Название: Geheimakte Luther
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Издательство: Автор
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783865067012
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„Es mus beide …“, diktierte Overbeck dem päpstlichen Gesandten in die Feder.
Als das Zitat schwarz auf weiß auf dem Pergament stand, sagte Overbeck: „Der Lutter fängt auch an, selber geistliche Lieder zur Laute zu singen, die er gar nicht so übel schlägt, und er fordert, man solle sie in der Messe singen.“
„So? In der Messe? Aber nach welchen Melodien?“
„Nun, nach Melodien, die das gemeine Volk zu singen pflegt: Gassenhauer und andere Stücke. Hört nur selbst, ich will euch eins vortragen.“
Overbeck stand auf, griff nach der Laute, die an der Wand hing, stimmte die Saiten, nahm ein Notenblatt und sagte: „Das Liedchen hat er erst vor ein paar Wochen ersonnen und großen Beifall bei Tisch erhalten. Hört nur zu!“ Er räusperte sich, trank noch einen Schluck Bier und fing an: „Ein feste burg ist uhunser gott, ein gute weer und waffen. Er hilft uns frey aus ahaller not, die uns itzt hat betroffen. Der alt böse feint, mit ernst er‘s itzt meint, groß macht und viel list, sein grausam rüstung ist, auf erd ist nicht seinsgleichen.“
Magister Bolemius hatte aufmerksam zugehört und starrte unentschlossen auf das Pergament. Schließlich brummte er: „Nun, nun, das Lied ist roh und feist, aber die Melodie schlägt anders ins Gemüth als die gregorianischen Gesänge. Das muss ich schon sagen, und das könnt gefährlich werden, wenn‘s überhandnimmt.“
„Ja“, nickte Overbeck, „er will es sogar in der Messe die Leut singen lassen! Stellt Euch vor, wenn das Schule macht, dann legt man nachher das Kyrie, das Gloria, das Agnus Dei und die anderen Stücke beiseite, und aus der Kirche klingen die ungehobelten Lieder von der Gasse. Ich hab ja nichts dagegen, wenn man die Liedchen beim Essen singt, aber …“
„Grauenhaft“, stöhnte der Gesandte. „Die Kirche wird zum Wirtshaus. Und die Anbetung Gottes verfault auf dem Altar!“ Er trank einen Schluck und sagte: „Hast du dafür einen Ausspruch, den man als öffentliche Anklage vorbringen könnte?“
„Oh ja, den hab ich!“ Overbeck nahm wieder seine Holztafeln, sah sie durch und fand die richtige: „Ah, hier ist es, passt auf!“ Er las: „Ihr müsset die gassenhauer, reiter- und bergliedlein christlich, moraliter und sittlich verändern, damit die bösen, ärgerlichen weisen, die unnützen und schandbaren liedlein auf den gassen, feldern und häusern und anderswo mit der zeit abgehen möchten, wenn man christliche, gute, nützliche texte und worte darunter haben könnte.“
Der Gesandte schrieb die Worte nieder, dass die Feder nur so über das Pergament kratzte. Als er fertig war, stand Overbeck auf und sagte: „Hab schon des Öfteren gesehen, wie Bettler und fahrende Leut bei dem Lutter eingegangen sind und haben ihm ihre Lieder vortragen müssen, so lang, bis der Lutter sie selber auf seiner Laute schlagen konnte. Und seine neue Frau, die entlaufene Nonne, singt kräftig mit!“
Bolemius kratzte sich nachdenklich an seiner Beule und schrieb: „Bettler und fahrende leut bringen ihre gemeinen lieder dem Lutter ins Haus, auf dass sie ihren weg in die allerheiligste kirche finden …“ Er setzte die Feder ab. „Oh Christenheit“, seufzte er, „wohin geht deine Reise? Hinab in den Schlamm der Straße! Mönche brechen ihr Gelübde, heiraten Nonnen und knechten die heiligen Texte in gemeine Weisen. Wenn das so weitergeht, sitzen am End die Bauern, Spielleut und Bettler in der Messe, und die hohen Herren finden keinen Platz mehr und stehen draußen.“ Er blickte Overbeck an, der sich wieder gesetzt hatte. „Hast du noch ein Lied?“
Overbeck dachte nach. „Ja, ich hab noch eins. Ein Osterlied. Das ist schon ein paar Jahre alt. Die Weise hat er in einigen Teilen genommen nach einer Sequenz des victimae paschali laudes des Wipo von Burgund.“
Overbeck zog ein anderes Blatt hervor, schlug ein paar Akkorde an und sang: „Christ lag in todesbanden für unsre sünd gegeheben, der ist wieder erstanden und hat uns bracht dahas leben. Des wir sollen froelich seyn Gott loben uhund dankbar seyn und singen halleluhuja, halleheluja …“
Er unterbrach das Lied und sagte: „Eigentlich keine schlechte Weise, aber wisst Ihr was? Nirgendwo kommt die heilige Kirche vor oder die Tradition. In der vierten Stroph heißt es gar: Die schrift hat verkündet das, wie ein tod den andern fraß. Die Bibel hier, die Bibel da, die Schrift hat verkündet, und die Schrift sagt dieses und so fort. Als ob man die Priester und die Bischöfe und Kardinäle gar nicht mehr braucht.“
„Ja, ja“, nickte Magister Bolemius, „das hast du gut erkannt, und dein Schädel hat nicht nur Platz für Noten, sondern auch für die Theologie. Der Lutter ist ein ganz gefährlicher Bursch. Die Lieder erregen das Gemüt, dadurch schleicht er sich in die Seelen und Herzen der Menschen ein, und sie merken gar nicht, dass heimlich still und leise eine ganz andere, eine fremde Theologie gelehret wird. Das müssen wir verhindern.“
„Wie soll das gehen?“, fragte Overbeck und leerte seinen Krug. „Die Lieder sind schon in den Köpfen drin. Die kann man nit herausreißen. Und hier in Wittenberg hat der Lutter schon ein Buch drucken lassen. Er nennt es das Achtliederbuch. Und jetzt ist sogar ein neu Gesangbuch herausgekommen.“
Der Gesandte lächelte und legte den leeren Krug flach auf den Tisch.
„Agnes!“, rief Overbeck. „Schenk nach!“
Agnes erschien nach ein paar Augenblicken, nahm den leeren Krug und goss ihn voll. Ihre missmutigen Blicke streiften den Musicus. Dann wollte sie sich zurückziehen.
„Und dann kannst du Brot, Sauermilch, Gemüse und den Schinken auftragen.“
„Das werd ich alles dem Schwertfeger sagen, wie du mit seinem Schinken umgehst“, murmelte sie.
„Ja, sag‘s ihm nur“, antwortete der Musicus. „Hier werden wichtige Dinge verhandelt.“ Murrend zog sie sich zurück.
Magister Bolemius tat noch einen ehrbaren Zug aus dem vollen Krug, wischte sich mit dem Ärmel über den Mund und sagte: „Wir können den Lauf der Dinge verhindern und die Evangelischen zurücktreiben, wenn wir die Idee des Lutter übernehmen. Die Musik von der Straße und die rechte Theologie hineinpacken. Die lateinische Messe beibehalten und die neuen Weisen sanft dazwischenstreuen!“
Overbeck lachte. „Schlau“, nickte er.
„Und du“, sagte Bolemius und wies mit dem Zeigefinger auf ihn, „kannst gleich damit anfangen, dann klingeln die Taler nicht nur für deine gesammelten Worte auf den Holztafeln, sondern auch für deine Musik.“
Overbeck starrte den Gesandten mit großen Augen und offenem Mund an. Vor seinem inneren Auge sah er sich schon als berühmten Liederdichter, dessen Weisen im ganzen deutschen Land gesungen wurden. Wenn die Macht der Kirche hinter ihm stand, wer konnte seine Lieder dann noch verhindern?
„Nun, was hast du noch notiert, Overbeck?“, fragte der Gast.
Der Musicus klapperte mit seinen Holztafeln und hielt eine hoch. „Hier ist noch etwas, das gefährlich werden könnt. Der Lutter will nämlich, dass seine Liedlein auch vor Fürsten und in den Schulen gesungen werden. Hört her. Er beugte sich zum Fenster, weil die Sonne unterging, und las: „Könige, fürsten und herren müssen die musica erhalten. Denn großen potentaten und regenten gebühret, ihr hand über die guten freyen künsten und gesetzen zu halten. Man muß musicam von noth wegen in schulen behalten und soll die jugend stets zu dieser kunst gewöhnen, denn sie machet fein geschickte leut.“
„Ja, ja, der Lutter ist nicht dumm“, murmelte der Gesandte, СКАЧАТЬ