Zwei Freunde. Liselotte Welskopf-Henrich
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Название: Zwei Freunde

Автор: Liselotte Welskopf-Henrich

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783957840127

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СКАЧАТЬ Kleid. Ihr Haar hatte einen nicht beschreibbaren Schimmer, ihre Hautfarbe war wie Elfenbein. Die Damen und die Herren sprachen zu ihr, und sie folgte ihren Worten mit dem gleichbleibenden Lächeln, das ihre Traurigkeit verdeckte. Selten antwortete sie; ihr »Ja« und ihr »Nein« hatten einen nachdenklichen Klang, so, als ob immer noch eine Frage nach dem Sinn alles Sprechens zurückbleibe.

      Wichmann stand blaß neben Schildhauf an der seidenbespannten Wand und begehrte mit einem Blick, in den sich sein Blut zusammendrängte, die einzige Bewegung, die sie ihm noch einmal enthüllte. Aber die Herrin des Hauses war von unsichtbaren Schilden umgeben.

      »Zum Wahnsinnigwerden«, sagte Schildhauf. »Sie ist die einzige Frau, die einen modernen Mann noch verrückt machen kann. Sehen Sie sich an, was darum herumsteht – nichts als Fabrikware, hundertfach auswechselbar. Aber sie ist einmalig. Ich kann Grevenhagen verstehen!«

      Durch die Tür zum Herrensalon, die halb geöffnet war, wechselten Gäste herüber in das Musikzimmer. Herr von Linck zeigte, daß es ihm eine Ehre war, mit Marion Grevenhagen eine Unterhaltung zu führen. Sie sah den alten Herrn voll und lächelnd an, aber auch ihm gelang es nicht, die Luft zu durchdringen, die zwischen ihr und allen anderen lag. Wichmann dachte daran, daß sie ihn um einen Tanz gebeten hatte, und er war nicht gekommen.

      »Haben Sie Musa gesehen?« fragte er Schildhauf leise und heiser.

      »Den harmlosen Irren? Er war vorhin da. Vielleicht ist er schon wieder gegangen. Kennen Sie ihn?«

      »Er arbeitet in der Abteilung II.«

      Die beiden Herren wurden aus ihrer Zurückgezogenheit aufgestört. Bekannte des Regierungsrates aus dem diplomatischen Dienst zogen ihn und Wichmann in den Kreis.

      Man sprach von Theater und Konzert und einigen neuen Büchern. Grevenhagen selbst zeigte sich und machte eine spöttische Bemerkung über Emil Ludwig.

      »Oh, lieben Sie historische Romane nicht, Herr Ministerialrat?«

      »Ich will Ihnen das Vergnügen an dieser Art Geistigkeit nicht verderben, gnädige Frau, ich möchte Sie nur darum bitten, mich als Mann davon zu beurlauben.«

      »Aber wie …?« Die Dame mit dem Pagenkopf wurde interessiert. »Glauben Sie nicht, daß gerade der historische Gegenstand des männlichen Interesses besonders würdig ist?«

      »Der Gegenstand ohne Zweifel. Aber die zumeist recht intime Behandlungsart entspricht doch mehr dem Boudoir als dem Klubsessel.«

      »Oh? Aber auch Herren können sich doch geistig nicht wie unter Denkmälern bewegen. Auch die bedeutenden Menschen waren aus Fleisch und Blut!«

      »… und hatten nicht auch sie ein Recht auf Diskretion?«

      »Wer das allgemeine Schicksal bestimmen will, lebt auch öffentlich und darf nicht klagen über das öffentliche Interesse.«

      »Der Gedanke ist sehr erwägenswert, vielleicht ist er sogar richtig. Die großen Menschen dürfen nicht klagen. Aber vielleicht vermögen einige der Kleineren freiwillig haltzumachen vor dem Persönlichen.«

      »Ich glaube nicht, daß man irgendwo auf Erkenntnis verzichten sollte.«

      »Sie sind der Literatur und dem intellektuellen Interesse ergeben. Ich darf mich darin nicht mit Ihnen messen, gnädige Frau. Ich sattle viel zu häufig das Roß und sprenge in die Gedankenlosigkeit hinein.«

      »Reiter und Pferd sind nichts Ungeistiges«, sagte Oskar Wichmann in die entstehende kleine Pause hinein. »Ich glaube, daß sich die Begegnung des feinstempfindenden und stolzesten der Tiere mit dem Menschen unter allen Sportarten als etwas Besonderes hervorhebt. Die Einheit, die sich aus Wissen, Willen, Beherrschung und körperlicher Kraft ergibt, kann zu einem Bildwerk geläuterter Kultur werden. Bei dem Anblick eines vorzüglichen Reiters auf vorzüglichem Pferd habe ich immer noch am ehesten die Empfindung, mit der die Griechen einen schönen Körper und die Geistigkeit einer schönen Lebensführung zusammen geschaut haben mögen.«

      »Das haben Sie ausgezeichnet gesagt!« rief von Linck.

      »Grevenhagen, unser junger Herr Wichmann ist wert, Ihre Grauschimmel besichtigen zu dürfen.«

      Das Gespräch kam auf diese Tiere und Wichmann erfuhr, daß ihr Kauf in Kennerkreisen Staub aufgewirbelt hatte. Die Dame mit dem Pagenkopf erkundigte sich anschließend nach Tips für die Rennsaison des nächsten Frühjahrs, und zwei Herren wußten über geheime Hoffnungen verschiedener Ställe Auskunft zu geben.

      Marion löste sich aus der Unterhaltung, an der sie nur durch ihre Anwesenheit teilgenommen hatte, und ging langsam durch die offenstehende Tür nach dem Salon, in dem das Kaminfeuer brannte, und von dort weiter in den ersten Empfangsraum mit dem Büfett. Sie hatte nur ein einziges Mal auf Oskar Wichmann gesehen, fragend, fast befremdet.

      Und war doch im Tanz die Seine gewesen.

      Der junge Mann stand noch im Kreise Grevenhagen gegen über. Das war der Herr, der durch Geburt, durch Reichtum und Erfahrung besaß, was Wichmann immer unerreichbar blieb, und er konnte mit grauem Haar herablächeln auf den Jüngeren, den er nicht zu fürchten brauchte.

      Oskar Wichmann erinnerte sich, daß die gesellschaftliche Übung es erlaubte, an einem »jour fix« ohne Zwang zu kommen und zu gehen. Als das Gespräch die ersehnte Pause machte und die Gruppe der Sprechenden sich auflöste, ging er für sich allein durch die Flucht der ineinander laufenden Räume zurück. Schildhauf war bei von Linck hängengeblieben.

      Im Salon am Kamin schwoll ein dröhnendes Lachen alter Herren auf, und der Vorübergehende bemerkte Fräulein Hüsch, die einen Kranz betagter und vermögender Verehrer gefunden hatte. Sie saß in einem kleinen Sessel, kühn das Knie entblößend, und rauchte. »Wenn Sie den Kuß als ›Drucksache‹ auffassen wollen, hat er mit Aktenbündeln allerdings etwas zu tun«, sagte sie eben.

      Korts hatte sich als Zuhörer dieses Schauspiels einen Stehplatz gesichert, und Wichmann schätzte, daß dieser Gast dem Hausherrn heute allein eine halbe Kiste Havanna kostete.

      Am Büfett bewegte sich Casparius. Es war ihm gelungen, den Diener von einer Flasche Likör zu verdrängen und der Dame des Hauses selbst einzuschenken. Ach, sieh an, der Schwabe und die Sumpfblüte!

      Wichmann wußte nicht, warum er auf einmal einer heiteren Stimmung fähig wurde. Er übernahm es, zu Marion Grevenhagen und dem Kollegen Casparius zu gesellen, und er wagte es, zu ihr auf fröhliche Art zu sprechen.

      »Gnädige Frau, Sie haben heute den vielleicht größten Erfolg Ihres Lebens davongetragen. Ein Feind der Frauen und der Wunderblumen hat sich Ihnen offenbar unterworfen. Er bringt seine Huldigung mit dem Besten, was sein Herz kennt, mit dem Geist und der Süße des stummen Getränkes, und wenn es möglich wäre« – Wichmann schaute suchend über die raffiniert garnierte Platte –, »so wird er Ihnen noch ein Schinkenbrötchen kredenzen, das Symbol seiner schlichten und zuverlässigen Ergebenheit.«

      Frau Grevenhagen sah erstaunt und nicht ohne Interesse auf die Freunde, als erwarte sie, daß dieser Faden weiter ausgesponnen werde.

      »Wichmann, Sie haben das gut g’sagt, und ich bitte mir zu gestatten, gnädige Frau, daß ich Ihnen das beschte Schinkenbrötchen verehre.« Casparius hob den Teller mit der Rechten, legte die Linke ans Herz und machte einen tiefen Bückling, ohne im mindesten zu zittern. »Die Herrlichkeiten dieser Welt sind vergänglich, die herrlichstenam schnellsten, aber ich bitte untertänigst darum, den Gedanken an meine Bewunderung und Ergebenheit wenigstens so lange СКАЧАТЬ