Название: Polnisch mit Sahne
Автор: Christiane Zwengel
Издательство: Автор
Жанр: Короткие любовные романы
isbn: 9783944224268
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Eines Tages stand dann, ohne dass wir Schwestern auf unserer Station darüber informiert worden wären, eine neue Kollegin mit der Pflegedienstleitung zum Frühdienst parat. Es wurde nur kurz mitgeteilt, dass sie ein polnischer Flüchtling mit wenig Deutschkenntnissen sei und wohl auch in ihrem Heimatland als Krankenschwester gearbeitet hatte. Wir sollten uns um sie kümmern und schauen, wie weit sie einsetzbar und arbeitsfähig sei.
Alles klar, nur, in welcher Sprache? Helena, so war ihr Name, konnte tatsächlich so gut wie kein Deutsch und verstand von Wochenbettpflege gemäss Schweizer Niveau etwa so viel wie ein Metzger vom Kuchen backen.
Trotzdem freundeten wir uns an. Mit Händen und Füßen erzählte sie von ihrer Heimat, ihren Freunden, ihrem Mann Lukasz, von ihrer Flucht aus Polen und dass sie jetzt darauf warteten, den Status eines anerkannten Flüchtlings hier in der Schweiz zu bekommen.
Im Laufe der nächsten Wochen lernte Helena schnell, auch durch meine Mithilfe, mit der deutschen Sprache halbwegs klarzukommen und beim Arbeiten ihre Krankenpflegekenntnisse einzubringen.
An einem grauenhaften Samstagnachmittag im August, es war der 16., es regnete in Strömen und ich war müde vom Frühdienst, bat Helena mich, nachdem wir uns umgezogen hatten, mit den Worten „Du hier warten auf mein Mann, du nix vorhaben heute?“ noch mit in die Cafeteria zu kommen. Ich wusste zwar nicht, worum es ging und was das sollte, aber da ich nichts vorhatte und ein einsamer Abend in meinem kleinen Appartement auch nicht unbedingt reizvoll war, stapfte ich ihr tapfer hinter her.
So lernte ich Lukasz kennen, Helenas Mann. Ein Bär von einem Mann! Circa 185 cm groß, fast genauso breit, Vollbart und ein lustiges Lachen. Deutschkenntnisse, na ja, etwas besser als die von Helena, schließlich käme er aus Schlesien, dort spräche man noch ein bisschen Deutsch, erklärte er mir. Die beiden luden mich auf eine Party bei einem Freund ein, damit ich nicht einsam sein müsse. Wir müssten jetzt nur noch auf einen anderen Freund warten, der sich auf Parkplatzsuche befand.
Das hieß, noch schnell eine Zigarette rauchen und einen Kaffee trinken, um die Lebensgeister zu wecken. Und dann Party!
Zwar hatte ich keine Ahnung, wie, wo und in welcher Sprache – logischerweise hatte ich in Polnisch noch weniger Kenntnisse als eine Kuh in Englisch – aber egal, es würde schon irgendwie gehen, Hauptsache nicht allein im Zimmer hocken.
Auf einmal gab es einen Schlag, Blitz, Donner, Erdbeben!
Mir wurde Bartek vorgestellt!
Schicksal!
Bartek war der ehemalige Verlobte von Helena und mittlerweile gut mit ihr und ihrem Mann befreundet.
Nun sollten wir uns gemeinsam aufmachen und mit dem Auto zu einem anderen Freund fahren, der die Party organisiert hatte. So weit, so gut. Ich lernte noch Jazek und Margareta kennen, Jazek war Helenas Cousin und, wie alle anderen auch, in der Warteschleife, um politisches Asyl in der Schweiz zu bekommen.
Es wurde ein feucht-fröhlicher Abend, obwohl ich kein Wort verstand. Lukasz versuchte, mir auf Polnisch das Fluchen beizubringen und nach einigen Wodkas klappte das dann auch ganz gut. Und doch war Bartek der Einzige, der sich Mühe gab, eine Unterhaltung auf Deutsch mit mir zu führen. Ich war sehr dankbar dafür, denn sonst hätte ich mich schon ein bisschen verloren gefühlt. Wir verstanden uns auch prächtig, soweit man das mangels Sprachkenntnissen sagen kann. Unter viel Gelächter, mit Händen und Füßen, schilderten wir uns in Kurzfassung unsere Lebensläufe.
Irgendwann in der darauffolgenden Woche muss es dann passiert sein: Irgendwie instinktiv wusste ich, ich wollte Bartek heiraten. Warum? Wieso? Keine Ahnung. Ich wusste einfach, dass er der Richtige war. Ich war 23 Jahre alt, ich war nicht schwanger, ich konnte kein Polnisch, Bartek konnte kaum Deutsch, Wahnsinn, verrückt; wir kannten uns erst ein paar Tage. Trotzdem.
Am darauf folgenden Wochenende bekam ich zum ersten Mal Besuch aus der alten Heimat. Andy und Lisa, die ich durch meine Freundin Cora kennengelernt hatte, meldeten sich an. Ich freute mich riesig auf die beiden und hoffte, mit ihnen über meine Gefühle zu Bartek sprechen zu können. Andy und Lisa hatten auch erst kürzlich geheiratet; allerdings kannten sie sich schon eine Ewigkeit.
Nach ihrer Ankunft am Freitag und dem Pläneschmieden für das gemeinsame Wochenende wurde das Thema Heiraten auch ausführlich diskutiert.
Egal wie lang man sich kennt, ob man heiratet oder nur zusammen lebt; für eine Ehe oder Beziehung gibt es keine Garantie. Also spielt es auch keine Rolle, ob man nach drei Jahren oder nach drei Monaten heiratet. Mit dieser Erkenntnis konnte ich nun leben und diesen Entschluss feierten wir natürlich gebührend.
Am nächsten Morgen gesellte sich Bartek zu uns und wir beschlossen, einen Wochenendtrip nach Davos und St. Moritz zu machen. Es wurde ein wunderschönes Wochenende, wir vier genossen das schöne Wetter und die fantastische Landschaft der Schweiz. Und irgendwann, zwischen irgendwelchen Bergen, ich weiß noch genau, als ob es erst gestern gewesen wäre, wir fuhren mit einer Seilbahn auf irgendeinen Gipfel, da passierte es: Bartek machte mir einen Heiratsantrag. Ihr könnt es glauben oder nicht: Wir kannten uns gerade mal eine Woche! Und ja, ich sagte „Ja“.
Meine Güte, so rückblickend würde ich meinen, dass das ganz schön mutig war. Egal, ich wollte es und ich habe es mein Leben lang nicht bereut.
Andy und Lisa waren völlig aus dem Häuschen, als sie das mitbekamen. Aber sie waren begeistert, da sie sich trotz Sprachproblemen mit Bartek sehr gut verstanden.
Damals konnte ich nicht ahnen, dass dieses Wochenende unter anderem der Beginn einer lebenslangen, wunderbaren Freundschaft werden sollte.
Um den Antrag gebührend zu feiern, kauften wir später in einem der nächsten Dörfer ein paar Flaschen Bier und suchten uns einen schönen Parkplatz. Diesen wollten wir auch zum Übernachten benutzen, da wir alle nicht genug Geld hatten, um eines dieser teuren Hotels zu bezahlen. Es wurde eine feucht-fröhliche Feier – zu viert in einem kleinen Auto. Schlafen, na ja, Lisa und ich auf der Rückbank und Andy und Bartek auf den Vordersitzen. Aber was soll’s, wenn man jung ist, übersteht man auch eine solche Nacht.
Nach diesem ereignisreichen Wochenende stand ich nun vor der schwierigen Aufgabe, meine Familie von meiner bevorstehenden Hochzeit zu informieren. Dass mein Vater mich am liebsten geteert, gefedert oder gevierteilt hätte, steht außer Frage.
Die Vermutung von meiner „Schwangerschaft“, wieso sollte ich auch sonst heiraten wollen, stand ganz klar im Raum.
Mein Bruder Paul ging auf die Barrikaden, angestachelt auch von meinem Vater. Hera, die Frau meines Vaters, mit der ich mich eigentlich bis dahin immer gut verstanden hatte, ging sogar so weit, bei Andy und Lisa anzurufen, um Informationen über meinen Verlobten einzuholen.
Ein Hoch auf die liebe Familie!
Die Einzigen, die zu mir standen, waren meine Schwester Erika und Pauls Frau Dorothea. Sie versuchten zu vermitteln, schließlich sei ich mit 23 Jahren alt genug, um solch eine Entscheidung zu treffen. Doch auch sie hatten keinen Erfolg mit ihren Bemühungen, im Gegenteil, die
beiden riskierten durch ihre Einmischung und Fürsprachen einen handfesten Ehekrach mit ihren Ehepartnern.
Zum Davonlaufen, denn eigentlich wollte ich mich mit meiner Familie doch nicht überwerfen.
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