Название: Geheimakte Luther
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Издательство: Автор
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783865067012
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„Mir ist nichts Besseres eingefallen. Ihr müsst wissen, dass die Mutter Luthers nicht nur alt und gebrechlich ist. Ihre Seele hat sich verfinstert über all den Ängsten, die sie erlitten hat. Sie will nicht mehr ihr Haus verlassen und auf einer Straße gehen oder fahren. So dachte ich bei mir, dass es nur unser Hänschen vermag, seine Großmutter zu uns nach Wittenberg zu locken. Ich werde ihr sagen, dass sie den Jungen hüten soll und ich sie für das nächste Kind ebenso brauche. Ich werde sie auf der Fahrt hinten in den Planwagen legen, und Hänschen wird sich zu ihr legen. Darüber, ich bin mir sicher, wird sie ihre Angst vergessen. Denn wer könnte sich je um sich selbst ängstigen, wenn man ein Kind zu hüten hat?“
Ich sah auf den Jungen hinab und merkte, dass er eingeschlafen war. So plötzlich, wie er zu singen begonnen hatte, so unvermutet war sein Köpfchen vornübergesunken. Ich knöpfte mir vorsichtig meinen weiten Mantel auf, hob ihn über den Buben und knöpfte ihn über uns beiden wieder zusammen. So war er warm, und da ich die oberen Knöpfe nicht geschlossen hatte, konnte er gut atmen.
„Danke“, sagte Katharina: „Gott selbst hat Euch heute gleich einem Engel zu uns geschickt.“ Das sagte sie aufrichtig, obwohl sie offenbar genau wusste, dass ich nicht als Freund der Familie gekommen war. Als ob sie meine Gedanken erraten hätte, rief sie: „Auch Judas war wichtig im Heilsplane Gottes. Doch besser wäre es ihm hernach gegangen, wenn er von Saulus zu Paulus geworden wäre. Gott freut sich über jeden Sünder, der umkehrt und an seinem Reich baut.“
Mir blieb nichts anderes übrig, als zu schweigen. Und selbst dabei hatte ich genug zu tun, denn die Lutherin trieb die Pferde ohne Unterlass über die aufgeweichten Landstraßen. Wenn ihr ein Fahrzeug entgegenkam, suchte sie keine Ausweichstelle, sondern fuhr ungezügelt an der Kutsche vorbei, dass sich der Wagen dabei mehrmals so stark nach rechts neigte, dass ich befürchtete, vom Bock zu fallen. Dabei war ich kein ängstlicher Mann.
„Hätte Euch Luther nicht lieber hinter dem Ofen, als hochschwanger auf dem Kutschbock – dazu noch mit einem fremden Mann an der Seite?“, fragte ich.
„Das würde sich mein liebster Martinus gewiss von Herzen wünschen. Doch unser beider Wunsch ist es, nun endlich seine alten Eltern zu uns zu holen. Da jedoch Martinus noch einige Tage fort ist, liegt es an mir, die Fahrt zu besorgen. Gewiss hätte ich den Auftrag auch anderen übergeben können. Aber die kleinen Kinder brauchen die Mutter und verwirrte Eltern die Tochter. Da nützen kein Gesinde und kein Geld. Ich muss mich eilen, weil ich mich gleich wieder auf den Heimweg machen muss. Ich denke, eine meiner Sauen wird wohl in der Nacht noch ferkeln. Ich muss vor dem Abend wieder in Wittenberg sein.“
„Hat Luther denn keine zuverlässigen Knechte eingestellt?“
„Die Knechte und Mägde stelle ich selbst ein, und sie sind zuverlässig; wenn jedoch Segen auf der Wirtschaft liegen soll, so will die Saat von der Herrschaft in die Felder gebracht werden, und ebenso soll der Hausherr bei den Geburten von Tieren zugegen sein.“
Selbstverständlich hatte sie von sich als „Hausherr“ gesprochen. „Mutet Ihr Euch nicht zu viel zu?“
Wieder lachte die Frau an meiner Seite: „Ja, ich mute mir viel zu. Und doch ist es nur ein geringer Teil von dem, was ich alles vollbringen will. Doch Ihr müsst wissen, nicht mein Martinus bürdet mir die Arbeit auf – ich selbst habe dieses Leben an Martinus‘ Seite gewählt.“
„Ich denke, Ihr habt gewählt, eine Nonne zu sein.“
„So hatten es die Eltern vorbestimmt, als sie mich mit sechs Jahren ins Kloster gebracht hatten. Aber ich lobe den Tag, als ich die Mauern verlassen konnte. Jeden Tag danke ich Gott dafür, denn jetzt führe ich das Leben, für das ich bestimmt wurde. Ich danke es Gott und den Freunden Luthers.“
„Wer hat Euch geholfen, wie sind deren Namen?“
„Das tut nichts zur Sache, denn ich wäre auch alleine entflohen.“
„War es so schlimm im Kloster?“
„Nein, es war nicht schlimm im Kloster, denn ich hatte es besser als jede Frau aus der Stadt. Im Kloster hielten wir zusammen und waren besser versorgt, als es in den Familien geschieht, außerdem war es mir immer eine Freude, Gott zu loben.“
„So habt Ihr im Kloster durch die Türen geschaut, Luther erblickt und ihn zum Mann haben wollen?“
Über meiner Frage begann Katharina laut zu prusten: „In diesen Mann kann sich doch keine Frau auf den ersten Blick verlieben! Er ist mürrisch und fett und grob in der Sprache.“ Sie lachte und lachte.
„Aber Ihr sagtet doch zuvor, dass Ihr ihn wolltet!“
„Langsam, langsam. Als ich noch im Kloster war, sah ich Luther überhaupt nicht. Aber wir bekamen seine übersetzten Bibelabschriften zu lesen. Als ich die Worte Gottes nicht nur auf Latein, sondern auch auf Deutsch lesen konnte, da rannen mir vor Freude die Tränen über die Wangen; und Ihr müsst wissen, ich bin keine Frau, die schnell weint! Und dann begegneten mir immer öfter Menschen, die von Gottes Liebe und Vergebung sprachen, ohne Ablass zu bezahlen, den sie auch gar nicht hätten aufbringen können. Ich ahnte, dass sich die frohe Botschaft in einer Weise ausbreiten will, wie es noch nie vernommen wurde, als ob Christus selbst wieder vom Himmel stiege. Luther sah ich das erste Mal zwei Tage nach meiner Flucht. Ich war seiner Lehre zugetan, aber ich fand ihn so hässlich wie alle anderen Mönche, die mir begegnet waren.“
„So hat er Euch gar gezwungen?“
„Nein, nein. Er wollte mich ja ständig mit einem andern verheiraten. Er wollte, dass alle entlaufenen Nonnen brave Pfarrfrauen würden.“ Katharina schwieg eine Weile und erklärte dann: „Ich liebte Hieronymus Baumgärtner von ganzem Herzen. Er studierte zu Wittenberg, und er wollte mich ehelichen. Doch seine Eltern verboten ihm, eine entlaufene Nonne als Schwiegertochter zu bringen. So ließ er mich im Stich. Nicht im Stich ließ mich jedoch Martinus, der sich weiter sorgte, welchen Mann ich denn ehelichen könnte. Aber mir gefiel keiner von denen, die er mir vorschlug. Was mir gefiel, war ein Leben an der Seite Luthers. Als er mich wieder drangsalierte zu heiraten, sagte ich es in aller Öffentlichkeit, dass ich am liebsten ihn selber heiraten wolle. Darüber hat er gespottet und es allen weitererzählt. Da drehten seine Kollegen den Spieß um und sagten: ‚Du zwingst uns zu heiraten, aber selber nimmst du dir keine Frau.‘ Er entschuldigte sich damit, dass er ja in ständiger Lebensgefahr sei und nicht ehelichen könne … Seinen Eltern erzählte er auch von mir, und die waren es, die ihm ins Gewissen redeten, weil sie mich zur Schwiegertochter wünschten.“
„So seid Ihr den Bund der Ehe eingegangen, ohne einander wirklich zu begehren?“
„Jedenfalls begehrten wir uns nicht vor der Ehe. Die Liebe wuchs jedoch von der Stunde an, als wir Ja sagten. Und um nichts auf der Welt wollten wir uns nun missen.“ Katharina machte wieder eine Pause und sprach zufrieden: „Mein Martinus muss mich nirgends hinschicken und zu keiner Arbeit oder Liebesdiensten ermuntern, denn es ist alles so, wie ich es selbst gewählt habe.“
„Verzeih, werte Lutherin, aber ich habe auch gehört, dass Luther gesagt habe, er würde Euch eine Backpfeife geben, wenn Ihr ihm noch einmal bei Tisch widersprechen würdet.“
„Ja, das hat er gesagt, und er sagte auch, dass er, wenn er noch einmal freien würde, sich ein gehorsam Weib aus Stein hauen würde.“
„So hat er also bereut, was er tat?“
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