Die zweite Reise. Jannis B. Ihrig
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Название: Die zweite Reise

Автор: Jannis B. Ihrig

Издательство: Автор

Жанр: Историческая фантастика

Серия:

isbn: 9783957446695

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СКАЧАТЬ Bündnis mit den Urvölkern Locondias bemühten, war folgender: Während die Verräter den Süden der Kolonie, also den Großteil der Städte, die in der Sahara lagen, kontrollierten, konnten sich die Loyalisten im Norden in den teils unterirdischen Bergstädten, die aufgrund ihrer Lage gut geschützt waren, verschanzen. Das bedeutete, dass die Putschisten acht der dreizehn Städte, nämlich New Berlin, New Washington, New Peking, New Rom, New London, New Kairo, New Tokio und New Moskau, in ihrer Gewalt hatten, während die fünf verbliebenen Städte New Madrid, New Seoul, New Ottawa, New Brasilia und New Paris in der Hand der Loyalisten waren.

      Die Städte im Süden waren zuerst entstanden, wogegen die Bergstädte sich später aus Minenkomplexen, die die Bergarbeiter mit ihren Familien beheimateten, gebildet hatten. In diesen Bergen wurden vielfältige Rohstoffe, teils altbekannte wie Silber, Gold oder Kupfer, teils aber auch neuartige wie Hydraeisen, abgebaut. Es war schon ein großes Naturwunder, was man so alles in diesem Gestein finden konnte. Aus den Minenkolonien hatten sich erst in den letzten hundert Jahren richtige Städte entwickelt, nachdem immer mehr Arbeitskräfte dorthin gezogen waren, weil der Rohstoffbedarf der Kolonie stetig wuchs. Durch die Varianz in der Entstehung von Nord und Süd hatte sich auch ein leichter kultureller Unterschied entwickelt.

      Wegen der Aufteilung der Kolonie in Nord und Süd war New Paris eine besondere Stadt. Sie wurde gern als „Kind von Nord und Süd“ bezeichnet. Das hing mit ihrer Lage zwischen den beiden Städtegruppen zusammen, was sie zu einem Knotenpunkt für den Transport der Ressourcen und Güter machte. Darum besaß die Stadt einen der größten Bahnhöfe der Kolonie, da sie die Schnittstelle zwischen dem südlichen und dem nördlichen Schienennetz bildete, was zur Abwandlung eines altbekannten Sprichwortes führte: „Alle Schienen führen nach Paris.“

      New Paris befand sich zwischen den Bergen und der Wüste, also dort, wo der Sand vom Gestein abgelöst wurde. Die Gegend war deshalb sehr flach und die Stadt konnte von jeder Seite angegriffen werden. Zwar war sie so gebaut, dass man sie gut verteidigen konnte, jedoch ließ sich eine gewaltige feindliche Übermacht auch nicht mit einer günstigen Verteidigungsposition abwehren. Darum war die Evakuierung der Zivilbevölkerung und aller wichtigen Ressourcen und Geräte in vollem Gange, während auf der Oberfläche zirka zwanzigtausend Männer und Frauen auf den Feind warteten und dabei immer wieder die Köpfe einzogen, wenn die Projektile der feindlichen Artillerie einschlugen. Die Verteidiger, denen der gesamte Fuhrpark des Kolonie-Militärs wie Panzer, Kampfroboter und Fluggeräte zur Verfügung stand, konnten sogar auf die Unterstützung eines Raketensilos zählen, der sich weit entfernt in den Bergen befand.

      Trotzdem waren alle nervös und hatten Angst vor dem, was kommen würde. Ja, sie hatten zwar jahrelanges Training hinter sich gebracht, da aber die Menschen der Kolonie noch nie einen Krieg erlebt, geschweige denn gekämpft hatten, besaßen sie praktische Erfahrungen nur aus Übungsmanövern. Es war, als würde man jemanden, der Schwimmbewegungen nur in Trockenübungen erlernt hatte, ins Wasser stoßen. Er könnte zwar das anwenden, was er gelernt hatte, doch das Ergebnis bliebe trotzdem bescheiden. So ging es auch den Soldaten.

      Aber derjenige, der sich am meisten bei dieser Sache unwohl fühlte, war Kommandant Sinnas Dillingham, der Neffe der Zwillinge John und Joy Dillingham. Er fühlte sich nicht einmal ansatzweise so kompetent wie seine berühmten Onkel. Auf seinen Schultern lag die Verantwortung für die Stadt, für seine Männer und Frauen sowie für die Zivilisten. Wenn ihm bei der Verteidigung auch nur ein kleiner Fehler unterlief, würden viele den nächsten Tag nicht erleben. Alles lag in seinen Händen, in den Händen eines Kommandanten, der sich noch mitten in der Ausbildung befand, als er aus der Militärakademie gezerrt wurde, weil es keinen anderen Kandidaten gab. Der alte Befehlshaber war verschwunden, entweder geflohen oder übergelaufen.

      Mit seinen zweiundzwanzig Jahren war Sinnas eigentlich noch weit entfernt vom Abschluss seiner Ausbildung und er fühlte sich schon jetzt hoffnungslos überfordert. Irgendwie glaubte er auch, sein bekannter Name könnte einen Einfluss darauf gehabt haben, dass man ihm das Kommando übertrug. Jeder dachte, er würde die Soldaten am besten anführen, nur weil er ein angehender Kommandant mit ehrbarer Militärverwandtschaft war.

      Natürlich wusste Sinnas, wie man Befehle gab und die Übersicht behielt, doch sein gesamtes Wissen über Taktik und Strategie umfasste nur die Grundlagen. Das Einzige, was Sinnas wirklich meisterhaft konnte, war, seine Angst und sein schlechtes Gefühl zu verbergen, sodass niemand bemerkte, dass der Kommandant die Schlacht bereits für verloren hielt, weil er selbst an seinen Qualifikationen zweifelte. Doch sein Pflichtbewusstsein, welches ihn daran erinnerte, dass er für das Leben von Tausenden verantwortlich war, verdrängte die Selbstzweifel.

      Kommandant Sinnas griff zum Mikrofon, um eine letzte Rede vor dem Angriff zu halten: „Soldaten, ich will ehrlich sein. Unser Aufklärer, der als Einziger wieder zurückkam, berichtet von einer Armee, die uns mindestens um das Dreifache überlegen ist.“ ‚Toller Anfang, ich Idiot! Das wird sie ja richtig motivieren‘, schalt sich Sinnas in Gedanken selbst. „Und wir werden die Stadt nicht halten können. Doch das müssen wir nicht. Wir müssen sie aufhalten, bis jedes Kind, jede Frau und jeder Mann in Sicherheit ist. Kämpft für ihre und eure Zukunft. Kämpft für die Menschheit!“

      Der gedämpfte Jubel der Soldaten wurde über die Lautsprecher in die Kommandozentrale übertragen und Sinnas wusste, dass er wenigstens das hinbekommen hatte. Er blickte sich in der Zentrale um und sah jeden seiner Untergebenen an. „Packen wir es an“, sagte er zu ihnen. Sie nickten allesamt und blickten wieder auf ihre Monitore. Ganz leise murmelte Sinnas: „Möge Gott mit uns sein.“

      Leise zischte der Wind durch die Stadt und trug dabei Sand in die Straßen. Doch heute interessierte sich niemand für dieses tägliche Ärgernis. Die Augen aller Soldaten waren trotz des Sandes, der ihnen entgegengeblasen wurde, auf den Horizont gerichtet. Alle warteten auf den Feind und wünschten sich gleichzeitig, dass er nie kommen würde. Die Infanterie hockte hinter den Barrikaden, die auf den Straßen aufgebaut worden waren, während die Panzer und Kampfroboter ihre Waffen in die Ferne gerichtet hielten, um den Feind, sobald er sich blicken lassen würde, zu befeuern. Über ihren Köpfen flogen zwischen den verbliebenen Wolkenkratzern hindurch einige Senkrechtstarter, die Luftunterstützung geben sollten. Zu guter Letzt befand sich in der Stadtmitte die Artillerie, die die ungefähre Position des Feindes dank Rader orten und ihn so unter Beschuss nehmen konnte.

      So stand nun die Armee in der Stadt und wartete, während die Soldaten die Artilleriegeschosse beider Seiten davonfliegen beziehungsweise einschlagen sahen. Und auch Sinnas wartete, während er auf das Hologramm starrte, welches das Schlachtfeld in groben Umrissen zeigte. Die Position der eigenen Truppen wurde korrekt angezeigt, während das Hologramm nur ungefähre Positionen des Feindes wiedergeben konnte, da Störsignale eine genaue Ortung verhinderten. Dies verdeutlichte dem jungen Kommandanten, dass der Feind noch einen großen Vorteil hatte. Während er sich auf das Radar verlassen musste, konnte der Feind dank des Satellitensystems, das sich unter der Kontrolle der Putschisten befand, die Positionen und Bewaffnung der Verteidiger genau erkennen. Kurz gesagt: Der Feind wusste, was ihn erwartete, die Verteidiger aber nicht.

      Die Berichte des Aufklärers waren viel zu vage. Die Unmengen an Panzern und Kampfrobotern, die in dem vom Bordcomputer aufgenommenen Film zu sehen waren, erstickten die Hoffnung der Loyalisten. So blieb dem jungen Kommandanten nichts anderes übrig, als auf das Rader zu schauen und zu warten, bis die ersten Gegner in Sichtweite kommen würden.

      Dann war es so weit: Sandwolken erschienen am Horizont und enthüllten Panzer und Truppentransporter, die sich rasch der Stadt näherten und das Feuer eröffneten, während über ihnen Kampfsenkrechtstarter hinwegdüsten. Die Verteidiger erwiderten das Feuer.

      Als der äußerste Stadtring erreicht wurde, blieben die Truppentransporter stehen und entluden ihren Inhalt, während die Panzer weiterrollten und Feuerschutz gaben. Besessene Soldaten sprangen heraus und eröffneten unverzüglich das Feuer. Die Schlacht um New Paris hatte begonnen.

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