Zwei Freunde. Liselotte Welskopf-Henrich
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Название: Zwei Freunde

Автор: Liselotte Welskopf-Henrich

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

Серия:

isbn: 9783957840127

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СКАЧАТЬ ein Fisch überraschend zuschwimmt.

      »Ha … no! Aber Herr Wichmann! Erster Rang! Das könne mir doch gar net annehme?«

      »Nehmen Sie es ruhig an, gnädige Frau. Ich bin oft genug Ihr Gast gewesen. Im übrigen: für die Kollegen zu bluten ist eine Art Junggesellensteuer, mit deren freiwilliger Entrichtung wir Hagestolze uns das moralische Recht auf unser sonst so bequemes Dasein sichern.«

      »Nein … so einer sind Sie? Da muß man Sie recht schröpfe, damit Sie Ihr bequemes Dasein eines Tages doch endlich dick haben und ein reizendes Mädle glücklich mache?«

      »Machen Sie einen ersten Versuch dazu, liebe Frau Casparius, indem Sie sich mit Ihrem Gatten heute ganz als meine Gäste betrachten.«

      »Da danke mir halt recht sehr!« Auf den Wangen erschienen die Grübchen. Die breite Treppe zum ersten Rang, in Gold und Rot, nahm die Freunde und die junge Frau auf. Man stieg langsam die Stufen hinauf und genoß dabei die flimmernde Atmosphäre zwischen Uniformen, Smokings und gewagten Toiletten. Die weiße Stirn von Frau Anna Maria hatte sich gerötet, während ihre flinken Augen Natur und Kultur der Damenwelt erfaßten.

      »Das Diadem ischt übrigens weg«, sagte Casparius.

      »Was für …«

      »Das Diadem … vor dem die Silvia Sauberzweig jeden Abend g’schtande ischt.«

      »Vielleicht hat er’s in den Laden hereingenommen.«

      »Nein … es ischt verkauft.«

      »Hast du dich etwa dafür interessiert, Kasper?«

      »Warum soll ich mich net für Platindiademe interessieren? Meine Frau will ja auch einen Tenor singen höre.«

      »Und was hat es gekostet?«

      »Der Preis des Diadems war 28ooo M …«

      »Hast du das für die Silvia festgestellt?«

      »Ganz recht. Sie hat’s so gern wisse wolle.«

      Frau Anna Maria gab an der Garderobe ihr Tuchmäntelchen mit den Überziehern der beiden Herren zusammen ab. Sie drückte, selbst blühend wie eine Heckenrose, den Heckenrosenstrauß, den Wichmann ihr überreicht hatte, an die Brust gegen die helle Seide ihres Kleides. Ihr Gatte betrachtete sie mit einem unverhohlen verliebten Blick.

      Der Logenschließer verkaufte jedem der beiden Herren ein Programm, und man trat durch die schmale Tür in den Innenraum der Oper.

      In dem leisen Summen der Stimmen und der Instrumente, in dem Aufklingen eines Geigentones, im Klappen der Polstersitze schwirrte die Erwartung.

      Die mächtigen Lüster leuchteten über Ränge und Parkett.

      Der eiserne Vorhang hatte sich schon gehoben. In schweren, prunkenden Falten fiel der goldgebortete Plüsch vom Himmel bis zum Boden der Bühne. Die edlen Hölzer und die Bronze, mit der Wände und Rangbrüstungen verkleidet waren, spiegelten das Licht. Die Reihen füllten sich. Sammet und Seide, Hermelincapes und Zobel erschienen; schlanke Frauengestalten und kleine dicke; geschniegelte junge Herren und gepflegtes Grauhaar; fremdländische Diplomaten und Militärs; ein einzelner Straßenanzug, der den festlichen Stil des Ganzen als Gegensatz noch mehr empfinden ließ. Die Mitglieder des Orchesters fanden sich schon zahlreicher ein, das Stimmen der Instrumente wurde vielfältiger, alle Notenständer füllten sich mit Blättern. In den Rängen und im Parkett suchten einzelne kleine Operngläser nach Bekannten. Da und dort begrüßte man sich. Auch die meisten der Logen waren schon besetzt. Nur einzelne standen noch leer.

      Die beiden jungen Herren und ihre Dame hatten sich in den Sitzen der ersten Rangreihe bequem zurückgelehnt. Sie konnten Zuschauerraum und Bühne leicht übersehen und brauchten nicht die Hälse zu recken.

      »Ist das schön!«

      »Gefällt es Ihnen so gut, Frau Anna Maria?«

      »Wie im Himmel.«

      Wichmann lächelte und studierte scheinbar das Programm, während sein Blick heimlich immer wieder hinüberflog auf die andere Rangseite.

      Loge 7 war noch nicht besetzt.

      In den Garderoben schallte das erste Klingelzeichen. Die Menschen an den Türen drängten sich. Reihen standen auf, um die Nachzügler an die Plätze zu lassen; wieder klappten die Sitze. Beim zweiten Klingelzeichen begann das Licht der Lüster zu erlöschen. Im Orchester erschien der Dirigent, das Stimmen der Instrumente verstummte zur gespannten Stille. Die letzte Helle im Zuschauerraum verschwand, nur die gedeckten Lampen über den Notenständern glühten. Ein schnell verhuschender Schimmer aus hellem Spalt fiel noch einmal in den dunklen Raum. Loge 7 war besetzt worden. Oskar Wichmann hatte die schmale dunkle Frau mit den weißen Armen erkannt. Sie hatte sich geneigt, als ob ihre Hände etwas aufnehmen wollten, und hatte sich dann niedergelassen. In dem Schatten des Raumes, im Aufschwellen der Ouvertüre sah Oskar Wichmann nur sie, ein Traumbild.

      Vielleicht lagen ihre Hände jetzt über biegsamen Rosenstielen, und die knospenden Blüten ruhten auf ihrem Schoß. Die Fülle der Musik schwang im Raum, der Gesang der Geigen, das Todesahnen der Harfe. Die Luft wallte in klingenden Wellen, die sich nicht nur dem Ohr mitteilten. Mit Schmeicheln und Brausen umfingen sie den Menschen und drangen in ihn ein. Das Blut ließ sich ergreifen von den Rhythmen des Sieges und der Liebe. Das besondere Ich, der begrenzte Körper weiteten sich in dem Lied der Instrumente, das menschliche Sehnsucht mit vollem Mute sang. In dem Dämmer des Raumes, das satt war von verborgenem Goldschimmer, tanzten die süßen und mächtigen Töne. Sie weckten die Ahnung des Kommenden, sie schwollen in Visionen des prächtigen Lebens und liebenden Todes; nur ein Sohn des Südens hatte sie so ungebrochen aus dem Äther erlauschen können. Die Hörenden waren dem Freudenfeste der Töne und dem schaurig-stillen Klang der Tempelharfen hingegeben.

      Oskar Wichmann bedauerte es fast, als der Vorhang sich hob, als die Zauberwelt sich in das Licht stellte und eine, wenn auch sehr schöne, so doch bestimmte und damit nicht mehr alles umfassende Gestalt annahm. Der Augenblick der Enttäuschung ging vorüber. Ägyptische Sonne gleißte zwischen rätselhaft steifen, Ahnen und Enkel überdauernden Säulen. Der Gesang des Menschen, herrlicher als alle Instrumente seiner Kunst, hob sich mit Flügeln. »Aida …«

      Entgegen den Gewohnheiten des Hauses rauschte der Beifall der offenen Szene entgegen. Das Mitschwingen der Körper setzte sich in ein Brausen der zusammenschlagenden Hände, in laute Schreie um. »Bravo … bravo!«

      Das Haus und die Bühne hatten sich vereinigt. Der Sänger setzte von neuem zu seinem Liebesliede an.

      Farbstrotzende Gewänder, in Rot, in Grün, in Blau, weißgekleidete Priester, braunhäutige Frauen mit langem Schwarzhaar, malerisch zerlumpte Gefangene wurden die Körper der jauchzenden, unbekümmerten Musik, die in immer neuer Fülle aus Kehlen und Saiten quoll.

      Im Dunkeln und Hellen, im Fallen und Steigen mischten sich die Klänge, hundert- und tausendfältig folgten sie sich und schlossen sich zusammen zu dem einen Leben, dem einen Traum, den der schwarzgekleidete Mann am Dirigentenpult dem Schöpfer des Werkes nachträumte, um ihn den Menschen wiederum mitzuteilen.

      Radames stand auf der Höhe seines Glücks. Er wußte sich geliebt von Aida, der Tochter des gefangenen Königs.

      Der Chor der Studenten hoch oben im letzten Rang schrie seine Wonne laut hinaus. Viele erhoben sich, der Lärm der Beglückten war wie ein Strom, der auf die Bühne zurücktrug, СКАЧАТЬ