Jan und Jutta. Liselotte Welskopf-Henrich
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Название: Jan und Jutta

Автор: Liselotte Welskopf-Henrich

Издательство: Автор

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783957840141

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СКАЧАТЬ Nachmittags beim Fenster hockte und seinen Strohsack flickte, kam der Schlossergeselle langsam herbei.

      »Also machen wir das dann!« sagte er zu Jan. »Schon wegen dem Schwein, dem Vürmann. Bring aber saftige.«

      Jan nickte.

      »Morgen oder übermorgen kann ich dir den Kram geben. Halt aber auf alle Fälle die Schnauze. Von mir hast du ihn nicht. Verstanden.«

      Jan nickte und flickte weiter.

      Der Sonntagnachmittag schlich dahin. Als sich der Tag dem Abend zuneigte, wurden die Gefangenen unruhig. Die Vorstellung, daß sie nach einem Sonntag, der durch Vürmanns Schuld kein Ruhetag gewesen war, am folgenden Morgen die schwere Arbeit im Moor wieder aufnehmen mußten, zerrte an ihren Nerven und machte ihnen ihre Abspannung und Müdigkeit noch mehr als sonst bewußt. Von fernher war irgendeine Melodie durch die schwüle Luft gedrungen und hatte alle sehnsüchtigen und überreizten Empfindungen geweckt.

      »Warum die wieder nicht geschrieben haben?« sagte Franz zu Jan. »Mein Brief muß doch dort sein. Bei der Postverteilung gestern hätte ich die Antwort schon haben können, wenn sie gleich geschrieben hätten.«

      Die Gefangenen durften alle zwei Monate einen Brief nach Hause schreiben und alle vier Wochen einen Brief empfangen.

      »Du kannst ja selber mal nachsehen, was los ist«, meinte Jan.

      »Witze!« antwortete Franz gereizt und gekränkt.

      »Würdest du mitkommen, wenn ich nach Frankreich und von da nach Spanien ginge?«

      »Mensch, was – quatschst du da?«

      »Sie kämpfen dort.« Jan holte das Zeitungsblatt und gab es Franz zu lesen. »Sie stellen internationale Brigaden zusammen!«

      Franz las zweimal, dreimal. Er konnte sich von der kurzen Notiz gar nicht trennen. »Wo hast du denn das her?« fragte er Jan, ohne ihn anzusehen.

      »Von Vürmann.«

      »Der Idiot. Spanien? Du hast recht. Da gehören wir hin. Mit unseren Brigaden kämpfen … Aber …«

      »Ich denke, der Christoph kann uns Papiere in Hamburg verschaffen.«

      »Was? Soweit seid ihr schon?«

      »Nächsten Sonntag machen wir den ›staatspolitischen Unterricht‹ nicht mehr mit, Franz.«

      »Mensch, Mensch … ist außer Christoph noch einer dabei?«

      »Nein. Wir drei sind mehr als genug.«

      »Hm. Wir drei … aber sobald sie es merken, wird sofort alles alarmiert, die ganze Polizei … und wir sitzen nur in der Mausefalle.«

      »Wo werden sie uns suchen? Was denkst du?«

      »An der holländischen Grenze natürlich – über die müssen wir auf alle Fälle rüber.«

      »Da kennst du dich ja aus, Franz. Das hast du mir doch schon ein paarmal erzählt.«

      »Erzählt, ja, erzählt. Ich hab’ da schon meine Verbindungen, ich hab’ nicht geflunkert. Aber wenn die Streifen unterwegs sind?«

      »Wie lange werden sie suchen?«

      »Was heißt, wie lange? Was willst du damit sagen?«

      »Daß wir erst nach der entgegengesetzten Seite gehen, in Richtung Hamburg. Dort muß uns der Christoph Papiere beschaffen. Bis wir an die Grenze kommen, haben sie das Suchen dort schon aufgegeben.«

      »Jan, du bist gar nicht so dumm. Aber unsere Personalbeschreibung wird doch bekanntgemacht. Wenn sie von uns dreien auch nur einen wiedererkennen, ist es aus. Wir mit unseren Zuchthausjacken fallen überall auf.«

      »Zivil bekomme ich in Hamburg für uns alle, Franz. In Hamburg trennen wir uns dann. Wenn wir Papiere haben und eingekleidet sind, trennen wir uns und fahren einzeln. Die Fahrkarten werden uns die Hamburger Genossen schon bezahlen. An der Grenze treffen wir uns wieder, an einem Punkt, den du bestimmen sollst.«

      »Hm. An der Grenze, wie gesagt, da wüßte ich schon, wo und wie etwas zu machen ist … wenn es mit dem Christoph und den Papieren nur klappt – und wie kommen wir raus aus dem Bau hier?«

      »Das laß nur meine Sorge sein. Es geht.«

      »Nächsten Sonnabend? Weißt du … hör mal … du hast die Bande ja auch am eigenen Leibe kennengelernt. Ob sie nicht unsere Familien verhaften und sich an denen rächen?«

      »Und wenn?«

      »Ich hab’ eine Frau, Jan, und Kinder.«

      »Du mußt es wissen.« Jan stand auf und brachte seinen geflickten Strohsack auf sein Bett. Es war nie gut, wenn sich zwei Gefangene zu lange miteinander unterhielten. Das fiel nur auf. Franz mußte mit seinem Entschluß allein fertig werden. Nur wenn er allein damit fertig wurde, konnte er ein zuverlässiger Gefährte bei dem kühnen Unternehmen sein.

      Von diesem Wochenende an betrachtete Jan, der Gefangene, seine Umgebung mit anderen Augen als bisher. Er betrachtete sie mit den Augen eines Mathematikers, der sich vorgenommen hat, eine schwierige Aufgabe mit Genauigkeit zu lösen. Jede Örtlichkeit, jede Entfernung prüfte er mit den Augen wieder und wieder. Das Gitter und die sechs Holzschrauben, mit denen es außen am Fachwerk angebracht war, hätte er schon halb im Schlaf aufzeichnen können. Mehr als einmal schaute er vom Fenster in den Hof hinab und schätzte, daß drei aneinandergeknüpfte Laken genügten, um sich hinunterzulassen. Wenn er an der Ecke vorbeiging, in der der eiserne Ofen stand und in der noch einiges Holz aufgeschichtet war, das zum Feuern diente, falls Kaffee gewärmt oder Wäsche getrocknet werden sollte, so musterte Jan die Holzscheite, und als er das für seine Zwecke geeignetste einmal unbemerkt an sich nehmen konnte, tat er es und versteckte es bei seinem Bett.

      Eines Abends hielt auch der Schlosser Wort und brachte den Schraubenschlüssel. »Jetzt bin ich neugierig«, sagte er dabei nur.

      Jan steckte das Werkzeug zu sich.

      Als Christoph wieder einmal des Abends mit Jan am Fenster stand und Jan in seiner gewohnten Schweigsamkeit irgendwohin schaute, vielleicht nach der Tür, vielleicht nach einem Mitgefangenen, vielleicht nach dem »Spionenfenster« der Wachstube … wer wußte es? …, konnte Christoph nicht an sich halten. »Wie du nur so gleichgültig sein kannst, Jan«, meinte er. »Als ob wir am nächsten Sonnabend zum Kegelschieben verabredet seien. Schließlich …«

      »Schließlich …?«

      »Also schließlich ist es doch etwas anderes!«

      »Wägen und zielen muß man da und da!«

      Es war dämmrig. Die meisten Gefangenen schwatzten oder aßen noch. Jan lehnte mit dem Rücken gegen das geöffnete Fenster. In seiner Rechten, in dieser großen, muskulösen, dunkelgebräunten Hand, hielt er den Schraubenschlüssel. Christoph stand so, daß die anderen Gefangenen das Werkzeug nicht hätten sehen können, auch wenn sie nach Jan hinblickten. Aber sie schauten gar nicht hin. Jan betrachtete noch einmal die Holzschrauben, mit denen die Gitter am Fachwerk festgemacht waren. Gitter und Schrauben waren verrostet, und Jan fürchtete, daß die Schrauben quietschten, wenn sie gelöst wurden. Darum mochte er nicht nachts daran arbeiten, wenn in der СКАЧАТЬ