Название: Das Versprechen der Nonne
Автор: Robert Storch
Издательство: Автор
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783961400874
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Doch ihre großen, graugrünen Augen erwiderten seinen Blick entschlossen und voller Trotz. In diesem Moment musste er an Hildegard denken.
Genau so hatte sie ihn angestarrt, als sie sich von ihm losgesagt hatte. Auch jetzt noch, mehr als zehn Jahre danach, flammte bei dem Gedanken an Hildegard Wut in ihm auf: Wenigstens bei der Brautwerbung hatte Wulfhardt seinem Bruder den Rang ablaufen wollen. Im Rangau, der im Norden des Sualaveldgaus angrenzenden und ungleich größeren Grafschaft, hatte er eine Grafentochter ausgemacht, der es nicht an Schönheit gemangelt hatte. Dieses Mal hatte sich sogar sein Vater für ihn eingesetzt und sich um die Heirat mit Hildegard bemüht. Tatsächlich hatte der Graf des Rangaus, Graf Ernst, in diese Verbindung eingewilligt. Wulfhardt hatte sich auf den Weg zu ihr gemacht. Sie war schüchtern gewesen, also hatte er das Wort geführt: hatte von seinen Jagden, auf denen er Eber erlegte, berichtet, und davon, dass selbst die kräftigsten Waffenknechte sich nicht trauten, gegen ihn im Schwertkampf anzutreten. Hildegard hatte gelächelt, hier und da bewundernd die Augenbrauen nach oben gezogen, und als er ihr einen Pelz aus Biberfell zum Geschenk gemacht hatte, hatte sie ein leises „Danke“ gehaucht.
Nach dieser Begegnung war ihm alles, einfach alles, das ganze Leben, federleicht erschienen. Sogar der Groll gegen seinen Bruder war verschwunden, besonders, wenn er an Hildegard dachte: ihre himmelblauen Augen, die lockige Haarpracht, die rosigen Wangen, die Lippen, die immerzu lächelten. Jeder im Frankenreich würde ihn um diese Braut beneiden!
Zwei Monate vor der geplanten Hochzeit hatte er es dann nicht mehr erwarten können: Er war zu ihr aufgebrochen, hatte sie sehen müssen. Doch dort, am Hof des Grafen Ernst, hatte ihn nur der Graf erwartet. Er hatte ihn reichlich bewirten lassen, nur um ihm schließlich sein Bedauern darüber auszudrücken, dass er das Verlöbnis lösen müsse, da seine Tochter ihn darum gebeten habe. Wulfhardt hatte ihm kein Wort geglaubt. „Nein“, hatte er erwidert. „Damit bin ich nicht einverstanden.“ Ruhig, doch bestimmt, hatte der Graf auf seiner unfassbaren Entscheidung bestanden. Er hatte bedauert, dass seine Tochter Wulfhardt nicht sehen wolle. „Das kann nicht sein!“, hatte Wulfhardt beharrt.
Da war Hildegard in den Saal geschritten, der Blick voller Trotz, und hatte laut verkündet, als sollte das ganze Frankenreich sie hören, dass sie ihn nicht heiraten wolle. Er sei ein ungehobelter Klotz, ein Prahlhans und Wichtigtuer.
Wulfhardt hatte sich gefühlt, als wäre er in ein endlos tiefes dunkles Loch gestürzt. Er wusste nicht mehr, wie er aus dem Saal gekommen war, nur an eines konnte er sich erinnern: an ein leises Kichern. Es musste von einem der Männer des Grafen gekommen sein. Dieses leise Kichern hatte sich in seinen Ohren zu einem Dröhnen ausgewachsen, den ganzen Weg nach Hause durch die endlosen Wälder, denn er wusste: Kaum dass er den Saal verlassen hatte, war dieses leise Kichern in johlendes Gelächter ausgebrochen, der ganze Hof von Graf Ernst hatte ihn ausgelacht.
Zurück im Sualaveldgau hatte er seinem Vater mit stockender Stimme von seinem Besuch berichtet. Er hatte ihn aufgefordert, diese Schmach rächen zu dürfen und ihm Männer zu geben, um gegen Graf Ernst in den Krieg zu ziehen. Vater hatte ihn getröstet, nur um anschließend zu behaupten, dass Graf Ernst viele Kämpfer habe und, noch wichtiger, dass der König einen derartigen Angriff keinesfalls gutheißen, sondern ihn hart bestrafen würde. Wulfhardt hatte getobt: „Wäre meinem verdammten Bruder so etwas passiert, würdest du ihn sofort rächen!“
Nie mehr hatten sie über diese Angelegenheit gesprochen, das Leben am Grafenhof war seinen Weg gegangen. Doch bis heute sah er manchmal die Menschen grinsen, wenn sie in seine Richtung sahen. Dann wusste er, dass sie über seine Schmach witzelten.
Dies bestärkte Wulfhardt jedes Mal in seinem Entschluss: Nie mehr würde er um eine Braut werben, nie mehr würde er zum Gespött werden. Und: Er würde sich rächen. Bald schon würde er seine Macht im Sualaveldgau gesichert haben, dann würde er sich um Graf Ernst kümmern. Und um Hildegard.
Wulfhardt riss den Blick von der Nonne los und wendete sich nach links, wo die Mönche standen. Goumerad verneigte sich so tief, dass Wulfhardt die Hinterseite seiner Segelohren sah. Er sprach einige salbungsvolle Worte, aus denen Wulfhardt eine Hochnäsigkeit heraushörte, die ihn an seinen lieben Bruder, diesen Musterschüler, erinnerte. Trotzdem nickte er ihm freundlich zu, schließlich sollte Goumerad nach Walburgas Ableben das Kloster in seinem Sinn leiten. Heute Abend würde Wulfhardt eine Messe zelebrieren, die Verhandlung über Walburgas Sakrileg hatte er für morgen angesetzt.
Wulfhardt führte durch die Messe mit den Formeln, die er vor Jahren auswendig gelernt hatte. Währenddessen überlegte er, auf welche Art Walburga ihr Leben beenden sollte. Er entschied sich für das Verbrennen, um ihr einen Vorgeschmack zu geben auf das Höllenfeuer, das sie erwartete.
Nach der Messe schritt, nachdem das einfache Volk die Kirche verlassen hatte, Wulfhardt Seite an Seite mit Goumerad zum Portal. Sie traten hinaus in die Nacht vor dem Portal, da erhob sich hinter ihnen Walburgas Stimme. Sie klang viel zu befehlsgewohnt für eine Frau, auf die das Feuer wartete: „Prior Goumerad, Ihr habt die Kerze vergessen, die unser Dormitorium erleuchten soll.“
Goumerad wandte sich zu ihr um, sah sie jedoch nicht an, sondern hob das Kinn. „Wo Sünder schlafen, soll das Licht Gottes nicht brennen!“
Das Volk vor der Kirche grummelte, jemand rief: „Unsere Äbtissin ist keine Sünderin!“
Walburga erwiderte: „Jesus hat mit Sündern gespeist!“
Ein Mönch trat vor. Sein Doppelkinn bedeckten Bartstoppeln, sie endeten knapp über dem Ausschnitt der Kutte. „Verehrter Prior“, sagte er zu Goumerad. „Ich könnte zum Frieden aller das Licht zu den Nonnen tragen.“
„Schweig!“, schnappte Goumerad.
Walburga seufzte schicksalsergeben. „So will ich vor dem Altar wachen und beten. Möge der Herr uns sein Licht senden.“ Sie ging zurück in die Kirche. Die Nonnen folgten ihr, suchten ihre Nähe, warfen sich verzweifelte Blicke zu, während Walburga in ihrer Mitte betete. Die Menschen Heidenheims drängten an Wulfhardt vorbei zurück in die Kirche, um ihrer Äbtissin beizustehen.
„Das war dumm von dir!“, zischte Wulfhardt Goumerad an. Zur Antwort drehte der Prior beleidigt den Kopf zur Seite.
Wulfhardt schritt an das Feuer, schnitt sich ein Stück Rindfleisch ab und ließ sich Wein einschenken. Nur seine Waffenknechte und die Mönche begleiteten ihn. Wulfhardt hob feierlich den Becher und trank auf seine Familie. Die Waffenknechte prosteten ihm zu, Hroutland stiegen ob des Gedenkens an Wulfhardts Bruder Tränen in die Augen. Auch die Mönche ließen sich einschenken. Schweigend nippten sie an ihren Bechern, ein Gespräch wollte nicht entstehen.
Da rief ein Waffenknecht: „Ein Licht! Ein magisches Licht!“
Wulfhardt fuhr herum. Tatsächlich: Lichtschein flackerte durch die Tür des Nonnenklosters. Der Ruf des Waffenknechts lockte einige Bauern aus der Kirche. Sie sahen das Licht und fielen auf die Knie. Immer mehr Menschen strömten aus der Kirche, liefen bis an den Holzzaun heran, der die Nonnenklausur begrenzte. „Der Glanz Gottes!“, riefen sie. „Der Herr hat sie erhört! Walburga bat ihn um Licht, der Herr hat’s geschickt!“ Sie warfen sich vor dem Lichtschein in den Staub, auch einige von Wulfhardts Waffenknechten wurden vom Zauber ergriffen.
Wulfhardt war wie gelähmt. Erst der Donnerschlag auf der Lichtung. Jetzt das Licht im Nonnenkloster. Wieder schickten die Götter ein Zeichen, wieder begünstigten sie die Nonnen.
Oder war es der Christengott, der diese Zeichen schickte?
Zum ersten Mal ahnte Wulfhardt, dass der Gott der Christen tatsächlich existieren könnte. War Jesus tatsächlich sein Sohn? Bisher hatte Wulfhardt ihn verachtet, weil er СКАЧАТЬ