Der Ruhrbaron aus Oberhausen Paul Reusch. Peter Langer
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Название: Der Ruhrbaron aus Oberhausen Paul Reusch

Автор: Peter Langer

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783874683913

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СКАЧАТЬ sowie dem Unterstaatssekretär Freiherr vom Stein.168 Vor der Groß-Sitzung war für den Präsidenten Batocki eine Besichtigungsfahrt durchs Ruhrgebiet arrangiert. Reusch sorgte dafür – wen konnte das überraschen? – dass bei dieser Tour die Betriebe der GHH im Mittelpunkt standen: Zeche und Kokerei in Osterfeld, die Geschossfabrik in Sterkrade und die Stahlwerke in Oberhausen.169 Ein ähnliches Besuchsprogramm hatte Reusch für Generalmajor Groener vorgesehen, als dieser zu einer Besprechung mit Industriellen am 1. Juli nach Düsseldorf kam. Als Groener absagte, ließ Reusch es sich zumindest nicht nehmen, den hohen Offizier am Düsseldorfer Parkhotel nach dem Frühstück persönlich zu der Besprechung abzuholen.170

      Obwohl Reusch die Mangelsituation bei Lebensmitteln durch seine Tätigkeit im Kriegsernährungsamt besser kannte als andere Industrielle, führte er die öffentliche Unzufriedenheit in hohem Maße auch auf die Berichterstattung in der Presse zurück und plädierte für eine harte Zensur. Das „Vorgehen der linksstehenden Presse auf diesem Gebiet [kann] das deutsche Volk in eine sehr böse Lage bringen und das Durchhalten außerordentlich erschweren.“ Die Zeitungen müssten wenigstens „auf das allerschärfste“ angewiesen werden, jegliche Kritik an den Preisen zu unterlassen. Er war der Ansicht, „dass die arbeitende Bevölkerung auch über einen Kartoffelpreis von 4,50 [Mark] pro Zentner kein Wort verlieren wird, wenn sie nicht durch Zeitungen oder Agitatoren aufgehetzt wird.“171

      Abb. 11:Geschossproduktion in Sterkrade, aus: Büchner, 125 Jahre GHH, S. 57

      Nach der großen Konferenz des Kriegsernährungsamtes in Düsseldorf lud Reusch im Juli 1916 die für das Revier zuständigen Regierungspräsidenten von Düsseldorf, Münster und Arnsberg zusammen mit den Oberbürgermeistern der großen Revierstädte Oberhausen, Essen und Gelsenkirchen, aber auch der kleinen Gemeinden, in denen die Arbeiter der GHH wohnten (Sterkrade, Osterfeld, Hiesfeld, Walsum), zu einer Besprechung nach Oberhausen ein. Es ging vor allem um die Klagen über die ungerechte Verteilung der Brotzusatzkarten. In den Städten, aus denen die Arbeiter der GHH kamen, herrschte große „Erbitterung“, weil in Osterfeld – einer der Hochburgen der wirtschaftsfriedlichen, „gelben“ Werkvereine – angeblich 71,9% der Arbeiter, in Sterkrade aber nur 47,4% diese Zusatzkarten erhielten. Von den 4.000 Mann der Sterkrader Geschossfabrik seien es gar nur 23% .172 Es wurde vereinbart, dass die Brotzusatzkarten nur einer eng eingegrenzten Gruppe echter Schwerarbeiter vorbehalten bleiben sollten; zusätzlich sollte in einer Notstandsaktion die akute Situation bei den Berg- und Feuerarbeitern durch Verteilung von Speck und Streichfetten entspannt werden.173 Nach dieser Besprechung sah sich Reusch in der Lage, den seit langem in Arbeiterkreisen erhobenen Vorwurf, dass die Mitglieder der „gelben“ Werkvereine bevorzugt würden, zurückzuweisen.174 Kurz danach klärte er den Präsidenten des KEA über die Zahlenverhältnisse bei den Gewerkschaften auf: Die 1,4 Millionen bei den freien oder christlichen Gewerkschaften organisierten Arbeiter repräsentierten nur 2% der deutschen Bevölkerung, ihnen stünden Millionen nichtorganisierter Arbeiter gegenüber. In den wirtschaftsfriedlichen Werkvereinen seien 275.000 Arbeiter zusammengeschlossen. Erstaunlicherweise leitete er aus diesen Zahlen ab, dass die freien und die christlichen Gewerkschaften keineswegs den Anspruch erheben könnten, „die berufenen Vertreter der Arbeiterschaft“ zu sein.175

      In seiner bisweilen pathologische Züge annehmenden Feindschaft gegen die Gewerkschaften, die gepaart war mit einer einseitigen patriarchalischen Zuneigung zu den „Gelben“, manövrierte sich Reusch Anfang August 1916 in einen wochenlangen bizarren Streit um Unterschriften. Es ging um einen der unzähligen öffentlichen Aufrufe zum Durchhalten. In einer kurzfristig einberufenen Besprechung im Kriegsernährungsamt hatte August Müller für die freien Gewerkschaften erklärt, dass sie die Unterschrift verweigern würden, wenn auch die „gelben“ Gewerkschaften unterschrieben. Die Vertreter der Industrie nahmen danach eiligst Kontakt mit Hugenberg und anderen Unternehmern auf, wonach der Centralverband Deutscher Industrieller (CDI) auch mit dem Widerruf der Unterschrift drohte – für den Fall, dass die Gelben nicht unterschreiben dürften; der Bund der Landwirte wurde gedrängt, sich ebenfalls mit dem CDI und den Gelben gegen die freien Gewerkschaften zu solidarisieren. Es erregte erhebliches Aufsehen, dass im Gegensatz zum Centralverband, wo die Schwerindustrie dominierte, der Bund Deutscher Industrieller, vertreten durch Stresemann, sich bereit fand, gemeinsam mit den freien Gewerkschaften zu unterschreiben, auch wenn die Unterschrift der Gelben fehlen sollte. Schließlich stimmte der Vertreter des Centralverbandes einem Kompromiss zu: Die gelben Werkvereine sollten ihre Unterschrift auf eine nachträglich gefertigte gesonderte Liste setzen.176

      Als Reusch, der wegen einer Aufsichtsratssitzung nicht in Berlin war, von der Sache Wind bekam, zog er sofort per Telegramm seine Unterschrift zurück, musste dann aber erfahren, dass der Aufruf bereits mit seiner Unterschrift an die Presse gegangen war.177 Unter dem Aufruf „An die Verteidiger des Vaterlandes in der Heimat“ stand Reuschs Name neben den Namen vieler anderer, meist adeliger Persönlichkeiten, aber eben auch neben den Namen der Gewerkschaftsführer Legien und Stegerwald.178 Reusch war empört, vor allem über die Kompromissbereitschaft des Centralverbandes. Er fühlte sich übergangen und „bloßgestellt“: „Als Vertreter der Industrie im Vorstand des Kriegsernährungsamtes hätte ich doch wohl erwarten können, dass in einer so grundsätzlichen, wichtigen Frage meine Ansicht gehört wird.“ Er griff den Centralverband und die Reichsregierung scharf an, weil sie „dem Druck der sozialdemokratischen Gewerkschaften gewichen“ seien und weil sie es zugelassen hatten, dass „die national und monarchistisch gesinnten Arbeiter als Staatsbürger zweiter Klasse behandelt“ wurden.179 Aus Protest legte Reusch sein Amt als Ausschussmitglied des CDI nieder. Auch gegenüber dem Vorstand des Kriegsernährungsamtes zog er einen Rücktritt in Erwägung.180

      Im Kriegsernährungsamt war ihm vorgehalten worden, dass für ihn doch kein Anlass bestehe, seine Unterschrift unter den Aufruf zu verweigern, wenn selbst der Centralverband Deutscher Industrieller unterschrieben hatte. Noch mehr musste ihn eine Anfrage aus der Geschäftsstelle der Deutschen Arbeitgeberverbände irritieren: Der Syndikus dieses Verbandes ließ ihn wissen, dass man die öffentliche Erklärung auch gerne mit unterzeichnet hätte; künftig möge Reusch doch den Arbeitgeberverband rechtzeitig informieren.181 Reusch teilte verschnupft mit, dass er seine Unterschrift zurückgezogen habe, und bestellte den Syndikus zu sich ins Hotel in Berlin: „Vielleicht hat Herr Dr. Tänzler die Liebenswürdigkeit, mich Donnerstag, den 10. August vormittags zwischen 9 und 9.15 in meinem Hotel – ,Russischer Hof’ – aufzusuchen.“182 Auch der Vertreter der gelben Werkvereine in Berlin wurde von Reusch zum Gespräch einbestellt; ihm wurde untersagt, vor diesem Gespräch irgendwelche weiteren Schritte zu unternehmen. Ein Kompromiss kam für Reusch nicht in Frage: „Ich brauche nicht zu betonen, dass der Hauptausschuss [der wirtschaftsfriedlichen Werkvereine] sich das empörende Verhalten maßgebender Kreise unter keinen Umständen gefallen lassen darf.“183

      Batocki, der Präsident des Kriegsernährungsamtes, warb dagegen in einem, ausdrücklich als „vertraulich“ gekennzeichneten, Schreiben um Reuschs Verständnis. Die freien und die christlichen Gewerkschaften hätten kategorisch erklärt, „dass sie mit den ,Gelben’ zusammen nichts unterschreiben würden. Eine Proklamation ohne Unterschrift der freien Gewerkschaften als der einzigen Gruppe, deren nationale Haltung zweifelhaft ist, hätte keinen Zweck gehabt, im Gegenteil hätte sie im In- und Auslande den Beweis erbracht, dass die freien Gewerkschaften nicht für ,Durchhalten’ seien.“ Im Krieg sei für die Regierung leider die Versuchung groß, „denjenigen, die am schwierigsten zu behandeln sind, unter Umständen am meisten durchzulassen und aus der Haut derer, deren Treue man sicher ist, die Riemen zu schneiden.“ Reuschs bitteren Vorwurf aufgreifend, stellte Batocki fest, dass damit noch lange nicht gesagt sei, „dass die Gewerkschaften die allein berufenen Vertreter der Arbeiterschaft seien“. Im Krieg müsse man vieles „herunterschlucken“, nach dem Sieg werde man viele „Verdrehungen“ wieder korrigieren.184 Ganz ähnlich argumentierte auch der Vertreter der wirtschaftsfriedlichen СКАЧАТЬ