Der Teufel von Köpenick. Horst Bosetzky
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Название: Der Teufel von Köpenick

Автор: Horst Bosetzky

Издательство: Автор

Жанр: Зарубежные детективы

Серия:

isbn: 9783955522100

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СКАЧАТЬ Leipzig aus abfuhr.

      Der Kalender zeigte den 21. Februar 1932. Draußen war es so kalt, dass die Zugheizung es kaum schaffte, die Wagen ausreichend zu erwärmen. Also stand Martha Zeitz schließlich auf, um sich ihren Mantel anzuziehen.

      Ihr Mann verstand das nicht. »Nicht doch, Martha, dann frierst du doch draußen doppelt so schnell. Und außerdem sind wir gleich in Berlin.«

      Sie sah aus dem Fenster. »Stimmt, das war ja schon Lichtenrade.«

      »Alles öd und leer«, murmelte Erich Zeitz.

      Ihre Freude, wieder in der Heimat zu sein, hielt sich in Grenzen. Es waren nicht nur die Minusgrade auf dem Thermometer, die ihnen zu schaffen machten, es war auch die Kälte in den Herzen der Menschen. Man brauchte nur die Zeitung aufzuschlagen, um zu wissen, was los war. Allein in Berlin waren 600 000 Arbeitslose registriert, im ganzen Reich waren es über sechs Millionen. Dazu kamen drei Millionen Kurzarbeiter. Die Länge der Schlangen vor den Arbeitsämtern wurde nicht mehr in Metern, sondern schon in Kilometern angegeben. Und das bei bitterster Kälte. Diebstähle und Plünderungen häuften sich. Im Humboldthain prostituierten sich Arbeiterkinder.

      »Gott!«, rief Erich Zeitz und warf seine Zeitung ins Gepäcknetz, »wo soll das alles bloß noch hinführen?«

      Seine Frau lachte bitter. »Na, zu den Nazis!«

      Viele ihrer Nachbarn gingen in die Kneipen der Nationalsozialisten, um sich dort zu betrinken und dabei von herrlicheren Zeiten zu träumen.

      Am Anhalter Bahnhof hätten sie sich gern ein Taxi genommen, denn die beiden Koffer wogen mehr, als für ihre angeknacksten Rücken gut war, doch das Geld dafür hatten sie nicht. Also blieb ihnen nur die Straßenbahn, und mit der Linie 4 kamen sie, ohne umzusteigen, bis zum Hermannplatz. Von dort aus bis zur Friedelstraße 23 mussten sie dann laufen, da half alles nichts.

      Sie nahmen die Abkürzung über die Weserstraße und trafen unterwegs auf den Räucherwarenhändler Valentin, der am Kottbusser Damm 24 sein Geschäft hatte und als guter Bekannter gelten konnte.

      Ganz aufgeregt war er heute. »Die Kommunisten hetzen gegen mich, dass keiner mehr bei mir kaufen soll.«

      »Warum denn das?«, fragte Erich Zeitz.

      »Angeblich soll ich einen Erwerbslosen aus einem meiner Häuser in der Lenaustraße rausgeworfen haben, weil der seine Miete nicht bezahlt hat. Das ist aber totaler Quatsch! Der Krause, so heißt er, ist erstens Säufer und randaliert dauernd, und so was kann man nicht länger dulden, und zweitens sind das nicht meine Häuser. Die verwalte ich nur für eine alte Dame.«

      Martha Zeitz schloss die Augen. »Wo soll das alles bloß noch hinführen? Dieser Hass überall!«

      Sie beteuerten, weiter bei Valentin kaufen zu wollen, zumal der sich bereit erklärte, beim Schleppen ihrer Koffer zu helfen.

      »Vorderhaus, dritte Treppe rechts!«, sagte Erich Zeitz.

      Da sie mit ihrer Rente nicht mehr auskamen, hatten sie untervermieten müssen. Es war schwer zu ertragen, nur noch in einem Zimmer zu leben und andauernd einen fremden Menschen in der Wohnung zu haben, aber es ging eben nicht anders, und vielleicht, so der gängige Trost, brachten Untermieter ja auch Leben in die Bude und wurden nach einiger Zeit sogar richtige Familienmitglieder.

      Sie bedankten sich bei Valentin.

      Erich Zeitz machte sich daran, die Wohnung aufzuschließen. Das war ein geradezu hoheitlicher Akt, den er sich nicht nehmen ließ, schließlich war er alter Zollbeamter. Als er den Schlüssel ins Sicherheitsschloss gesteckt hatte und ihn herumdrehen wollte, stutzte er. »Ist ja gar nicht abgeschlossen!«

      »Erich, das wirst du beim Wegfahren glatt vergessen haben«, sagte seine Frau. »Und das ausgerechnet du!«

      »Unsinn! Ich schließe immer sorgfältig ab. Das wird dieses Flittchen gewesen sein.«

      Gemeint war ihre neue Untermieterin, die noch keine Woche bei ihnen wohnte und schon zwei Cousins mit nach Hause gebracht hatte.

      Kaum stand Erich Zeitz im Korridor, da klopfte er auch schon an ihre Zimmertür, um sie wegen ihrer Nachlässigkeit zur Rede zu stellen. »Fräulein Rolland, würden Sie bitte mal …«

      Doch drinnen rührte sich nichts. Wahrscheinlich schlief die Dame noch. Das tat sie immer, wenn sie keine Arbeit hatte. Klopfte er an ihre Tür, so machte sie auf toten Käfer.

      Er lauschte. Nichts. Nun hämmerte er mit der rechten Faust gegen die Tür. Wieder nichts.

      »Ist sie doch schon aus dem Haus«, sagte Martha Zeitz.

      »Und ohne abzuschließen!« Erich Zeitz konnte sich nur schwer beruhigen. Dazu wurde in letzter Zeit zu viel eingebrochen. Jetzt riss ihm der Geduldsfaden. Mit den Worten »Jetzt komme ich aber!« drückte er die Klinke nach unten. Da die Rolland ihre Tür immer von innen verriegelte, konnte dies nichts anderes sein als eine leere Drohung.

      Doch als er etwas energischer gegen die Tür drückte, flog diese geradezu auf.

      Was er dann sah, ließ ihn aufschreien – eine Leiche auf dem Fußboden.

      Mathilde Rolland lag zwischen Sofa und Tisch. Und zwar auf dem Rücken. Um ihren Hals war der Gürtel eines Kleides zweimal fest herumgeschlungen und verknotet. In ihrem Mund steckte ein Klaviertastenschoner – offenbar als Knebel. Das Kleid war hoch-, der Schlüpfer heruntergezogen.

      Heinz Franzke, nun 24 Jahre alt, hatte sich zu einem Menschen mit vielerlei Facetten entwickelt. Er hatte stets vor Augen, was Adolf Hitler gefordert hatte: Eine gewalttätige, herrische, unerschrockene, grausame Jugend will ich. Es darf nichts Schwaches und Zärtliches an ihr sein. Das freie, herrliche Raubtier muss erst wieder aus ihren Augen blitzen.

      Auf der anderen Seite aber war er feinnervig und kreativ wie ein jüdischer Intellektueller, obwohl er diese Gruppe hasste wie keine zweite. Dazu kam eine außergewöhnliche formale Intelligenz, die er sich vor allem in den langen Schachpartien gegen seinen Onkel erworben hatte. Hoch aufgeschossen war er und schlank, und seine Gesichtszüge konnte man asketisch nennen. Das lag daran, dass er viel trainiert hatte und auf den Mittelstrecken fast Berliner Meister geworden wäre. Seine Wirkung auf Frauen war groß, und was dieses Thema betraf, da hätte er ebenso, wie es Joseph Goebbels am 15. Juli 1926 getan hatte, in sein Tagebuch schreiben können: Jedes Weib reizt mich bis aufs Blut. Wie ein hungriger Wolf rase ich umher. Und dabei bin ich schüchtern wie ein Kind. Ich verstehe mich manchmal selbst kaum.

      Mit der nationalsozialistischen Bewegung war er schnell in Berührung gekommen, denn sein Vater hatte nicht nur eine niedrige Parteinummer, sein Lokal in der Steglitzer Albrechtstraße war auch ein beliebter Treffpunkt von SA und NSDAP geworden. Bald hatte Heinz Franzke beschlossen, im Spiel des Lebens auf diese Karte zu setzen. Ordentliches Mitglied in der NSDAP konnte er allerdings erst mit dem Erlass vom 29. Juli 1932 werden, denn bis zu diesem Zeitpunkt war preußischen Staatsbeamten die Mitgliedschaft in der NSDAP untersagt gewesen.

      Nach dem Abitur, abgelegt 1927, hatte er begonnen, Jura zu studieren, war aber des trockenen Tons schnell überdrüssig geworden und hatte beschlossen, in die Berliner Kriminalpolizei einzutreten. Den Volkskörper von verbrecherischen Elementen zu reinigen war für ihn von ungeheurer Wichtigkeit. Ohne Zögern erklärte er, dass ein Mann wie Ernst Gennat für ihn im gesellschaftlichen Gefüge denselben Rang einnähme wie Robert Koch oder Rudolf Virchow. Die einen eliminierten jene Bakterien und Viren, die darauf aus waren, Menschen СКАЧАТЬ