Jan und Jutta. Liselotte Welskopf-Henrich
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Название: Jan und Jutta

Автор: Liselotte Welskopf-Henrich

Издательство: Автор

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783957840141

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СКАЧАТЬ Arbeitsbluse, schwarze Hosen … mit gelben Biesen …« Der Hauptwachtmeister hängte erschöpft ab. »Die sind ja nicht normal …«, sagte er.

      »Was aber die Biesen anbelangt«, bemerkte einer der Wachtmeister, »so hatte der Jan noch keine Biesen an den Hosen. Einige Gefangene tragen noch die alte Kleidung.«

      »Mist!« rief der Hauptwachtmeister. »Warum habe ich das nicht gleich erfahren! Soll ich vielleicht jetzt an hundert Stellen wieder eine andere Personenbeschreibung durchlaufen lassen?! Wie soll man hier Ordnung halten, wenn nichts klappt, überhaupt nichts!! Wachtmeister, gehen Sie an Ihre Plätze, das ist notwendiger als hier herumzustehen! Sonst laufen uns noch ein paar weg. Nichts ist gefährlicher als das Beispiel … verflucht und zugenäht, es ist zum Kotzen …«

      Die Wachtmeister waren schon verschwunden. Nur die drei wieder in Händen haben, dachte Vürmann. Nur die wiederhaben! Der schwarze Jan war ihm doch nicht umsonst aufgefallen. Es war etwas Unheimliches an diesem Menschen gewesen! Er hatte ihn überzeugen wollen. Quatsch! Einen Kommunisten überzeugen! Totschlagen mußte man sie, nur totschlagen! Warum die Gerichte noch soviel Federlesens mit den Untermenschen machten?

      Als sich diese Vorgänge im Moorlager abspielten, befanden sich Jan, Christoph und Franz auf der Flucht.

      Während ihrer ersten kurzen Atempause hatten sie in einem Rübenfeld gestanden. Der Tau lag in dicken Tropfen auf den Blättern. Aber die drei merkten nicht, daß sie naß wurden, als sie sich einen Augenblick niederließen.

      »Der Vürmann wird Augen machen«, sagte Franz.

      »Dort …«, flüsterte Christoph. »Licht! Das kann nur …«, er schaute umher, »das kann nur Polizei sein!« Er legte sich flach ins Feld.

      Jan hatte auch prüfend in die Richtung geschaut, die sein Freund meinte.

      »Ein Mädel ist es, das nicht schlafen kann«, sagte er dann. »Sie hat eine Kerze hinters Fenster gestellt.«

      Die Flüchtlinge standen auf und setzten ihren Weg fort.

      Sie mieden die Landstraßen und die Häuser. Querfeldein ging es im Dauerlauf die ganze Nacht hindurch. Das Laufen über die Rübenfelder und Kartoffeläcker war anstrengend.

      Als die drei wieder einmal einen Zaun überkletterten, der die Felder trennte, stürzte der schmächtige Christoph vor Müdigkeit. Er fiel kopfüber und lag dann auf etwas Warmem, Weichem, das ihn mehr erschreckte, als ihn eine nasse Wiese voller Brennesseln oder der Lehm eines Kartoffelackers hätte erschrecken können. Das Warme Weiche geriet in Bewegung … und auf einmal gab es einen tiefen Laut von sich: »Muh-öh.«

      Christoph mußte lachen. Die Kuh war offenbar ebenso erschrocken wie er selbst. Rasch glitt er von ihrem Rücken herunter und eilte seinen beiden Gefährten wieder nach.

      Der Mond wanderte am Himmel und auch die Sterne veränderten langsam den Stand. Es kamen die Stunden, in denen das Sternenlicht schon blasser wurde und die ersten Anzeichen der Morgendämmerung zu bemerkten waren.

      Als die Flüchtlinge einen Weg kreuzten, sahen sie am Rain schon große gefüllte Milchkannen stehen, die die Bauern zum Abholen für die Molkereiwagen bereitgestellt hatten. Verschwitzt, erschöpft, vom Durst gepeinigt nach dem stundenlangen Lauf, öffnete Franz die eine der Kannen und trank. Seit Jahren hatten die Gefangenen keine Milch mehr geschmeckt. Franz schlürfte noch ein paar Schluck. Dann ließ er Christoph heran.

      »So macht doch vorwärts«, flüsterte Jan ungeduldig. »Es wird hell!«

      Christoph trank nicht mehr viel, aber das wenige genügte schon, um in ihm eine furchtbare Übelkeit zu erregen. Die Kost war ungewohnt und sein Körper überanstrengt. Aber er durfte nicht nachgeben. Weiter lief er mit den anderen, bald springend, bald kriechend, bald im Dauerlauf. Die Flüchtlinge, die den Schutz der Dunkelheit verloren, mußten im heraufziehenden Tag den Schutz des Geländes suchen. Sie hatten lange nichts mehr miteinander gesprochen.

      Jan führte nach wie vor. Er steuerte jetzt mit seinen beiden Gefährten auf ein Gehölz zu, das sich an einem Hang hinabzog.

      Die drei Männer drangen in das Gehölz ein. Es bestand aus jungen Tannen und Gesträuch. Die Flüchtlinge suchten sich ein geeignetes Versteck. Todmüde von dem stundenlangen nächtlichen Lauf, durchnäßt, erhitzt durch die Anstrengung und zugleich ausgekühlt von dem herbstlichen Winde der letzten Nachtstunden, nisteten sie sich im Unterholz ein. Es roch nach Harz, nach Brombeeren und nach Walderde. Die dünnen Waldgräser glitzerten. Der erste Lichtschimmer, der dem Sonnenaufgang noch voranging, fing sich schon in den Tautropfen. Von einem der Baumwipfel erklang die erste Vogelstimme.

      Jan kroch in dem Versteck umher, um einen geeigneten Ausguck zu finden, der ihm den Blick auf den nächsten Weg erlaubte, ohne daß er selbst von dort gesehen werden konnte.

      »Wo sind wir denn?« fragte Franz, zu Jan hingewandt. »Du scheinst dich ja auszukennen.«

      »Wo-die-Hunde-mit-dem-Schwanz-bellen«, antwortete Jan. »Hier in der Gegend habe ich gewohnt und gearbeitet.«

      »Du?« fing Christoph an und holte tief Luft, um sich nicht zu erbrechen. »Wohnt hier nicht … hier in der Nähe … der Hein Henne, meine ich?«

      »Stimmt. Du kennst ihn doch auch?«

      »Ja.«

      Die Vogelstimmen wurden schon zahlreicher. Die Sonne war über dem Horizont emporgekommen. Eine Lerche stieg in die Lüfte. Hellgoldenes Licht flutete zwischen den jungen grünen Tannen, den Ranken und Sträuchern. Der Himmel wölbte sich blau über dem Land. Die Tautropfen begannen an den Gräsern herabzurinnen und leuchteten dabei in allen Farben des Regenbogens. Ein Marienkäfer war Jan auf die Hand gefallen und versuchte jetzt, seine Flügel zu spreizen. Über den Waldweg, den Jan vom Versteck aus beobachten konnte, lief ein Hase. Das Tier hielt einen Augenblick an, machte Männchen, äugte und lauschte, dann setzte es seinen Weg mit Windeseile fort und verschwand im Gesträuch. Jan dachte daran, daß er sich mit seinen Gefährten in der Lage eines Wildtieres befand, das sich vor den Jägern hüten mußte.

      »Du könntest mal zu Hein Henne hingehen und die Lage peilen«, sagte Jan zu Christoph. »Damit wir erfahren, wie es eigentlich steht und wer von den Genossen noch lebt. Man ist ja aus allem raus.«

      »Der Gedanke ist nicht schlecht«, stimmte Christoph zu. »Ich würde selbst gehen«, sagte Jan, »aber mich kennen die Frau und die Kinder. Die Frau und die Kinder brauchen nichts von uns zu wissen.«

      »Ich sehe mal zu.« Christoph überwand seine Erschöpfung und erhob sich. Er versicherte sich noch einmal, daß rings alles still und menschenleer war, dann schlich er vorsichtig durch das Gehölz. Die beiden Zurückbleibenden lauschten noch auf seine Schritte, die aber bald nicht mehr zu hören waren.

      »Ist das nicht gefährlich?« fragte Franz.

      Jan zuckte die Achseln. »Hein Henne ist Genosse, und er wohnt in einem Häuschen am Wald allein. Wenn Christoph sich in acht nimmt, kann eigentlich nichts passieren. Wir müssen uns doch orientieren, wie es politisch aussieht.«

      »Ja, ja.« Franz hatte eine unreife Brombeere gefunden und zerkaute sie. »Wir können die Zeit hier zu so etwas ausnützen, das ist schon richtig. Vor Abend kommen wir ja doch nicht weiter.«

      »Nein, den Tag über müssen wir hier versteckt bleiben. Sobald es dunkel wird, machen wir uns auf nach Hamburg. Den Weg bis Hamburg schaffen wir in der Nacht.«

      »Mhm.« СКАЧАТЬ