wachtmeister, sich in dieser Nacht zum Schlafen aufs Bett geworfen hatte, war ihm seit Wochen zum ersten Mal wieder so recht wohl zumute gewesen. Seine Stubengenossen hatten die Fenster offengehalten, und die würzige Nachtluft kam herein. Irgendeiner, der sich bei Vürmann lieb Kind machen wollte, hatte eine Tasse kalten Bohnenkaffee bereitgestellt, den Vürmann noch im Bett schlürfte. In der Schublade lag ein Brief der Frau, der meldete, daß daheim alles in Ordnung sei und daß es den Kindern gut gehe. Von den vergeblichen Bitten, das Haushaltsgeld zu erhöhen, hatte Grete Vürmann diesmal abgelassen, und der Ehemann konnte also den Brief von zu Hause ohne Gewissensbisse zweimal lesen. Auch Gretchen, die Dorfschöne, hatte sich bei Vürmanns abendlichem Besuch so lecker und munter erwiesen, wie der Herr Wachtmeister es sich nur wünschen mochte. Nun fehlte nur noch ein wohlwollendes »Hei-itler!« des Herrn Hauptwachtmeisters am kommenden Morgen und für Hinrich Vürmann stand der Sonntagshimmel offen.

      Vürmanns Träume waren in dieser Nacht von angenehmen Phantasien beschwingt und er schnarchte zufrieden.

      Hannes aber, der arme Teufel, der vierzehn Tage Kellerarrest und viele Schläge hinter sich hatte, lag mit Schmerzen und ohne rechten Schlaf zu finden auf seinem harten Lager im Gefangenenraum. Er machte zwar immer wieder die Augen zu, aber sein Herz und seine Nerven wollten nicht zur Ruhe kommen. Die Schulter tat ihm noch weh, und er fürchtete sich vor dem »staatspolitischen Unterricht« des folgenden Morgens unter Vürmanns Kommando. Wenn das nur nicht wieder schiefging. Durst hatte er auch, die Luft war schlecht und eigentlich mußte er austreten. Er warf seine Wolldecke bald zurück, bald zog er sie sich wieder über die Brust. Einmal merkte er, daß einer aufstand. Hannes hatte gerade die Augen geschlossen und machte sie nicht gleich wieder auf. Er war im Grunde befriedigt, daß irgendein anderer auch nicht schlafen konnte. So war er doch nicht ganz allein mit seinem Ärger, seiner Angst und seiner gequälten Müdigkeit. Was der andere Schlaflose tat oder wo er hinging, war Hannes gleichgültig. Es konnte damit nichts Besonderes auf sich haben, und Hannes verspürte keine Lust, ein Gespräch anzufangen. Infolgedessen hielt er die Augen zu und beschäftigte sich nur damit, auf die Schritte zu horchen, weil ihm diese Beobachtung die Langeweile vertrieb. Einmal vernahm er auch ein Flüstern, ohne etwas zu verstehen. Dann überwältigte ihn der Schlaf, vielleicht, weil er in diesem Augenblick seine Schmerzen vergessen hatte.

      Als er wieder wach wurde, sehnte er sich noch mehr nach frischer Luft als zuvor und schaute sehnsüchtig nach dem Fenster, das sich in dem ersten zarten Morgendämmern vor Sonnenaufgang erhellte.

      Wie?

      Hannes setzte sich im Bett auf.

      Er träumte wohl noch?

      Hannes fuhr sich mit der Hand über die Augen.

      Aber seine Wahrnehmung wurde dadurch nicht geändert. Das Gitter am Fenster war unten abgelöst und hinausgebogen.

      Teufel, Donner …

      Hannes kletterte von seiner Bettstatt herab und lief barfüßig durch den Saal. Er gelangte bis zu dem Fenster. Als er es näher besah, erschrak er furchtbar. War hier einer entflohen? Dann gab es wieder Strafe. Prügel von Vürmann … wußte der Himmel, wen er beschuldigen und wie er vielleicht alle bestrafen würde, die hier im Saal geschlafen hatten. Hannes öffnete den Mund, er wollte laut aufschreien, um die Wachmannschaften auf seine Wahrnehmung aufmerksam zu machen. Er durfte nicht in diese Sache hineingezogen werden, er mußte unschuldig sein!

      Als Hannes den Mund öffnete, um zu schreien, legte sich auf einmal eine Hand grob vor seine Lippen. »Halt’s Maul, du Taugenichts!« flüsterte es.

      Das war der Schlossergeselle, der sein Bett unmittelbar am Fenster hatte.

      Hannes wollte sich losreißen.

      Da packte ihn schon ein zweiter. »Halt’s Maul, du Lump!«

      Hannes sackte zusammen.

      Der Vorgang hatte noch weitere Gefangene geweckt.

      »Was ist denn los?«

      »Ruhe!«

      »Was ist denn mit dem Fenster?!«

      »Mensch …«

      »Das Maul sollt ihr halten! Wollt ihr sie verpfeifen? Ruhig, sage ich!«

      Der Lärm, der hatte aufwallen wollen, ebbte wieder ab. Doch war jetzt fast der ganze Saal wach geworden, und das Geflüster wollte nicht mehr abreißen. Die Gefangenen schauten nach den anderen Betten, und bald wußte jeder, wer fehlte: Jan, Christoph und Franz.

      Hannes war wieder auf sein Bett geklettert und weinte. Die anderen mutmaßten und ratschlagten. Es herrschte eine ungeheure, wenn auch noch unterdrückte Erregung. Der Schlosser hatte mit drei handfesten Freunden zusammen gedroht, jeden, der die Flüchtlinge verpfeifen würde, kurz und klein zu schlagen.

      Vürmanns Schnarchen, das die Gefangenen hören konnten, klang jetzt unregelmäßiger. Er träumte nicht mehr gut, sondern schlecht. Endlich warf er das Kopfkissen gegen seinen vermeintlichen Gegner und erwachte mißlaunig. Es war trotz des geöffneten Fensters noch dumpfe Luft im Wachraum, darum hatte er vielleicht so schlecht geträumt. Vürmann stand auf, um sich sein Kopfkissen wiederzuholen. Dabei nahm sein auf Wachsamkeit dressiertes Ohr die leise Unruhe im Gefangenenraum nebenan wahr. Was die Bande wohl wieder zu flüstern und zu munkeln hatte? Jetzt war es ihm klar, diese Banditen hatten ihm mit ihrer unangebrachten Unruhe den seligen Schlummer in einen Schlaf voll schlechter Träume verwandelt und ihn endlich aufgeweckt. Er wollte der Bande aber zeigen, wer hier Herr im Hause war, die Ganoven oder der Wachtmeister!

      Vürmann ging an das »Spionenfenster«, das den Wachraum mit dem Gefangenensaal verband. Da waren doch wahrhaftig welche aus den Betten gekrochen СКАЧАТЬ